Über die Sicherheitsverwahrung

Sicher vor Strasbourg

Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung ändert für die Betroffenen wenig.

Strafe ist: Du hast einen Mord begangen, also kommst du in Haft. Sicherungsverwahrung ist: Du wirst einen Mord begehen, also kommst du in Haft. Natürlich fühlt sich am Ende das eine an wie das andere, und vielleicht mag man sogar finden, dass die gewaltsame Abwehr eines bevorstehenden Gewaltverbrechens immerhin ein akzeptableres Ansinnen des Staats sei als die bloße Vergeltung von bereits Vergangenem. Aber diese Abwehr beruht eben immer auf einer Behauptung – und behaupten lässt sich vieles. So sagt die Tatsache, dass die Zahl der Sicherungsverwahrten in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren auf 500 hochgeschnellt ist, weniger über die Konjunktur der Gewalt hierzulande aus, die seit Jahren rückläufig ist, als über die Konjunktur staatlicher Härte. Unter Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ändert sich daran wenig bis nichts.
Die Möglichkeit, Menschen für noch nicht begangene Taten in Haft zu nehmen, die sich der deutsche Staat erstmals 1933 herausnahm, spielte in der Bundesrepublik jahrzehntelang eine geringe Rolle, unter der Regierung von Gerhard Schröder (SPD) ist sie wiederentdeckt worden. Und der Trend wird in diesen Wochen, da ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen Anlass zum Überdenken bietet, nicht korrigiert, sondern konsolidiert: Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das in den vergangenen Jahren hektisch ausgebaute Regime der Sicherungsverwahrung gegen weitere Interventionen des Gerichtshofs in Strasbourg absichern soll. Es wird zwar manches abgemildert. Die Sicherungsverwahrung soll sich künftig nicht mehr genauso hart anfühlen wie eine Strafe für wirklich begangene Taten; nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Länder erträglichere Haftbedingungen schaffen. Auch müssen Gefangene künftig schon vor ihrer Strafhaft darauf hingewiesen werden, dass man gedenkt, sie anschließend noch zur Sicherungsverwahrung dazubehalten. Bislang konnte die Sicherungsverwahrung in bestimmten Fällen auch überraschend (»nachträglich«) kommen.
Andererseits: Die Anzahl der Verwahrten dürfte weiter recht ungebremst wachsen. Die Gerichte sollen sich künftig öfter mit der Möglichkeit befassen, Sicherungsverwahrung anzuordnen. Und im Kleingedruckten des Gesetzentwurfs kann man entdecken, dass es erlaubt bleiben soll, neben Gewalttätern auch Tresorknacker und Kleindealer präventiv für Jahre oder Jahrzehnte hinter Gitter zu schicken. Denn die Sicherungsverwahrung soll bei allen Taten möglich bleiben, die mit einer Höchststrafe von mindestens zehn Jahren geahndet werden. Wozu auch Wohnungseinbruchsdiebstahl zählt – der Handel mit Marihuana sowieso.
Die Gewissheit, dass ein Gewalttäter so sicher wie ein Uhrwerk wieder zuschlagen wird, gibt es außerhalb der aktuellen politischen Debatte noch im Spielberg-Film »Minority Report« , in der Realität gibt es sie nicht. Was es aber tatsächlich gibt, sind 60 000 Strafgefangene in Deutschland, deren lausige Betreuung und unvorbereitete Entlassung in ein oft überschuldetes und perspektivloses Leben deutlich zur Rückfallquote beitragen – und denen wieder nur gesagt wird: Dann bleibst du eben in Haft.