Über die Geldpolitik Chinas

Abwertung für die Aufwertung

Die chinesische Zentralbank dehnt die Bindung des Renminbi an den Dollar auch auf andere Währungen aus. Ein Ende des Abwertungswettlaufs ist dennoch nicht in Sicht.

Zunächst sah es so aus, als habe die chinesische Regierung bereits vor dem G20-Gipfel in Toronto antizipiert, dass Barack Obamas Versuche, die Regierungen von ihren Sparplänen abzubringen, scheitern würden. Scheinbar wollte man dem US-Präsidenten zum Treffen der wichtigsten Wirtschaftsnationen wenigstens aus China ein kleines Geschenk mitbringen. Eine Woche vor Beginn des Gipfels hatte Pekings Zentralbank völlig überraschend die Loslösung des Wechselkurses des Renminbi, meist Yuan genannt, vom Dollar angekündigt. Wenig prätentiös, wie es offiziellen chinesischen Stellungnahmen zueigen ist, hatte die Zentralbank auf ihrer englischsprachigen Homepage mitgeteilt, es sei wünschenswert, »die Reform der Wechselkurspolitik voranzutreiben und die Flexibilität des Wechselkurses zu erhöhen«. Die Reaktion der USA auf die Erfüllung der bereits unter der Präsidentschaft von George W. Bush erhobenen Forderung nach einer Anhebung des Wechselkurses des Yuan erfolgte umgehend. »Chinas Entscheidung«, erklärte Obama, sei »ein konstruktiver Schritt, der bei der Sicherung des Aufschwungs helfen und zu einer ausgewogeneren Weltwirtschaft führen« könne. Ihm beipflichtend erkannte auch Dominique Strauss-Kahn, Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), in der Ankündigung eine »ermutigende Entwicklung« für die gesamte Weltwirtschaft.

Wer allerdings davon ausgegangen war, die chinesische Regierung wolle auf dem Gipfel der Kritik an ihrer Währungspolitik entgegenarbeiten und zugleich ihrem wichtigsten Handelspartner Konzessionen machen, sah sich schnell getäuscht. Die beiden zentralen Forderungen der US-Regierung bleiben weiterhin unerfüllt. Zwar wird die Bindung an den US-Dollar – der Kurs war im Jahre 2008 darauf festgelegt worden, dass 6,8275 Renminbi einem Dollar entsprechen – aufgehoben, aber eine freie Konvertibilität ist weiterhin nicht in Sicht. Vielmehr möchte die chinesische Zen­tralbank den Yuan nun an einen Währungskorb binden, in dem neben dem US-Dollar auch Euro, britisches Pfund und japanischer Yen enthalten sein werden. Die vehement geforderte deutliche Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar dürfte ebenfalls ein amerikanischer Traum bleiben. Die chinesischen Währungshüter kündigten nun an, dass es weiterhin keine Grundlage für große Veränderungen bei den Wechselkursen gebe. Die bereits bestehende Bandbreite von Veränderungen um 0,5 Prozent bleibe zumindest mittelfristig weiterhin in Kraft. Den leichten Kursanstieg des Yuan um 0,43 Prozent in den auf die Erklärung folgenden Tagen dämmten die chinesischen Banken umgehend mit Dollaraufkäufen ein. Auch künftig ist nicht zu erwarten, dass das Handelsministerium in Peking den niedrigen Währungskurs, hervorgerufen durch die Dollarbindung und den massiven Aufkauf amerikanischer Staatsanleihen und Dollarreserven, als Subvention ihrer Exportindustrie aufgeben wird.
Handelte es sich also lediglich um einen Sturm im Wasserglas? Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Einschätzung als falsch. Die Chinesen stehen, trotz des verkündeten achtprozentigen Wirtschaftswachstums im vergangenen Krisenjahr, unter finanziellem Druck. Auch in China haben die Konjunkturprogramme die öffentlichen Kassen geleert. Möchte die Regierung einen Teil ihrer Währungsreserven in Höhe von 2,4 Billionen Dollar auf die Finanzmärkte werfen, so wäre für Peking zumindest ein leicht verbesserter Kurs der eigenen Währung wünschenswert. Denn bei einer unterbewerteten Währung ist nicht nur die zunehmende Rohstoffabhängigkeit der beschleunigten chinesischen Industrialisierung teuer, sondern auch der Aufkauf von Lebensmitteln oder ganzen Agrarflächen, die China in letzter Zeit vor allem in Afrika erworben hat. Einer Studie der OECD zufolge ist der Yuan um mindestens zehn Prozent unterbewertet. Amerikanische Wirtschaftsinstitute gehen sogar davon aus, dass die Unterbewertung bei 40 Prozent liegt. Mit einer leichten Aufwertung könnte Abhilfe geschaffen werden. Bereits zwischen den Jahren 2005 und 2008 hatte die chinesische Zentralbank ihre Währung sukzessive um insgesamt 21 Prozent gegenüber dem US-Dollar aufgewertet, um die Inflation zu dämpfen und die Importe zu verbilligen. Angesichts zehntausender regionaler Aufstände und Arbeitskämpfe könnte mit einer Stabilisierung des Binnenmarktes auch politisch einiger »Druck aus dem Yuan-Kessel« genommen werden, wie das Handelsblatt zu Recht bemerkte.
Dass eine Aufwertung des Yuan wegen der unverminderten Exportorientierung nicht zu einer grundsätzlichen Infragestellung dieses Subventionsfaktors der heimischen Industrie führen darf, scheint festzustehen. So erwarten die Analysten von Barclays Capital eine Aufwertung »um die fünf Prozent«. Damit würden die Produkte billig genug bleiben und zugleich könnten bedeutende Vorteile bei Export, Binnenmarktentwicklung und Währungsverkäufen erreicht werden. Nouriel Roubini, derzeit als »Star-Ökonom« (Die Welt) gehandelt, geht hingegen lediglich von vier Prozent bis zum Jahresende aus.

Dennoch ist diese moderate Aufwertung eher ein Abfallprodukt der Loslösung vom US-Dollar und der Bindung an einen Währungskorb, in dem der Euro nach Aussage der Zentralbanker in Peking mittelfristig gleichberechtigt gegenüber dem Dollar sein soll. Dies entspricht in gewisser Hinsicht auch der realwirtschaftlichen Handelsbilanz Chinas. Während die USA mit einem Anteil von 13 Prozent zwar immer noch der größte nationale Importeur chinesischer Waren sind, hat der Euro-Raum in seiner Gesamtheit diese mit einem Anteil von 16 Prozent im vergangenen Jahr mittlerweile überholt. Vor allem aber seit der Kurs des Euro in Folge der Griechenland-Krise gegenüber dem US-Dollar abgefallen ist, stieg nach Berechnungen des IWF wegen der Dollar-Bindung auch der Wert des Yuan um zehn Prozent gegenüber dem Euro. Auf die Exportindustrie wirkte sich das negativ aus. Mit einer Bindung an einen nach der Bedeutung von Handelspartnern zusammengestellten Währungskorb würde die chinesische Sorge vor einer Wiederholung solcher Szenarien schwinden. Für die USA hingegen könnte die zusätzliche Euro-Bindung des Yuan noch schmerzlichere Folgen haben als die bisherige Dollar-Bindung. Bei einem weiteren Einbruch des Euro-Kurses würden nicht nur die Europäer ihre Wettbewerbsvorteile gegenüber den USA verbessern, auch der Yuan würde nochmals gegenüber dem US-Dollar an Wert verlieren. In Washington dürfte dann die Sehnsucht nach einem System der direkten Bindung an den Dollar eine Renaissance erleben.

In Europa und vor allem in Deutschland wurde die chinesische Ankündigung, trotz dieser Ausdehnung der chinesischen Währungspolitik gegenüber den USA auf die gesamten Industrieländer, insgesamt positiv aufgenommen. Vor allem die leichte Aufwertung des Yuan beschert der zweiten auf Export gerichteten Nationalökonomie rosige Perspektiven. Insgesamt könnten chinesische Produkte teurer und China als Konkurrent etwas ungefährlicher werden. »Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Waren nimmt zu. Unsere Exporte werden deshalb anziehen«, prognostiziert etwa Volker Treier, Chefvolkswirt des Industrie- und Handelskammertages. Diese Prognose ließ sich auch an den internationalen Börsen nachvollziehen. Vor allem exportorientierte Firmen wie etwa BMW, Daimler oder Siemens konnten steigende Aktienpreise verbuchen.
Eventuell ist hierzulande das Verständnis für die chinesische Haltung auch deswegen so groß, weil sie Analogien zur Euro-Politik der Bundesrepublik aufweist. Die Schaffung einer gemeinsamen Währung mit unproduktiveren Standorten innerhalb des Euro-Raumes beschert der hiesigen Nationalökonomie, populistischen Kampagnen zum Trotz, eine permanent unterbewertete Währung. Und dies nicht nur innerhalb des Euro-Raums, wo die Unmöglichkeit der Abwertung gerade die Regierungen in Südeuropa in eine schwierige Situation bringt, sondern auch weltweit. Eventuell haben sich die chinesischen Finanzexperten auch deshalb an einem Währungskorb orientiert, ein Prinzip, das auch das Fundament des Euro darstellt. Wegen der relativ geringen Produktivität der Wirtschaft kann sich China angesichts der gesetzten Prämissen allerdings im Gegensatz zum hoch entwickelten Standort Deutschland noch keine konvertierbare Währung leisten, ohne die aufholende Entwicklung insgesamt in Frage zu stellen.
Währungspolitische Interventionen erscheinen derzeit offensichtlich vielen Regierungen, neben einigen protektionistischen Maßnahmen, als eine naheliegende Möglichkeit, die Wettbewerbs- und Exportchancen der heimischen Wirtschaft zu verbessern. Im Gespräch mit dem Manager-Magazin beschrieb Eberhard Weinberger, Vorstand beim Vermögensverwalter DJE Kapital AG, diesen »Abwertungswettlauf der Nationen« treffend. »Nahezu alle großen Währungen der Industrieländer scheinen sich in einem langfristigen Abwärtstrend zu befinden«, sagte Weinberger. International führt diese Entwicklung zu einem steigenden Druck auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen und Arbeitslosen. Es bleibt angesichts der Steiks fraglich, ob Chinas Arbeiterinnen und Arbeiter das ebenso geduldig hinnehmen werden wie ihre deutschen Kollegen und deren Gewerkschaften.