Israel Shamirs Agenda

Wenn es nach Israel Shamir ginge, würde Wikileaks in Zukunft wohl ganz andere Dinge enthüllen als das bisschen amerikanisches Diplomatengetuschel, das jetzt mit Cablegate an die Öffentlichkeit gelangte. Doch wer darauf hofft, dass sich der Wikileaks-Partner darum bemühen könnte, nun auch die Geheimnisse russischer Autoritäten ans Licht zu bringen, die im Vergleich mit denen der USA weitaus brisanter sein könnten, wird enttäuscht sein: Shamir dürfte es kaum um Aufklärung über Menschenrechtsverletzungen gehen, sondern vielmehr darum, »wie die Verschwörung der Weisen von Zion zerschlagen werden kann«. So lautet der Titel seines aktuellen Buchprojektes, wie der Guardian-Blog von Andrew Brown berichtet. Es sieht ganz danach aus, als hätte sich Wikileaks mit Israel Shamir einen paranoiden Antisemiten als Kooperationspartner ausgesucht.
Unstrittig ist, dass der angeblich vom Judentum zum Christentum konvertierte russisch-israelische Autor, der seinen Hauptwohnsitz in Schweden hat, Antisemit und Holocaustleugner ist. Strittig dagegen ist, welche Funktion Shamir bei Wikileaks innehat. Sicher ist, dass Shamir Wikileaks unterstützte, in dem er die Verschwörungstheorie verbreitete, die Frauen, die Julian Assange des sexuellen Mißbrauchs beschuldigen, hätten im Auftrag der CIA gehandelt. Brown und anderen Quellen zufolge soll Shamir auch Sprecher von Wikileaks Russland sein. Dabei soll er mit seinem Sohn Johannes Wahlström zusammenarbeiten, der gleichfalls beschuldigt wird, antisemitische Propaganda zu verbreiten, und der offenbar die Wiki­leaks-Cablegate-Dokumente an schwedische Medien weitergab. Shamir soll die Dokumente an russische Medien weitergeleitet haben. Auf seiner Homepage vermeldet Shamir allerdings, er sei nur ein freier Journalist, der für Wikileaks akkreditiert sei.
Ominöser noch als seine Verbindungen zu Wikileaks sind seine Verbindungen zu Weißrusslands Regierungschef Alexander Lukaschenko. Nach einer Recherche des Blogs Harry’s Place soll Shamir diesen während der Wahlen getroffen haben, wo er als »internationaler Wahlbeobachter« unterwegs war. Dass Lukaschenko Oppositionelle niederknüppeln lässt, die gegen die manipulierten Wahlen demonstrierten, hat Shamir offenbar nicht gestört – vielmehr behauptete er, die Demonstranten seien von den USA bezahlt. Dies, so Shamir, sage er jedoch nicht im Namen von Wikileaks. Denn Wiki­leaks habe »keine politische Agenda«.