Immobilienkrise in China

Auf Kredit gebaut

Die Immobilienpreise in China sind immens gestiegen. Doch nun wird ein Zusammenbruch des Marktes befürchtet, der weitreichende Folgen haben könnte.
Von

Wenn gefragt wird, wer die Weltwirtschaft aus der Krise führen könne, lautet die Antwort fast immer: China. Seit die wirtschaftliche Prosperität der USA stagniert, blickt die Welt gebannt nach Fernost. Das schnelle Wachstum der chinesischen Wirtschaft weckt die Begehrlichkeiten interna­tionaler Anleger. In der Erwartung, dass bessere Geschäfte dort die Verluste in den USA kompensieren, werden jedoch die Probleme auf dem chinesischen Immobilienmarkt übersehen.
China erlebt einen Immobilienboom bislang ungekannten Ausmaßes. Die Situation erinnert an die Jahre vor dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes 2007 oder dem Beginn der japanischen Malaise Anfang der neunziger Jahre. In Hongkong wechselte kürzlich ein Grundstück mit den Maßen 174 mal 174 Meter für die stolze Summe von 1,3 Milliarden US-Dollar seinen Besitzer. Stefan Dyck, Analyst der Deutsche Bank Research, sagte gegenüber der Financial Times Deutschland: »Das Risiko einer Korrektur in China hat sich deutlich erhöht.«
Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung in China war bislang abhängig von den Zahlen, die von der Regierung in Peking geliefert wurden. Diese galten jedoch als mehr oder weniger geschönt. Der chinesische Immobilienmarkt stellte daher viele Anleger vor eine große Herausforderung. Bei ihrer Einschätzung der Situation mussten sie sich immer auch auf ihre Intuition verlassen.
Nun liegen zum ersten Mal unabhängig ermittelte Zahlen für den Immobilienmarkt in den großen Zentren Chinas vor. Die Ökonomen Jing Wu, Yongheng Deng und Joseph Gyourko haben rund 300 Auktionen von Grundstücken in China analysiert. Dabei haben sie einen Preisanstieg von etwa 800 Prozent für die vergangenen acht Jahre ermittelt. Allein in den vergangenen zwei Jahren seien die Preise um etwa 400 Prozent gestiegen. Die Ökonomen haben ebenfalls untersucht, welche Auswirkungen eine Veränderung bei der Preissteigerung für Immobilien hätte. Sie gehen davon aus, dass die Erwartung eines Preisanstiegs von nur noch vier Prozent pro Jahr in Peking die derzeitigen Preise für Immobilien dort um bis zu 40 Prozent fallen lassen würden.
Einigen Analysten war dieses Problem bereits zuvor aufgefallen. Gleichwohl schätzten sie das bestehende Risiko fauler Immobilienkredite als wesentlich geringer ein als in den USA vor dem Zusammenbruch der Immobilienpreise. Denn zwischen den USA und China gäbe es einen bedeutenden Unterschied. Amerikanische Immobilienkäufer haben sich ihren Traum vom Eigenheim durch einen Kredit finanziert, in China hingegen würden in erster Linie eigene Mittel eingesetzt.

Angehörige der chinesischen Mittelschicht hätten in den vergangenen Jahren ansehnliche Ersparnisse angelegt, die sie nun in den Kauf von Immobilien investierten. In China seien zwischen 30 und 40 Prozent Eigenkapital bei einem Immobilienkauf üblich, ein deutlich höheren Anteil als beispielsweise in den USA vor der Immobilienkrise. Dort war bis 2007 überhaupt kein Eigenkapital für den Kauf einer Immobilie nötig. Wu, Deng und Gyourko zufolge muss in den großen Zentren Chinas im Schnitt für eine Wohnung jedoch inzwischen das 20fache des durchschnittlichen Jahreslohns gezahlt werden.
Der US-Ökonom James Hamilton urteilt daher auf seinem Blog, dass ein Großteil der Chinesen schlicht nicht über so viel Eigenkapital verfüge und sich die nötigen Mittel auf dem grauen Ka­pitalmarkt besorgen würde. Dieser unkontrollierte graue Kapitalmarkt sei in China besonders groß. Da chinesische Banken für Sparguthaben keine hohen Zinsen zahlten, schlössen sich Immobilienkäufer und Sparer in mehr oder weniger illegalen Kreditpools zusammen. Finanziert werden dort die Kredite wie andernorts auch – über die steigenden Immobilienpreise. Ein Einbruch dieser Preise zöge daher automatisch auch einen Zusammenbruch des grauen Kapitalmarktes nach sich.

Doch auch chinesische Banken wären von fallenden Preisen betroffen. Der US-amerikanische Ökonom Michael Pettis geht davon aus, dass bereits ein großer Teil der bei Banken liegenden Hypotheken faul sei. Bislang würden die chinesischen Banken durch die sehr niedrigen Zinsen auf die Einlagen ihrer Kunden stabilisiert. Die sehr hohe Spanne zwischen dem gezahlten Zins auf die Einlagen ihrer Sparer und dem mit vergebenen Krediten verdienten Zins versetze die Institute in die Lage, diese faulen Kredite abzuschreiben. Ein Preissturz bei den Immobilien jedoch würde weitere Kredite platzen lassen und die Banken in Schwierigkeiten bringen. Ein Ende des Immobilienbooms könnte das chinesische Wachstum daher erheblich mindern.
Die chinesische Regierung versucht indes, das Problem zu lösen, indem sie Banken von einer weiteren Kreditvergabe abhält. Auf diese Weise soll der Immobilienmarkt stabilisiert werden. Der chinesische Ökonom Yuan Gangming von der renommierten Qinghua-Universität warnt jedoch, dass chinesische Banken deutlich mehr als die zwischen ihnen und der chinesischen Regierung vereinbarten 7,5 Billionen Yuan (umgerechnet etwa 1,14 Billionen Dollar) verleihen würden. Victor Shih, Ökonom an der amerikanischen North­western University, spricht im Handelsblatt von einem »Dreieinhalb-Billionen-Problem«, das bereits in den Bilanzen der Banken lagere. Dies sei die Summe, die chinesische Banken bislang an undurchsichtige und staatsnahe Unternehmen für zweifelhafte Projekte vergeben hätten.
Eine Einschränkung der Kreditvergabe würde für viele dieser Projekte das Ende bedeuten und damit die bislang vergebenen Kredite platzen lassen. Sollte die Regierung jetzt die Kreditvergabe einschränken, drohe eine »gigantische Welle« fauler Kredite auf die Institute zuzurollen. »Die enormen Verbindlichkeiten setzen die Banken dem Risiko einer Insolvenz aus«, sagte Shih. Für die Anleger auf dem ostasiatischen Immobilienmarkt sind das keine guten Aussichten.