Das Sparpaket der Bundesregierung

Die neue Gerechtigkeit

Am Montag präsentierte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Sparpaket. Belastet werden damit vor allem die Armen.

Die Mimik sollte staatstragendes Pathos ausdrücken, die Sätze offenbarten reinen Zynismus. Die Präsentation des Sparpakets erinnerte sicher nicht zufällig an den Tag, an dem die schwarz-gelbe Regierung die Ergebnisse ihrer Koalitionsverhandlungen bekannt gab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) wirkten erschöpft, die Kanzlerin bezeichnete die Haushaltsklausurtagung als »einmaligen Kraftakt«. Es ist sicher nicht besonders angenehm, die halbe Nacht mit zerstrittenen Koalitionspartnern zu verhandeln, die sich schon im Vorfeld einen Schlagabtausch geliefert hatten, bei dem prägnante Begriffe wie »Wildsau« und »Gurkentruppe« fielen. Das Mitleid der Bevölkerung für die Strapazen der Kanzlerin dürfte sich dennoch in Grenzen halten. Wochenlang versicherte Merkel, bei den Sparmaßnahmen solle nicht nach dem »Rasenmäherprinzip« vorgegangen werden, stattdessen solle Gerechtigkeit walten. Doch für Arbeitslose, Geringverdiener und Familien wird der Kraftakt nicht einmalig, sondern von Dauer sein, schließlich sollen sie zwei Drittel der Haushaltssanierung tragen. Merkel bekundete fälschlicherweise, dass die harten Einschnitte gleichmäßig verteilt worden seien, auf ärmere Bürger einerseits und Wirtschaft und Vermögende andererseits. Opposition und Gewerkschaften zeigen sich entsetzt und kündigen Proteste an, und auch Margot Käßmann hat zum Widerstand gegen das Sparpaket aufgerufen.
Überrascht haben dürfte die überproportionale Belastung der Armen aber wohl niemanden. Ein Blick in den Koalitionsvertrag, auf den sich CDU, CSU und FDP Ende Oktober vorigen Jahres geeinigt hatten, fördert die Erkenntnis, dass die Regierung trotz interner Streitigkeiten ihrer politischen Zielsetzung treu geblieben ist. Bei den Verhandlungen über den größten Sparhaushalt in der bundesdeutschen Geschichte hat sie an ihrem beschlossenen Kurswechsel, hin zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft, festgehalten. Schon die Vereinbarungen zu Beginn ihrer Amtszeit lasen sich implizit als Vorbereitung für eine Agenda 2011. Die ihnen immanente »soziale Kälte«, die Westerwelle damals noch mit einem treuherzigen Blick in Abrede gestellt hatte, wird nun nicht nur metaphorisch Realität. Der Heizkostenzuschuss, den die Bezieher von Transferleistungen erhalten, wird mit der Begründung abgeschafft, dass sich die Situation wegen der kürzlich gesunkenen Energiekosten entspannt habe. Ignoriert wurde dabei, dass die Energiekosten angesichts der Währungskrise zukünftig wieder deutlich steigen dürften.
Bei den beschlossenen Einsparungen hat die Regierung sich auf den Etat des Arbeitsministeriums konzentriert. Die Arbeitsagenturen sollen Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umwandeln, innerhalb von vier Jahren sollen damit 16 Millionen Euro eingespart werden. Auf die Bezieher von Hartz IV kommen weitreichende Maßnahmen zu, künftig wird für sie nicht mehr in die Rentenkasse eingezahlt. Familienministerin Kristina Köhler (CDU) hat aus Sorge um gut verdienende Väter zwar hart dafür gekämpft, dass beim Elterngeld, dem Prestigeprojekt ihrer Partei, die Höchstgrenze nicht angetastet wird, dafür jedoch in Kauf genommen, dass es für die Empfänger von Transferleistungen gänzlich gestrichen wird. Die Regierung hat mit ihrem Sparhaushalt Klientelpolitik betrieben, der Spitzensteuersatz wurde nicht angehoben, für die angekündigten wirtschaftlichen Subventionskürzungen sind Ausnahmen vorgesehen, und die geplante Finanztransaktionsteuer hängt davon ab, ob sie internationale Zustimmung erfährt. Westerwelle erklärte lapidar, Sparen funktioniere »nicht mit der Nagelschere«, auf seine Wählerschaft hat er das wohl nicht bezogen. Für die einen den »Rasenmäher«, für die anderen die »Nagelschere«, so funktioniert die neue Gerechtigkeit.