Konflikte in der Partei der französischen Rechtsextremen

Gegen die Tochter des Chefs

In Frankreich gibt es Rechtsextreme, die Marine Le Pen mangelnden Antisemitismus vorwerfen.

Einige Anhänger der extremen Rechten in Frankreich reagieren zunehmend empfindlich, wenn der Name Marine Le Pen fällt. In den vergangenen Wochen steigerte sich ihr Unbehagen und mündete in einer Kampagne gegen die Tochter von Jean-Marie Le Pen, die derzeitige stellvertretende Vorsitzende des Front National (FN). Zu ihren Gegnern gehört der 37jährige Jérôme Bourbon, der im März die Leitung der altfaschistischen Wochenzeitung Rivarol übernommen hat. Die Leserschaft dieser Zeitung rekrutiert sich vor allem aus dem Spektrum der Vichy- und Nazi-Nostalgiker.
Am 11. November trat Bourbon in Paris bei einem Kongress von »Dissidenten« der extremen Rechten auf, die gegen den Aufstieg der »Cheftochter« opponieren. Bei dieser Veranstaltung trafen sich vor allem Anhänger der drei Splitterparteien, die sich in der Vergangenheit vom FN abgespalten hatten: des 1999 gegründeten Mouvement National Républicain (MNR), der im Jahr 2008 entstandene Nouvelle Droite Populaire (NDP, »Neue Rechte der kleinen Leute«) und des im Jahr 2009 gegründeten Parti de la France (PdF). Einige Teilnehmer des Kongresses sprachen sich für eine Strategie des Entrismus aus. In einem Eintritt in den FN sehen sie die Möglichkeit, die Entscheidung über den Parteivorsitz zu Ungunsten von Marine Le Pen zu beeinflussen. Dafür müssten sie deren Herausforderer Bruno Gollnisch, der 2004 wegen Leugnung des Holocaust vom Universitätsdienst ausgeschlossen wurde, unterstützen. Auf den Infotischen und Bücherständen lag die dazu passende Literatur, etwa eine ins Französische übersetzte Broschüre des NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg oder eine Schrift des antisemitischen Frühsozialisten Alphonse Toussenel aus dem Jahr 1845, »Die Juden, Könige unserer Epoche«. Zu den internationalen Gästen dieses Kongresses gehörte auch Markus Wiener von Pro Köln.

Bourbon begeisterte das Publikum, als er ausführte, Marine Le Pen sei 2003 »auf Einladung einer jüdischen Organisation in die USA gereist« – tatsächlich handelte es sich bei dieser Organisation um eine Frauenvereinigung der Republikaner. »Marine Le Pen weiß, wo die Macht sitzt«, sagte Bourbon und redete sich mit hochrotem Kopf in Rage, »auch in ihrem Privatleben. Sie lebt mit dem Juden Louis Aliot in wilder Ehe zusammen!« Der 41jährige war bis vor kurzem Generalsekretär des FN und leitet jetzt den innerparteilichen Wahlkampf für die stellvertretende Parteivorsitzende. Die Zuhörer im Saal brausten auf. »Die jüdischen Medien unterstützen Marine Le Pen«, fügte der Redner hinzu, »weil sie wissen, dass mit ihr dem Nationalismus die Glieder gebrochen wären!«
Die Äußerungen in der Rivarol sind derart ex-trem, dass es sogar Gollnisch, in dessen Wahlkampfstab sich einige Antisemiten finden – wie Yvan Beneditti, der Mitglied beim FN und der faschistischen Splittergruppe Oeuvre française ist –, zu viel geworden ist. Am vorvergangenen Wochenende versammelte Gollnisch in Villepreux bei Versailles rund 700 Anhänger, unter ihnen auch Gastredner von »Bruderparteien«, wie Andreas Mölzer von der FPÖ. Die Zeitung Rivarol aber wurde gebeten, der Veranstaltung fernzubleiben. Diese Aufforderung erfolgte aus taktischen Gründen, die Berater von Gollnisch fürchten, die Zeitung werde ihm politischen Schaden zufügen.

Auf der Veranstaltung in Villepreux sprach Gollnisch sich für die Abschaffung der Loi Gayssot aus, eines Gesetzes, das seit 1990 die Holocaustleugnung unter Strafe stellt. Im Namen der »Jugend für Gollnisch« hielt die junge Hardlinerin Marie-Automne Peyregne aus Nizza eine Laudatio auf den Kandidaten. In ihrer Rede bezog sie sich historisch etwa auf Alexis Carrel, der 1912 den Nobelpreis erhielt und wegen seines Eintretens für die Euthanasie mittlerweile verpönt ist, oder auf die beiden antisemitischen Nationalisten Maurice Barrès und Charles Maurras.
Die Splitterparteien, in denen sich die Kader sammeln, die in den vergangenen Jahren dem FN wegen seiner ideologischen »Aufweichung« unter dem Einfluss Marine Le Pens den Rücken kehrten, setzen auf eine Doppelstrategie. Entweder soll Bruno Gollnisch gewinnen, und ihre Mitglieder könnten zum FN zurückkehren. Oder aber – was wahrscheinlicher ist – Marine Le Pen trägt den Sieg davon, dann werden sie versuchen, einen Block der »Aufrechten« am Rand oder außerhalb der Partei zu gründen.
Robert Spieler, der Vorsitzende der Nouvelle Droite Populaire, definiert die Rechte, die es seiner Auffassung nach »wieder aufzubauen« gilt, als »nationalistisch, europäisch und identitär«. Der Begriff des »Identitären« wurde erstmals von den Aktivisten des außerparlamentarischen rechts­extremen Bloc identitaire verwendet. Mittlerweile beanspruchen mehrere Kräfte der extremen Rechten den Begriff für sich, was bisweilen zu inhaltlichen Verwirrungen führt. Denn die Wege der antisemitischen Rechten und des seit 2002/03 aktiven »Blocks« haben sich in jüngster Zeit getrennt. Vor allem, seit der Bloc identitaire im Herbst 2009 erklärte, er lehne sowohl den Antisemitismus als auch den Antizionismus strikt ab und sei überdies »nicht rechtsradikal, sondern populistisch«. Die Anführer des »Blocks«, dessen Vorläuferorganisation die im Jahr 2002 verbotene antisemitische Unité radicale war, glauben, mit dieser Ausrichtung größeren Erfolg verbuchen zu können.

Der Bloc identitaire hat bereits einen gewissen Erfolg bei seinen Versuchen, neue Bündnisse zu bilden, die sich gegen »die Islamisierung Europas« wenden. Bei einem Kongress zu diesem Thema, der am 18. Dezember in Paris stattfinden soll, gehören der »Block« und zwei ihm nahe stehende Medien, die rechten Internetportale rebelles.info und Novopress, zu den offiziellen Veranstaltern. Unter den Ausrichtern dieses Kongresses findet sich auch die von islamfeindlichen Lehrern und einigen ehemaligen Linken betriebene Internetpublikation Riposte Laïque. Als Starredner dieser Veranstaltung wurden Fabrice Robert, der Vorsitzende des Bloc identitaire und frühere Kommunalparlamentarier des FN in Nizza, und Oskar Freysinger, der eidgenössische Rechtspopulist, der das Schweizer Referendum zum Minarettverbot initiierte, angekündigt. Aber auch ein algerischer Dichter, ein Gewerkschafter und der deutsche pro-israelische Schriftsteller Ralph Giordano finden sich in der Programmankündigung. Offensichtlich sind die Rechtsextremen mit ihrer Islamfeindlichkeit nicht so stark isoliert, wie sie es beim Thema Antisemitismus bleiben.