Die Stones sind sicher

Berlin Beatet Bestes. Folge 47. The Perfid’s: Radio Continental (1982).

Wenn jemand bei mir zu Hause meine 7 000 Singles sieht, werde ich gelegentlich gefragt, welche Platte denn meine wertvollste sei. Meine Antwort ist immer dieselbe: »Ich weiß es nicht.« Einzelne Stücke werden so 50 bis 100 Euro wert sein, ein paar hundert je zehn bis 20 Euro, das Gros so um die drei Euro, und dann gibt es da natürlich noch haufenweise komplett wertlose Scheiben. Ich suche Platten ja nicht danach aus, wie viel sie wert sind, sondern danach, wie sonderbar sie erscheinen und meist dann auch klingen. Solange sie mir gefallen, sind sie mir auch etwas wert. Bei einem durchschnittlichen Einkaufspreis von einem Euro ist die Wertsteigerung meiner Sammlung dennoch beachtlich.
Würde ich ausschließlich seltene Aufnahmen der Kult-Genres Punk, Rockabilly, Garage Rock, Northern Soul oder Metal sammeln, wäre die Steigerung sicher größer, aber es wäre auch langweiliger, sie zu sammeln. Noch öder ist es, einzelne Interpreten und Bands zu sammeln. Wer braucht schon jede Pressung von den ­Beatles? Ich verlasse mich beim Spekulieren lieber auf mein Gespür für Seltsames und hoffe, dass ich damit nicht ganz alleine bin. In den neunziger Jahren habe ich mit dem Ostblock-Beat immerhin schon mal richtig gelegen. Mit Börsenspekulation lässt sich das natürlich nicht vergleichen. So wie ich die aktuelle Finanzkrise einschätze, sollte die Bankenszene sich dennoch mal an den Plattensammlern orientieren. Beatles und Stones sind eine sichere Bank, so wie Gold und Silber. Reelle Werte. Aber man kann auch Steine sammeln und die solange polieren, bis sie glänzen.
Die Perfid’s aus Zürich sind so ein Stein. Sie sind nicht Punk, nicht New Wave, nicht Heavy Metal, nicht Hardcore. Erworben habe ich sie, als ich einmal zufällig Zeuge eines ungünstigen Plattenverkaufs wurde. Ein Bekannter, übrigens ein Schweizer, verkaufte seine alten Punk-Singles an einen anderen Punkkollegen. »Um zuhause Platz zu machen«, wie er meinte. Ein seltsamer Grund, eine Handvoll rarer Singles für einen Spottpreis zu verhökern. Der andere schwitzte vor Aufregung. »Das sind ja echt seltene Singles!« vermeldete ich wahrheitsgemäß. »Wow, ›Spiral Scratch‹, die erste von den Buzzcocks. Wieviel soll die kosten, drei Euro?« »Sogar auf Ebay würden die aber mehr bringen«, hörte ich mich neidisch sagen. Es half nichts, der Verkauf ging vonstatten. Am Ende blieben mir die Singles, die dem Punkkollegen nicht punkig genug waren. Dennoch habe ich »Radio Continental«, den »Hit« der Perfid’s, seitdem so oft gehört, dass ich nicht verstehen kann, warum er nicht wirklich einer geworden ist. Hard Rock auf Schweizerdeutsch ist eigentlich eine großartige Idee, die 1982 dennoch erfolglos blieb. Im Internet gibt es keinen Hinweis auf die Gruppe und ihre privat gepresste Single. Wer den Namen eingibt, wird zu meinem Blogeintrag geführt. Es ist, als hätte ich mir die Gruppe ausgedacht.