Preiset die Huxelrebe

Die Huxelrebe zählt nicht zu den bedeutendsten Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit, doch kann man Georg Scheu, der in geduldiger Arbeit diese und weitere Rebsorten züchtete, Verdienste um den Weinanbau gewiss nicht absprechen. Es ist daher verständlich, dass die Stadt Alzey, in der er lebte, ihren Weinkulturpreis Georg-Scheu-Plakette nannte. Weniger klar ist, warum Rainer Brüderle diesen Preis erhielt. Der FDP-Politiker ist als trinkfreudig bekannt und galt wohl als Werbeträger, dem unbefangenen Beobachter hingegen scheint er eher als abschreckendes Beispiel für eine Abstinenzkampagne geeignet zu sein. Anders als einen Doktortitel darf man einen Preis behalten, was auch immer bekannt wird, nachdem man ihn bekommen hat. Insbesondere für FDP-Politiker dürfte das von Bedeutung sein. Doch auch in seriöseren Milieus erfreuen sich Auszeichnungen großer Beliebtheit. Alice Schwarzer beispielweise wurde im Jahr 2004 zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt, für diese Ehre verzichtete sie sogar auf das -in.
Es werden zwar ständig neue Preise erfunden, noch schneller scheint allerdings die Zahl der Menschen zu steigen, die einen Preis haben wollen oder, wie der Fifa-Präsident Sepp Blatter, der nicht nur Ritter der französischen Ehrenlegion, sondern auch des Sultanats Pahang ist, Auszeichnungen sammeln. Man muss also eine Auswahl treffen, und dabei kann auch mal etwas schiefgehen. So musste das Netzwerk Quadriga von dem Plan Abstand nehmen, seinen Preis Wladimir Putin zu verleihen. Der russische Premierminister sollte »für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen« ausgezeichnet werden. Sofort meldeten sich Nörgler zu Wort, obwohl die Quadriga »immer unter einem Jahresthema« steht. Diesmal war es »Leadership« und nicht etwa lupenreine Demokratie. Von Leadership versteht Putin nun wirklich etwas. Doch als der ehemalige tschechoslowakische Bürgerrechtler Václav Havel drohte, seine Quadriga zurückzugeben, sagte man die Preisverleihung ab. Das Kuratorium hatte es versäumt, auf die Verträglichkeit der Preisträger zu achten. Dabei hätte man von Muammar al-Gaddafi lernen können. Dessen Menschenrechtspreis erhielten Hugo Chávez und Fidel Castro. Gaddafi wäre nicht so unsensibel gewesen, den Preis auch George W. Bush anzubieten, denn entweder hätte dieser ihn abgelehnt oder Castro und Chávez hätten ihren zurückgegeben. Ist also gar nicht so schwer, möchte man meinen. Doch von einem Kuratorium, in dem zwar nicht Brüderle, wohl aber der CSU-Politiker Peter Ramsauer (»Wenn irgendwo ein Trafo durchbrennt, muss man nicht gleich die ganze Atomkraft in Frage stellen«) sitzt, kann man staatsmännischen Weitblick wohl nicht erwarten. »Der Premier gilt als nachtragend«, mahnt nun Spiegel Online. Womöglich erhöht Putin zur Strafe den Gaspreis.