Der Standesdünkel der Linken

Hier spricht die Elite

Um einen dünkelhaften Freiherrn aus dem Amt des Verteidigungsministers zu werfen, fällt Linken nichts anderes ein, als ihren Standesdünkel hervorzukehren.

Germania est omnis divisa in partes duae. Doch die zwei Teile, in die das Land gespalten ist, sind in diesem Fall nicht etwa Arm und Reich oder West- und Ostdeutschland, sondern Elite und Pöbel. Denn Akademiker – und seien sie noch so prekarisiert – wollen ihren gehobenen Status gegen die Nicht-Akademiker und den »Mogelpeter vor dem Herrn« (Arnulf Baring) verteidigt wissen. Nicht nur in der FAZ und der Welt zeigten sich Doktoren und Professorinnen empört. Auch auf Seiten der Linken erhielt die Institution der Akademie jene ungeteilte Zustimmung, die ihr bislang eher versagt geblieben war. So hob etwa Klaus Hillenkamp in der Taz hervor: »Hier spricht nicht der Verband der Automatenhersteller, sondern die Elite, auf die gerade Union und FDP in ihren Sonntagsreden immer so viel Wert gelegt haben.« Merke: Es sind die Sonntagsreden, die CDU und Liberale in Verruf bringen, die Elite aber gibt es tatsächlich. Sie ist die einzig wahre.

Dasselbe Bild zeigt sich in dem »Offenen Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin«, den fast 65 000 Menschen unterschrieben haben. »Dies ist eine Verhöhnung aller wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie aller Doktorandinnen und Doktoranden, die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen. Sie legt darüber hinaus nahe, dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele und dass das ›akademische Ehrenwort‹ im wirklichen Leben belanglos sei.« Es folgt die Forderung, den »Wissenschaftsstandort Deutschland« zu schützen.
Der Freiherr hätte nicht im Amt bleiben sollen. Er muss gemessen werden an den Werten, die er selbst zu verteidigen vorgibt, ein Rücktritt war also unvermeidbar. Scherte die Union ihre Glaubwürdigkeit, hätte sie den Überführten schon vorher zum Rücktritt drängen müssen. Doch wie wir wissen, sind diesen Parteien die bürgerlichen Werte ebenso schnuppe wie der Linken – umso mehr überrascht es, dass eher linke Parteien nun gerade auf die Beachtung jener Regeln pochen. Und dabei geht es um mehr als einen verhassten Minister. Es geht um Standesdünkel.

Welche Doktorarbeiten und welche Noten sind denn schon »ehrlich« erworben? Jahr um Jahr werden Fälle von Titelbetrug aufgedeckt, Professoren erweisen sich als käuflich, sexuelle Dienste werden mehr oder weniger offen für gute Abschlüsse verlangt, ein gefälliges Äußeres, Strebsamkeit, die Nationalität und die Spenden der Eltern sorgen schon in der Schule für gute Noten. Genauso werden der kleine Napoleon und die kleine Pippi, wenn die Eltern vermögend sind, weitaus eher als »hochbegabt« eingestuft als die Kinder jener Versehrten, die in der »Supernanny« vorgeführt werden. Das Bildungssystem wird seit Jahrzehnten unter egal welcher Regierung zu einem Elitenförderungssystem umgebaut. Interessanterweise sind die Angehörigen jener Elite dann die, die wiederum in den lobbyistischen Gruppen das Sagen haben. Insofern, lieber Klaus Hillenkamp, hat sich auch der »Verband der Automatenhersteller« im Appell der »Doktoranden« zu Wort gemeldet.
Auch Freundinnen und Freunde von mir haben unterzeichnet, einer von ihnen hat nicht einmal Abitur. Diese nun helfen mit ihrem Beharren auf »die ehrliche Art und Weise«, ein System zu stützen, in dem der akademische Titel kulturelles Kapital mit sich bringt, nicht aber »wissenschaftlichen Fortschritt«. Den bezahlen in den meisten Studiengängen ohnehin die geschmähten Verbände – so dass dieser Forschritt nur bedingt ein Fortschritt im Sinne der Aufklärung ist. Gegen dieses Bildungssystem gilt es anzukämpfen. Mit einer bigotten Aufregung um den Plagiator betreibt man das Gegenteil. Indem man die »Hochstapler« (Sigmar Gabriel) anprangert, fordert man zugleich Exzellenzinitiativen und Elitendenken. Und man wird dabei ernstgenommen, ob man will oder nicht.