Die Kooperation zwischen dem Iran und den linken Regierungen Südamerikas

Bolzen mit dem Schmuddelkind

Der Iran kooperiert immer enger mit den linken Regierungen Südamerikas. Dort ist die Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik willkommen, da sie mehr Unabhängigkeit vom Westen verspricht.

Als der bolivianische Staatspräsident Evo Morales seinen Amtskollegen Mahmoud Ahmadinejad Ende Oktober in Teheran besuchte, spielten die beiden eine Partie Hallenfußball. Morales schoss einen Eckball, den Ahmadinejad sogleich zum Tor verwandelte. »Diese Begebenheit ist vielleicht symbolisch dafür, wie der Iran bei seiner Strategie, die internationale Isolierung zu umgehen, die Kontrolle über den Ball übernimmt«, kommentierte der spanischsprachige Service von BBC World. Da mag etwas Wahres dran sein, denn Morales und Ahmadinejad spielten nicht nur zusammen Ball.
Bei dem Treffen in Teheran gewährte Ahmadinejad Bolivien einen Kredit über 250 Millionen US-Dollar. Ebenso wollen Bolivien und der Iran in Zukunft beim Abbau und der Weiterverarbeitung von Lithium kooperieren. Die bolivianische Regierung gibt an, dass sich im bolivianischen Departement Potosí 70 Prozent der Lithiumreserven der Welt befinden. Das Metall wird für Batterien benötigt und wird in Zukunft für den Bau von Elektroautos immer wichtiger werden. Morales hat bereits angekündigt, dass er die Fabrikation der Batterien im eigenen Land ausschließlich mit eigenem staatlichem Kapital unternehmen will. »Wir brauchen Partner ausschließlich für die Technologie«, ließ er auf einer Pressekonferenz wissen.
Ob aber Bolivien tatsächlich über 70 Prozent der Lithiumreserven verfügt, ist umstritten. Ein Analyst des weltweiten Lithiumgeschäfts sagte gegenüber BBC World, dass Bolivien nur über 35 Prozent der Weltreserven verfüge. Auf die Frage, warum die Regierung Boliviens keine unabhängigen Gutachter zulasse, sagte der zuständige bolivianische Regierungsvertreter: »Wir haben Angst vor den Gutachtern, weil sie, wenn es ihnen passt, eine Sache bescheinigen, und wenn nicht, eine andere.« Hintergrund ist, dass die Angaben über die bolivianischen Gasreserven erst kürzlich gesenkt wurden. Die Firma D’Golyer & MacNaugthon gab die Gasreserven Boliviens in einem Report von 2004 noch mit 26,7 Trillionen Kubikfuß an. 2009 bezifferte die Firma Ryder Scott die Reserven nur noch auf 8,6 Trillionen Kubikfuß. Angesichts dieser Unsicherheiten ist es kaum verwunderlich, dass Bolivien Schwierigkeiten hat, internationale Investoren zu finden. Diese Lücke soll nun die Kooperation mit dem Iran ausfüllen.

Im Rahmen des Bündnisses »Bolivarianische Alternative der Amerikas« (Alba), das vor allem von Venezuela und Bolivien ausgeht, steht die Kooperation mit dem Iran seit längerem hoch im Kurs. Bei seinen inzwischen neun Reisen nach Teheran unterzeichnete der venezolanische Präsident Hugo Chávez insgesamt elf konkrete Abkommen und 200 Absichtserklärungen zu zukünftigen Kooperationen. Vor allem im Bausektor, im Ölgeschäft und beim Aufbau einer eigenen Öl­tankerflotte wollen die Länder künftig zusammenarbeiten.
Auch die Kooperation der Alba-Länder mit anderen Verbündeten des Iran wächst. Der syrische Staatspräsident Bashar al-Assad kündigte Ende Oktober an, dass sein Land demnächst dem Alba-Bündnis als Gastmitglied beitreten werde. In allen Ländern Südamerikas leben viele Nachfahren syrisch-libanesischer Einwanderer, von denen einige immer noch wirtschaftliche Beziehungen in den Nahen Osten pflegen. Sie könnten von einem Alba-Beitritt Syriens profitieren.
Doch die Kooperation mit dem Iran und dessen Verbündeten beschränkt sich nicht auf die wirtschaftliche Ebene. Im Iran versprach Morales, künftig militärische Hubschrauber und Flugzeuge im Iran zu kaufen. Iranische Fachkräfte sollen die Wartung übernehmen und US-amerikanische Experten ersetzen. Morales kündigte zudem an, mit Hilfe des Irans ein Atomkraftwerk zur zivilen Nutzung aufzubauen. Auch Venezuela will die Nuklearenergie nutzen. Angesichts der Energiekrise des Landes soll künftig die Kernspaltung die Energieversorgung sichern. Die Technologie dafür soll aber aus Russland kommen. Bei seiner Rundreise unterschrieb Chávez am 15. Oktober ein entsprechendes Abkommen mit seinem rus­sischen Amtskollegen Dmitrij Medwedjew. Da Russland auch die Technologie für das iranische Nuklearprogramm liefert, kann dieses Abkommen auch zu einer technologischen Kooperation zwischen Iran und Venezuela führen, die von beiden Ländern auch angestrebt werden dürfte.

Für den Iran ist das natürlich ausgezeichnet: Durch die Kooperation erhält das Land international breiteren Rückhalt für sein eigenes Nuklearprogramm. Den Gegnern des iranischen Atomprogramms dürfte es daher noch schwerer fallen, Druck auf den Iran auszuüben. Über das Passspiel nach Südamerika durchbricht der Iran tatsächlich seine internationale Isolation. Und für die USA wird es zudem immer schwieriger, die eigenen Interessen in ihrem südamerikanischen »Hinterhof« durchzusetzen.
Dafür sorgt auch, dass Brasilien, die größte Wirtschaftsmacht Südamerikas, gestärkt aus der aktuellen Wirtschaftskrise hervorgegangen ist. Zwar werden Brasilien und die USA wichtige Partner bleiben, doch setzt Brasilien auf eine eigenständige Außenpolitik, die sich häufig bewusst gegen die Interessen der USA stellt. Die wirtschaftliche Stärke soll sich nach Meinung der brasilianischen Regierung auch in einer eigentständigen internationalen Politik ausdrücken. Das hat der brasilianische Staatschef Lula da Silva insbesondere mit seiner Aussage unterstrichen, dass der Iran das Recht auf ein eigenes Nuklearprogramm habe – solange es ausschließlich der zivilen Nutzung diene. Dass Lula das iranische Nu­klearprogramm befürwortet, mag auch daran liegen, dass Brasilien selbst die Nutzung der Atomkraft ausbauen möchte. Und Lulas ehemalige Kabinettschefin Dilma Rousseff, die im Oktober zur neuen Präsidentin gewählt wurde und im Januar Lulas Nachfolge antreten wird, dürfte an dieser Politik wohl nichts fundamental ändern.
Gegen Kritik aus dem Westen, die südamerikanischen Staaten machten gemeinsame Sache mit einem Regime, das die Menschenrechte missachte, verwahren sich die Alba-Länder. Da westliche Staaten etwa eng mit der Regierung Kolumbiens kooperieren, der zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden, fragen sich die Länder der Alba, warum sie von der Kooperation mit dem Iran absehen sollten, die ihnen mehr Unabhängigkeit von den USA verspricht. Boliviens Misstrauen gegenüber west­lichem Kapital und der Außenpolitik der USA etwa ist nicht ganz unbegründet, kaum ein Land hat mehr Nachteile durch ausländisches Kapital erfahren. Dies mag erklären, warum Morales die Kooperation mit dem Iran sucht.

Doch wenn Morales seinem Fußballkumpel Ahmadinejad anerkennend bescheinigt, dass er ein »Wegbereiter im Kampf gegen die USA« sei, und die Alba-Staaten den Iran trotz seiner Drohungen gegen Israel als Partner sehen – sogar für Kooperationen auf dem Gebiet der Nukleartechnologie –, macht sich die Alba als emanzipatorisches Projekt immer unglaubwürdiger. Die Kooperation der linken Regierungen Südamerikas mit dem Iran begrüßen die meisten ihrer Unterstützer als antiimperialistisches Bündnis, doch gibt es immerhin vereinzelt Stimmen, die feststellen, wie wenig die Allianz mit den Islamisten zum sozialistischen Anspruch passt. Auf der Webseite der Unterstützer des boliviarianischen Projektes Aporrea.org schrieb Freddy Yépes: »Wir Sozialisten haben keinen Platz in der neuen Gesellschaftsordnung, die der Iran aufbauen möchte.«