Sich lausen lassen ist privat

Wenn man bei etwas wirklich Peinlichem erwischt wird, sollte man eigentlich alles dafür tun, dass die Angelegenheit schnell in Vergessenheit gerät. Doch Max Mosley scheint da anderer Ansicht zu sein. Der ehemalige Präsident der Fédération Internationale de l’Automobile, die unter anderem Autorennen wie die Formel 1 ausschreibt, klagte im Jahr 2008 erfolgreich gegen die Zeitung News of the World, die illegal erworbene Sexfotos und –videos veröffentlicht hatte, in denen er eine unrühmliche Rolle spielte. Mosley hätte sich mit diesem Erfolg zufrieden geben können, doch er fordert, dass die Medien in Zukunft vor der Veröffentlichung einer Enthüllungsgeschichte den Betroffenen informieren müssen, damit er eine einstweilige Verfügung beantragen kann. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am Dienstag, dass dies eine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit wäre. Und alle erinnern sich nun an den Anlass der ersten Klage. Dass ein alternder Manager des Boxenluder-Gewerbes Sex mit Prostituierten hatte, wäre wohl nicht einmal mit einer Kurzmeldung gewürdigt worden. Doch Mosley offenbarte einen eigenwilligen Geschmack, seine SM-Party wurde von britischen Medien als »Nazi Orgy« bezeichnet. Er erläuterte der Bild-Zeitung, dass die Kombination von deutschen Uniformen und Häftlingskleidung keinesfalls »etwas mit Nationalsozialismus zu tun« habe: »Es gibt einen Unterschied zwischen ›Entlausung‹ und der ›Suche nach Läusen‹ mit einem Kamm.« Und überhaupt: »Erst im zweiten Teil, wo ich statt des Opfers der ›schlimme Mann‹ war, da wurde Deutsch gesprochen.« Wer vorher geglaubt hatte, das berüchtigte Revolverblatt News of the World hätte Mosley Unrecht getan, wusste es nun besser. Mosley behauptete, mit seiner Arbeit hätte das alles nichts zu tun. Doch es gab in der Formel 1 so viele verdächtige Vorfälle mit Nazi-Symbolik, dass selbst die Bild-Zeitung fragte, ob diese »ein Sammelbecken von Leuten mit etwas seltsamen politischen Ansichten« sei. An Mosleys »Suche nach Läusen« bestand also ein gewisses öffentliches Interesse.
Das ist bei Enthüllungsgeschichten nicht immer der Fall. Für ihr »Recht auf Privatsphäre« klagen jedoch vornehmlich Menschen, die alles andere als medienscheu sind, aber die Berichterstattung über ihre Person kontrollieren möchten, und Unternehmen, die dubiose Geschäfte verbergen wollen. Die britische Rechtsprechung kommt ihren Bedürfnissen entgegen. Journalisten und Blogger werden häufig mit ruinösen Schadenersatzforderungen konfrontiert, und neben der injunction, der einstweiligen Verfügung, gibt es auch die super-injunction, die es verbietet, über die einstweilige Verfügung zu berichten. Doch zum Glück sind Männer wie Mosley eitel und starrsinnig genug, die Öffentlichkeit daran zu erinnern, dass das Private politisch ist.