Gay Girl vermisst

Amina Arraf kannte man bis Anfang dieser Woche nicht unter ihrem echten Namen. Als Amina Abdallah wurde die 34jährige syrisch-amerikanische Bloggerin aus Damaskus in den vergangenen Monaten für ihre Berichte und Analysen über den Aufstand, die Demokratiebewegung und die Repression in Syrien international bekannt.
Seit Montag kann man auf ihrem Blog »A Gay Girl in Damaskus« keine neuen Beiträge mehr lesen über die politischen Entwicklungen und über Arrafs Leben als lesbische Frau in Syrien. Am 7. Juni gab eine Cousine der Bloggerin bekannt, Arraf sei in Damaskus entführt worden. Rania O. Ismail berichtet, Arraf sei am Sonntagabend in Begleitung eines Freundes auf dem Weg zu einer Verabredung mit dem Vertreter einer Aktivistengruppe gewesen: »Amina wurde von drei Männern im Alter von Anfang 20 entführt. Dem Augenzeugen zufolge (der anonym bleiben möchte) waren die drei Männer bewaffnet.« Die junge Frau habe sich gegen ihre Entführer gewehrt, sie sei dann in ein rotes Auto gezerrt worden, auf dessen Fenster ein Sticker von Basil al-Assad, dem verstorbenen Bruder des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, deutlich zu sehen gewesen sei. Bei Redaktionsschluss am Dienstag fehlte von der Bloggerin noch jede Spur.
Arraf hatte mit einer Entführung oder einer Verhaftung durch die Geheimdienste des syrischen Regimes gerechnet, möglicherweise auch mit ihrer Ermordung. Bereits Ende April hatte sie beschrieben, wie der Geheimdienst zum ersten Mal vor ihrer Haustür stand und sie verhaften wollte. »Komplott«, »Verrat« und »Perversion« lauteten die Vorwürfe gegen sie. Damals gelang es Arrafs Vater noch, die Männer abzuwimmeln. Wie ein Held habe er sich verhalten, schrieb Arraf wenig später. »Sie sind gekommen, um meine Tochter zu verhaften«, habe er den Agenten gesagt, »weil sie zu denjenigen gehört, die sagen, dass die Aleviten, die Sunniten, die Araber, die Kurden, die Drusen und die Christen alle gleich sein werden im neuen Syrien.« Eine Woche später bekam die Familie erneut Besuch vom Geheimdienst. Arraf war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause, aber sie begriff, wie gefährlich das Leben in Syrien für sie geworden war. Sie tauchte unter und versuchte, weiterhin zu bloggen. »Ich habe keine Lust, als Märtyrerin zu sterben, auch nicht für meine eigene Sache. Ich werde also alles Mögliche tun, um frei zu bleiben«, hatte sie noch kurz vor ihrer Entführung geschrieben.