Die Proteste für Demokratie im Libanon

Gegen den Mann der Hizbollah

Im Libanon demonstrierten vergangene Woche mehrere Tausend Menschen gegen den neuen Ministerpräsidenten. Er ist zwar kein Islamist, die Hizbollah hat mit seiner Wahl aber erneut ihre Macht demonstriert.

Die libanesischen Demonstranten protestierten gegen den neuen Ministerpräsidenten. Najib Mikati wurde von der schiitischen Hizbollah und ihren Verbündeten mit 68 von 120 Stimmen im Parlament gewählt. Das war ein demokratischer Vorgang. Und auch eine Erlösung. Nachdem die schiitischen Minister Mitte Januar das Kabinett verlassen hatten, war die Regierung gelähmt.
Dennoch sprechen die Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri von einem »Stoß ins Herz der libanesischen Demokratie«. Nicht ganz zu Unrecht. Der Libanon hat eine Konsensdemokratie. Die Urheber der Verfassung wollten, dass Vertreter aller relevanten Konfessionen an der Regierung beteiligt sind. Der Ministerpräsident muss Sunnit sein, der Präsident Christ, der Parlamentspräsident Schiit. So wurde eine Demokratie geschaffen, die in harmonischen Zeiten alle zufriedenstellt, in Krisen jedoch die Regierung lähmt – ähnlich wie in Bosnien und im Irak.
Die Krise war diesmal das absehbare Ergebnis der Ermittlungen des UN-Sondertribunals zur Aufklärung des Mordes an Rafik Hariri. Alle erwarten, dass das Tribunal Anklage gegen Mitglieder der Hizbollah erheben wird. Diese forderte, dem Tribunal das Geld zu entziehen und die Sache an ein libanesisches Gericht zu übergeben. Der bisherige Ministerpräsident und Sohn des Ermordeten, Saad Hariri, entsprach dem nicht – trotz Drucks auch aus Syrien. Zugleich machte er der Hizbollah und Syrien jedes andere erdenkliche Zugeständnis.
Hariri befand sich in einer Zwangslage: Er musste den Burgfrieden wahren und gleichzeitig seinem Vater Respekt zollen. Es ist erstaunlich, dass er nicht schon vor Monaten zurückgetreten ist.
Der Sunnit Mikati, der schon 2005 nach dem Mord an Hariri für drei Monate eine Übergangsregierung führte, war eine Kompromisslösung. Er ist ein Freund Syriens und ein frommer Moslem, zugleich aber ein Geschäftsmann, der keine islamistische Herrschaft installieren möchte. Bei der letzten Premierministerwahl stimmte er für Hariri. Mikati will die Zahlungen an das Tribunal einstellen. Die UN wird dennoch ihre Ergebnisse verkünden.
Dass Mikatis Wahl die Anhänger Hariris in Panik versetzt, liegt daran, dass die Hizbollah damit erneut ihre Macht demonstriert. War die Partei nach Abzug der Israelis aus dem Südlibanon ­relativ zahm geworden, radikalisierte sie sich seit dem Krieg gegen Israel 2006 wieder deutlich. Den ausgehandelten Waffenstillstand münzte sie in einen Sieg um – einen Sieg Gottes, auf Arabisch »Nasr Allah«, wie der Nachname des Generalsekretärs der Hizbollah.
Im April 2008 marschierten Hizbollah-Milizen im sunnitischen, traditionell liberalen Westbeirut ein. Der Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad sowie Ankündigungen, man werde jedem die Hand abhacken, der es wagen sollte, ein Hizbollah-Mitglied zu verhaften, nähren die Furcht, die Partei werde eine Herrschaft nach dem iranischen Modell errichten – ob auf demokratischem Wege oder mit Gewalt.