Frei hinterm Vorhang

Berlin Beatet Bestes. Folge 106. Ianci Körössy: Get Happy (1961).

Die billgsten Platten sind immer die schönsten. Diese Zehn-Inch-Platte von Ianci Körössy hat zwei kleine Kratzer und deshalb im Antiquariat nur zwei Euro gekostet. Der Name war mir zwar bekannt, diese Schallplatte hatte ich allerdings bis vor zwei Wochen noch nie gesehen. Körössy gilt zwar als wichtigster rumänischer Jazzmusiker, Informationen über ihn finden sich im Internet aber leider nur wenige. Eine kurze Biographie habe ich den Linernotes dieser seit 50 Jahren nicht wieder veröffenlichten Platte entnommen.
Seine frühen Aufnahmen, zu denen auch diese Platte zählt, werden auf Ebay für mehr als 100 Euro gehandelt. Das liegt vor allem an der Qualität der Musik – solch frei improvisierter Jazz wurde damals im Ostblock nur selten gespielt, geschweige denn aufgenommen. Zwar interpretieren Milan Pilar am Bass, Karel Turnoský am Schlagzeug und Ianci Körössy am Piano ausschließlich Jazz-Standards wie »Honeysuckle Rose« und »Body and Soul«, die Stücke auf dieser Platte klingen allerdings nie nach »Prag« oder »Eisernem Vorhang«. Auf hohem technischen Niveau improvisiert die Gruppe eher so cool, dynamisch und nuanciert wie Dave Brubeck.
Ianci Körössy wurde 1926 in Siebenbürgen als Sohn eines Musiklehrers geboren und lernte schon als Vierjähriger, Geige zu spielen. Später verlegte er sich aufs Klavierspielen. Er gehörte der ungarischen Minderheit in Rumänien an und spielte bereits mit zwölf Jahren als Berufsmusiker ungarische und rumänische Voksmusik. 1946 zog er nach Bukarest und wurde dort von Theodor Komas, dem Leiter des führenden rumänischen Tanzorchesters »Electrecord-Ensemble«, entdeckt. Mit dem Orchester trat der junge Pianist auf Tanzveranstaltungen in verschiedenen Bukarester Cafés auf und machte auch erste Schallplattenaufnahmen für den rumänischen Rundfunk. Zwei Auslandstourneen mit dem Ensemble nach Moskau und in die Tschechoslowakei folgten. Zwar spielte Körössy auch weiterhin im Orchester, wandte sich aber mehr und mehr dem Komponieren und der modernen Jazzmusik zu. In Rumänien fand er damit allerdings kein Gehör. Die Aufnahmen wurden in Prag für das staatliche Label Supraphon und in Budapest für das staatliche Label Qualiton produziert.
Zwei Songs dieser Platte, auf denen Körössy von dem Gitarristen Miroslav Kefurt begleitet wird, sind hervorzuheben. Kefurt hat einige der schönsten frühen tschechischen Rock’n’Roll-Platten aufgenommen. In Körössys ultraschnellen Versionen von »Get Happy« und »Perdido« steuert Kefurt improvisierte, aber dennoch swingende Soli bei, die die Songs enorm vorantreiben. So frei hat Miroslav Kefurt nie wieder geklungen. In den späten sechziger Jahren emi­grierte er in die USA und schlug sich als Gitarrenlehrer durch. Sein Leben endete in einer Katastrophe: 1978 wurde er, nachdem er seine Frau ermordet hatte, in Notwehr von seinem Sohn erstochen. Ianci Körössy wurde 2006 postum vom rumänischen Präsidenten für sein Lebenswerk geehrt.