Wolle mer ihn reinlasse?

Friedrich? Nie gehört. So reagierten wohl die meisten Deutschen auf die Ernennung des neuen Innenministers. Also musste Hans-Peter Friedrich (CSU) sich erst einmal ins Gespräch bringen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Minister erzählte er, dass zwar die in der Bundesrepublik lebenden Menschen islamischen Glaubens zu Deutschland gehören. »Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.« Dass die Demokratie zu Deutschland gehört, ist auch eine Tatsache, die sich aus der Historie nirgends belegen lässt. Das mag ein Grund dafür sein, dass ein deutscher Innenminister sich berufen fühlt, gleich bei seiner Antrittsrede, noch bevor jemand Zeit hatte, seine Doktorarbeit (»Die Testamentsvollstreckung an Kommanditanteilen«) zu prüfen, eine ideologische Staatsdoktrin oder auch Leitkultur zu definieren.
Die Islamdebatte könnte eine sehr spannende Angelegenheit sein. Derzeit demonstrieren in Kairo Imame für die Unabhängigkeit von staatlichen Anweisungen, in Tunesien fordern säkulare Protestierende den Abschied von der islamischen Leitkultur. Wenn die Demokratiebewegung siegt, könnten sich Theologen und Historiker erstmals seit dem Frühmittelalter von der staatlichen Vormundschaft lösen, das wäre der Bedeutung der Französischen Revolution für die europäische Religionskritik vergleichbar. Man sollte annehmen, dass die Islamkritiker sich für diese Entwicklung interessieren, die sich ja auch auf die in Europa lebenden Muslime auswirken wird. Nein, wenn man sich mit dem Werk der Publizisten befasst hat, die in Deutschland als Islamkritiker gelten, nimmt man das eigentlich nicht an. Sie müssen nicht befürchten, des Plagiats überführt zu werden, da sie auf die Verwendung wissenschaftlicher Quellen konsequent verzichten. Gestritten wird derzeit über die Kritik der Islamkritik, der sich Patrick Bahners in seinem Buch »Die Panikmacher« gewidmet hat. Damit habe er den »Jihad im Feuilleton« eröffnet, meint Matthias Matussek, auch Henryk M. Broder findet das Buch nicht hilfreich. Bahners propagiert einen multikonfessionellen Konservatismus, auch er will also feststellen, wer und was zu Deutschland gehört, das er als »One Nation under God« versteht. Die Islamdebatte, bei der es vornehmlich um die Befindlichkeit der Deutschen geht, ähnelt daher den Büttenreden in der Karnevalszeit. Der Herr Islam steht vor der Tür. Wolle mer ihn reinlasse? Och nöö, sagen die einen, ist schon so voll hier drin. Ätsch, er ist schon drinnen, sagen die anderen. Eigentlich sollte er nur den Müll rausbringen, aber er ist einfach dageblieben. Wer allerdings, ob Muslim oder nicht, die Staatsbürgerschaft oder einen gesicherten Aufenthaltsstatus hat, kann getrost darauf verzichten, zum Deutschland der Friedrichs und Bahners gehören zu wollen.