DDR-Sportverbände, die nicht dem Westen beigetreten sind. Teil III

Motor des Fortschritts

Drei DDR-Sportverbände gibt es noch, die 1990 nicht dem Westen beigetreten sind: ABM – Angler, Bogenschützen, Motorsportler. Wie sich ein ostdeutscher Verband, der 1 700-mal kleiner ist als der ADAC, gegen den Riesen aus dem Westen behauptet. Teil 3 der Serie »Zwanzig Jahre geteiltes Deutschland«.

Harald Täger ist Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Motorsportverbandes. »Der ADMV hat einfache Strukturen«, lobt er sich und die Seinen. »Er besetzt eine Nische, aber diese Nische ist ordentlich.« Bis 1990 war der ADMV so etwas wie der ADAC der DDR. Heute ist er immer noch etwas Ähnliches, aber das Größenverhältnis fällt noch krasser aus: Etwa 10 000 Mitglieder hat der ADMV, über 17 Millionen sind es beim ADAC.
So etwas wie Gelbe Engel hat der ADMV nicht, aber er ist mit 24-Stunden-Service-Werkstätten vertraglich verbunden. Dazu gibt es Rabatte bei Clubreisen, Straßenkarten und andere Leistungen. Ganz wie beim übermächtigen Verband aus dem Westen. »Für mich gibt es keinen Grund, in den ADAC einzutreten«, sagt Harald Täger bestimmt. Seit 1965 ist er Mitglied im ADMV, seit 1978 ist er hauptamtlicher Funktionär. Da schmerzt es, dass man im Westen seinen Verband nicht einmal kennt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der Dachverband allen organisierten Sports in Deutschland, hat beispielsweise kaum Informationen über den kleinen ADMV. »Es gibt wohl noch einen Motorsportverband im Bereich der ehemaligen DDR, dessen Bedeutung jedoch eher gering zu sein scheint«, heißt es auf eine Anfrage, wie es um nichtvereinigte Sportverbände steht.
Vor 20 Jahren, als die DDR der BRD beitrat, gab es auch Gespräche des ADMV mit seinen Westpendants, das sind der riesige ADAC und der Automobilclub von Deutschland (AvD) mit 200 000 Mitgliedern und großer Tradition: Seit 1899 gibt es ihn. Und dann ist da noch der Deutsche Motorsportverband (DMV), der sich ums Motorradfahren kümmert.
Diese drei Westverbände hatten sich auf gemeinsame Dachstrukturen geeinigt, denen der ADMV nicht hätte beitreten können. Die eine nannte sich ONS, die andere OMK, Oberste Nationale Sportbehörde und Oberste Motorsportkommission. Komplizierte Strukturen für einen Sport, der längst ein Wirtschaftsbetrieb war.
»Das waren juristische Gesellschaften«, erklärt Täger den Charakter von ONS und OMK, »die haben selbst entschieden, ob sie jemand aufnehmen.« Sein kleiner Verband hatte nach 1990 nur Kooperationsverträge geschlossen, damit die Motorsportler weiter eine Lizenz hatten. »Die waren teuer.«
Viel mehr Zusammenarbeit gab es nicht. Täger sagt: »Eine Vereinigung hätte gar nicht funktionieren können, weil wir für viel mehr Sportarten zuständig waren.« Im ADMV waren nämlich auch Sportarten wie Wasserski-, Motorboot- oder Oldtimerfahren institutionalisiert. Auf so etwas passen die Weststrukturen überhaupt nicht.
»Erst waren wir beim ADMV passiv«, erinnert sich Täger an das Wendejahr 1990. »Wir waren ja in den internationalen Verbänden. Dann haben wir uns an die Westverbände gewandt, damit erstmal die Saison zu Ende gefahren wird.«
Weil es die Regel gibt, dass jedes Land nur durch einen Verband in den internationalen Föderationen vertreten sein darf, trat der ADMV freiwillig 1990 überall aus.
Doch dieses Entgegenkommen – auch von den Exoten wie Wasserski- und Motorbootfahren trennte man sich – half wenig, der Osten musste draußen bleiben. »Von der Vereinigungseuphorie und der anfänglichen Sportkameradschaft war bald nicht mehr viel zu spüren«, klagt Täger. Dafür aber eine gewisse Westarroganz gegenüber den Ossis. »Im Osten gab es sechs Wagentypen bei den Autos: Trabant, Wartburg, Lada, Skoda, Polski Fiat und Zastava, ein jugoslawisches Modell«, listet Täger auf. Und die Wessis? »Die hatten ja alles.« Täger ist da realistisch: »Wir hatten keine konkurrenzfähigen Sportgeräte. Wir hatten ja keine Toyota-Motorräder, um ein Beispiel zu nennen. Im Autosport gab es im ganzen Ostblock niemand, der mithalten konnte.«
1997 aber organisierten sich die drei Westverbände neu: Statt der komplizierten alten OMK/ONS-Konstruktion entstand der Deutsche Motorsportbund (DMSB). Der ist Mitglied des DOSB, also können alle Verbände, die ihm angehören, auch an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen. »Uns hat niemand Bescheid gesagt, dass der DMSB gegründet wird«, beschwert sich Täger. Also blieb nur die Möglichkeit eines Aufnahmeantrags. »Satzungsmäßig sind wir seit 1998 gleichberechtigtes Mitglied«, sagt Täger. Aber: »Wir sind ein Verband zweiter Klasse.« Detailliert listet er auf, wie es in jedem einzelnen Fachausschuss des DMSB aussieht. »Wir haben da gerade so viele Stimmen wie der Porsche-Club.«
Etwas wenig für einen Verband mit dieser Tradition. In den Blechregalen der ADMV-Geschäftsstelle in der Berliner Wuhlheide, gegenüber der einstigen Pionierrepublik, stehen triumphale Symbole der Vergangenheit: Pokale, Wimpel, Urkunden. »Bis 1972 hat der ADMV an allen Welt- und Europameisterschaften teilgenommen«, sagt Täger, »ausgenommen da, wo wir nichts zu bieten hatten: Formel-1 etwa.« Aber sonst fuhren die DDR-Sportler fast überall mit. 59 WM- und EM-Titel gingen an ADMV-Fahrer.
1971 hatte die DDR-Sportförderung beschlossen, nur noch solche Sportarten in großem Umfang zu fördern, die olympisches Renommee versprachen. Raus fielen beispielsweise Wasserballer, Bogenschützen, Basketballer – und Motorsportler. »Da gab es einen Aufschrei«, erinnert sich Täger. »Und es kam zu einem Kompromiss.« Der ADMV durfte zwar weiterhin an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, aber nur mit solchen Fahrern, die bei den DDR-Automobilfabriken angestellt waren: etwa in Zwickau oder Eisenach. »Heute würde man das Werksfahrer nennen«, sagt Täger, »oder Profis.« Im Westen wurden die Renntrabis belächelt, und nach der Wende rollten sie ins Museum.
Nennenswerte sportliche Erfolge kann Täger seit 20 Jahren nicht mehr verkünden. Und dennoch spricht das sportliche Angebot für den ADMV. Zwischen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern finden an fast jedem Wochenende ADMV-Rallyes, ADMV-Motocross oder andere ADMV-Rennen statt.
»Wir haben Mitglieder aus Westdeutschland«, erzählt Täger. »Gerade erst ist ein Verein aus Niedersachsen, aus Wedemark, uns beigetreten.« Am Charakter des ADMV als kleinem ostdeutschen Verband ändert das nichts. Anders als in bestimmten olympischen Sportarten stießen die DDR-Motorsportler im Westen meist nur auf mitleidiges Lächeln. Als Motorsportnation galt das Land der Trabifahrer nicht.
Dabei hatte es Ende der achtziger Jahre geheime Pläne gegeben, in Senftenberg im südlichen Brandenburg ein Motodrom zu errichten: Experten hatten sich schon im sozialistischen Nachbarland Ungarn, wo seit 1986 die Formel-1 fuhr, erkundigt, ob man nicht eine solche Rennstrecke auch in der DDR kommerziell hätte finanzieren können.
Wenn es dazu gekommen wäre, hätte die ganze Welt die Motorsportler aus der DDR gekannt.