Wie die US-Notenbank das weltweite Finanzwesen subventioniert

Geld für die Welt

Die Enthüllungen über die Krisenprogramme der US-Notenbank verdeutlichen das gewaltige Ausmaß der staatlichen Subventionierung des weltweiten Finanzwesens. Profitiert haben auch ausländische, nicht zuletzt deutsche Banken.

Es ist wieder genug Geld da, glauben wirtschaftsliberale Ökonomen in den USA. Mitte November forderten 23 amerikanische Monetaristen, die der Republikanischen Partei angehören oder ihr nahestehen, in einem offenen Brief Ben Bernanke, den Präsidenten der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), auf, die Politik der Geldmengenerhöhung zu beenden. Die Unterzeichner, allen voran John B. Taylor, ein ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium der Regierung George W. Bushs, sowie weitere ehemalige oder noch aktive Berater republikanischer Spitzenpolitiker, wandten sich vor allem gegen die nun verwirklichten Pläne Bernankes, nochmals US-Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar aufzukaufen und so den amerikanischen Haushalt zu stabilisieren.
Nachdem die Fed der Regierung bereits im März eine Billion Dollar zur Verfügung gestellt hatte, war dies die zweite große Welle des als quantitative easing bezeichneten Verfahrens, bei dem die Geldmenge trotz eines bis auf Null gesunkenen Zinssatzes der Zentralbank bei der Kreditvergabe nochmals aufgestockt werden soll. Unschwer war in dem Brief die von Milton Friedman in seiner agitatorischen Hauptschrift »Capitalism and Freedom« erhobene Forderung nach einer »vollständigen Rückführung des staatlichen Einflusses« auf die Wirtschaft zu erkennen, wodurch jegliche Subventionierung oder Geldmengenerhöhung ausgeschlossen werden sollte.
Ähnliche Reaktionen hat man hingegen bislang bei einem noch größeren Eingriff in die »Selbstheilungskräfte des Marktes«, von denen die Autoren des offenen Briefes die baldige Be­endigung der Krise erwarten, noch nicht vernehmen können. Dies mag auch daran liegen, dass es sich in diesem Fall um Hilfen der US-Notenbank für die Marktteilnehmer selbst handelte, die nicht nur die großen konservativen Think Tanks unterhalten und somit die protestiererenden Ökonomen finanzieren, sondern auch im Zentrum des Denkens der mikroökomisch ausgerichteten Schüler Friedrich August Hayeks und Friedmans stehen.

Immerhin fand sich ein eigentümliches Duo von Senatoren, um das ganze Ausmaß der Krisenhilfen der Fed für Banken und multinationale Konzerne in den vergangenen Jahren offenzulegen. Denn auf Initiative von Bernard Sanders, einem unabhängigen Senator aus Vermont und erklärten Sozialisten, und Jim DeMint, einem der Tea-Party-Bewegung nahestehenden Republikaner aus South Carolina, musste die Fed in der vergangenen Woche Rechenschaft über die Verwendung des Geldes aus den seit Dezember 2007 existierenden Krisenprogrammen TAF (Term Auction Facility) und PDCF (Primary Dealer Credit Facility) ablegen.
Beide Programme waren als Teil einer konzertierten Aktion der Fed mit der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie den Notenbanken Großbritanniens, Kanadas und der Schweiz aufgelegt worden, um die Engpässe auf dem Interbankenmarkt durch kurzfristige Kredite zu überaus günstigen Zinsen oder im Einzelfall auch zinslosen Darlehen zu kompensieren. Der Vorteil für die Banken sollte vor allem darin bestehen, dass sie so gut wie keine Sicherheiten vorweisen mussten und die Summen durch die von Fed und EZB vereinbarten Währungsswaps, also den Tausch von Kapi­tal­beträgen in Euro und Dollar, herunterrechnen konnten.
Der Rechenschaftsbericht wurde von Sanders euphorisch als »bedeutender Schritt bei der Offenlegung der Verschleierung und Geheimhaltungspolitik seitens der mächtigsten Behörden innerhalb der US-Regierung« angekündigt. Die amerikanische Bevölkerung, sagte Sanders, habe aber das Recht, zu wissen, was die Fed mit »Billionen ihrer Steuern« tue. Tatsächlich sind die vorgelegten Zahlen in vielerlei Hinsicht erstaunlich. Zunächst überrascht das Ausmaß der Zahlungen. Im Rahmen der zehn Darlehensprogramme fanden fast 21 000 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 3,3 Billionen Dollar statt.

Zu den größten Kreditnehmern zählen, und das ist die eigentliche Enthüllung, nicht etwa nur amerikanische Institute, sondern auch ausländische Banken, die die Fed über ihre Tochtergesellschaften in den USA anzapften. Im Wall Street Journal bezeichnete Robert Eisenbeis, leitender Geldmarktökonom der Beraterfirma Cumberland Advisors, das Programm folgerichtig als eine amerikanische Stützung des globalen Bankenwesens: »Es ist klar, dass ausländische Institutionen große Nutzer der Fed-Programme waren, auch als Möglichkeit, US-Dollars zu ihren europäischen Haupthäusern zu schaffen.«
So ist das britische Geldhaus Barclays, das zur Kompensation der Lehman-Pleite mit 48 Milliarden Dollar auch den größten Einzelkredit beanspruchte, mit einem Gesamtvolumen von 232 Milliarden Dollar noch vor der Bank of America mit insgesamt 212 Milliarden größter Kreditnehmer. Auch die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse, die den US-Behörden lange die Zusammenarbeit bei der Meldung von Steuerhinterziehern verweigert hatten, finden sich unter den Top Ten.
Auch deutsche Banken griffen eifrig zu. Im illustren Kreis der zehn größten Kreditnehmer finden sich mit der Dresdner Bank (123 Milliarden Dollar) und der Bayern LB (108 Milliarden Dollar) gleich zwei deutsche Institute. Hinzu kommen noch die West LB mit insgesamt 78 Milliarden, die Deutsche Bank mit 76 Milliarden, die Commerzbank mit 51 Milliarden und die Depfa, deren Fehlspekulationen in Irland die Muttergesellschaft HRE an den Rand des Bankrotts brachten, mit 47 Milliarden Dollar. Insgesamt flossen rund 660 Milliarden US-Dollar nach Deutschland. Insbesondere im Falle der Deutschen Bank, deren Vorstandsvorsitzender Josef Ackermann stets verkündet hatte, sein Institut benötige keine Stützungskredite oder andere staatliche Hilfen, zeigen die Enthüllungen auch die Bigotterie im hiesigen Bankenwesen, dessen Protagonisten stets die Methoden ihrer Konkurrenten in Übersee kritisiert hatten.

Dass neben den Banken aber auch einige Konzerne wie McDonald’s, Harley Davidson oder General Electric von den lockeren Kreditvergaben profitierten, wurde vor diesem Hintergrund kaum noch beachtet. Aber nicht nur die Rolle der Fed als »Weltnotenbank« (Sanders) und die Höhe der zur Verfügung gestellten Summen sind bemerkenswert, sondern auch die Bereitschaft der Fed, die Rolle einer Bad Bank zu übernehmen. Denn neben der Vergabe von Krediten, deren Rückzahlung nach Angaben Bernankes vollständig abgeschlossen ist, dienten die Krisenprogramme auch der Bereinigung der Bilanzen von den »vergifteten« Hypothekenverbriefungen.
Die TAF enthielt neben den Bestimmungen zur kurzfristigen Darlehensvergabe auch Programme zum Aufkauf mehr oder minder »toxischer« Hypothekenpapiere im Gesamtnennwert von 1 250 Milliarden US-Dollar. Dass der wahre Wert weit geringer war, verdeutlicht ein Blick auf die Deutsche Bank. Wie die Businessweek ermittelte, verkaufte der Frankfurter global player Papiere im Nennwert von 410 Milliarden Dollar an die Fed. Deren realer Wert habe aber mindestens um 26 Prozent darunter gelegen. Sanders geht davon aus, dass die amerikanischen Steuerzahler der Hausbank des Standorts Deutschland mindestens 120 Milliarden Dollar geschenkt haben.
Dass Renee Calabro, die verantwortliche Sprecherin der amerikanischen Tochterfirma der Deutschen Bank, ebenso wie ihre Kollegen von anderen betroffenen Geldinstituten jeden Kommentar zu den Enthüllungen verweigerte, überrascht nicht. Zufrieden äußerten sich hingegen die Anbieter von Immobilienfonds. Scott Simon, Manager des größten US-amerikanischen Anlegers, Pimco, lobte das Programm als »Riesenerfolg«, weil es »die Immobilienpreise vor dem absoluten Kollaps« bewahrt habe.
Wie sehr die Fed die internationale Finanzbranche in den zurückliegenden Jahren gestützt hat, verdeutlicht ein Blick auf die Berechnungen, die die Nachrichtenagentur AP unlängst vorgelegt hat. Nimmt man alle Programme zusammen, so sei die Citigroup mit Krediten im Umfang von 2 200 Milliarden, die mittlerweile von der Bank of America übernommene Investmentbank Merrill Lynch mit 2 100 Milliarden, Morgan Stanley mit rund 2 000 Milliarden und die Bank of America selbst mit 1 100 Milliarden US-Dollar gestützt worden. Auch fast alle anderen weltweit tätigen Finanzinstitute hätten hohe, zum Teil dreistellige Milliardenbeträge erhalten. Das Gesamtvolumen habe einen zweistelligen Billionenbetrag erreicht. Vor diesem Hintergrund nehmen sich die von den monetaristischen Wissenschaftlern hochgehaltenen Lehren Milton Friedmans wie ein revolutionäres Programm zur Abschaffung des Kapitalismus aus, allerdings ohne emanzipatorische Perspektive.