Ein kritischer Blick auf Bud Spencer und seine Autobiographie

Vorsicht vor dem Haudrauf

Rechtzeitig zum Erscheinen seiner Autobiographie ist Bud Spencer zur Trash-Ikone geworden. Warum dieser Hype eher Schrecken als Belustigung auslösen sollte

Verkehrspolitik in Baden-Württemberg ist immer eine Nachricht wert. Die neueste kommt nicht aus Stuttgart, sondern aus Schwäbisch Gmünd. Dort sollten die Bürger, getreu den basisdemokratischen Lehren, welche die Landespolitiker aus der Diskussion um »Stuttgart 21« gezogen haben, in die Suche nach dem Namen für einen Tunnel, der an der Bundesstraße 29 entstehen soll, »eingebunden« werden. Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) hatte nichts dagegen, mittels einer Internet-Umfrage ein Meinungsbild der Bevölkerung zu erstellen. Genau das ist ihm zum Verhängnis geworden. Eine über Facebook organisierte Spaßguerilla hat dazu aufgerufen, den Namensvorschlag »Bud-Spencer-Tunnel« zu unterstützen. Innerhalb weniger Tage konnte sie rund 45 000 Anhänger gewinnen. Selbst wenn jedes Kind von Schwäbisch Gmünd ein Votum hätte, wäre die einheimische Bevölkerung kaum imstande, sich gegen diese Konkurrenz zu behaupten.
Da über die Namensvergabe in letzter Instanz ohnehin das Bundesverkehrsministerium entscheidet, dürfte die Nonsense-Idee eine Phantasie bleiben. Dass ihre Schöpfer bei der Suche nach einem möglichst absurden Vorschlag ausgerechnet auf den Künstlernamen von Carlo Pedersoli verfielen, der dem deutschen Publikum vor allem als sich gemeinsam mit Terence Hill durch Dutzende schlechter Filme furzender und rülpsender Fettsack bekannt ist, dürfte trotzdem kein Zufall sein. Bud Spencer, der »ewige Dampfhammer« (Spiegel), als Filmfigur unter den Namen »Buddy« oder »Plattfuß« bekannt, ist seit einiger Zeit groß im Kommen. T-Shirts, auf denen sein Konterfei im Stil der Che-Guevara-Plakate abgebildet ist, finden reißenden Absatz, freie kommunale Kinos veranstalten anarcho-dadaistische Bud-Spencer-Filmreihen, und eine Gruppe um die Medienkünstler Karl-Martin Pold und Sarah Ulrike Nörenberg plant unter dem Titel »Sie nannten ihn Spencer« einen Dokumentarfilm über Pedersoli, an dem jeder Interessierte sich beteiligen kann (www.budspencermovie.com). Auf ihrer Website gibt es einen »Shop«, in dem man Bud-Spencer-Shirts (»Bud mit Zigarre«, »Bud mit Knarre«) in den Varianten »Unisex« und »für Girlies« erwerben kann. Die gerade auf Deutsch erschienene Autobiographie Pedersolis entwickelt sich zu einem Kultbuch, das der 81jährige auf Lesereisen in den Hauptstädten Europas vorstellt.
Was macht den Reiz eines Mannes aus, der nicht nur als Filmfigur, sondern auch im wirklichen Leben eine Mischung aus Underdog und Ein-Mann-Unternehmer gewesen ist? Als Sohn eines Industriellen in Neapel geboren, zog Pedersoli in den vierziger Jahren mit seiner Familie nach Südamerika, arbeitete als Fließbandarbeiter in Rio, als Bibliothekar in Buenos Aires und als Sekretär der italienischen Botschaft in Uruguay, studierte nach seiner Rückkehr nach Italien Jura, wurde italienischer Meister im Brustschwimmen, gewann sieben Mal die italienischen Meisterschaften im 100-Meter-Freistil, begann eine Karriere als Schauspieler, war als Nachtclubsänger und Musikproduzent tätig. In den frühen siebziger Jahren begründete er mit Terence Hill, der eigentlich Mario Girotti heißt, mit derben Nonsense-Western wie »Vier Fäuste für ein Halleluja« das Genre der »Hau-Drauf-­Komödie«, das sich vor allem beim deutschen Publikum größter Beliebtheit erfreute. Deutscher Abstammung ist auch Girotti, der in den späten Jahren der NS-Zeit in der Nähe von Dresden aufwuchs, wo sein Vater als Chemiker für Schering arbeitete. Nach Kriegsende zog die Familie wieder nach Italien, die Stätten seiner Kindheit hat Girotti erst 1995 wiedergesehen, als er dem wiedervereinigten Deutschland seine Aufwartung machte. Auch Girotti war seit seiner Jugend ein begeisterter Schwimmer, dieses Hobby hat ihn zum Film und mit Pedersoli zusammengeführt.
Nicht nur die in der Spätpubertät steckengebliebene Männerfreundschaft hat Bud Spencer und Terence Hill vereint. Zu ihrer Wahlverwandtschaft trug wohl auch ihre politische Anschauung bei, die sich bei Girotti in der Sympathie für das Deutschland seiner Eltern, bei Pedersoli in seiner Bewunderung des alten Italien äußert. Pedersoli engagiert sich seit Jahren für Silvio Ber­lusconis Forza Italia, 2005 kandidierte er für die Partei bei den Regionalwahlen im italienischen Lazio. Auch seine Autobiographie ist voller Emphase für seine »Heimat«, er räsoniert über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von »Neapolitanern« und »Römern«, preist die Großen von Cäsar bis Cicero, aber auch das »einfache Volk«: »Hut ab vor der schweigenden Masse, die es immer von Neuem geschafft hat, wieder auf die Beine zu kommen, oft jenen zum Trotz, die sie regierten. Ich glaube seit jeher unerschütterlich an den italienischen Durchschnittsbürger, ungeachtet aller Streitereien zwischen Norden und Süden, die mir (…) wegen meiner Familie, deren Blut sich aus brescianischem und neapolitanischem zusammenmischt, sowieso immer bedeutungslos vorkamen.«
In den Kategorien von Volk und Blutsgemeinschaft interpretiert Pedersoli auch sein Privatleben, wenn er über seine »zerbrechliche« Ehefrau Maria schreibt: »Mehr als einmal fragte ich mich, warum sie sich in mich verliebt hatte. Vielleicht hatte mein vom Sport wohlgeformter Körper den Instinkt in ihr geweckt, dass wir zusammen gesunde Kinder bekommen könnten.« Unterschiedliche Regionaltemperamente, Muskeln und Intellekt, Energie und Zerbrechlichkeit, wenn das alles sich qua Blutaustausch nur richtig »mischt«, kommt »Gesundheit« heraus. Dieser bodenständigen Bevölkerungspolitik folgt auch Pedersolis Sicht auf die Hochkultur, die er stolz verehrt, ohne sie zu kennen. Jedem seiner Buchkapitel stellt er ein berühmtes Zitat voran, dass er schelmisch mit einem eigenen konterkariert, so wird die lateinische Redewendung »Cave canem« (»Nimm dich in Acht vor dem Hund«) mit »Ave canem, cave Caesar« (»Sei gegrüßt Hund, nimm dich in Acht vor Cäsar«) beantwortet. Das soll bedeuten: Obwohl ich nicht gebildet bin und mir eher die Zote und der Trinkspruch liegen, achte ich die Tradition, der ich entsprossen bin. Wenn ich prügele, prügele ich für Rom, wenn ich rülpse, rülpse ich für die Nation. Diese Mischung aus Kulturverbundenheit und Kulturlosigkeit dürfte ein Grund für seine Popularität in Deutschland sein.
Wenn Pedersoli heute ausgerechnet von anarchistischen Zirkeln wiederentdeckt wird, liegt das aber wohl an einem anderen Zug seines Charakters – an dem virilen Infantilismus nämlich, der alle seine Filme auszeichnet. Die Freundschaft zwischen Bud und Terence wird inszeniert als Kameradschaft zweier debiler Männer, die sich als ganze Kerle fühlen, weil sie immer Babys geblieben sind. Es gibt in ihnen keine Sexualität und keinen Geist, Frauen kommen allenfalls als Nannys in den Blick, Körperlichkeit nur in Form von Verdauungsgeräuschen. Wie für refraktäre Knaben ist für die beiden das ganze Leben eine lustige Keilerei. Wenn irgendetwas an Carlo Pedersolis Biographie und Werk interessant ist, dann diese Affinität zwischen italienischem Volksstolz und deutschem Primanerhumor, die ihn tatsächlich sogar zum Ahnherren eines schwäbischen Tunnels prädestinieren könnte. Aber davon reden seine gegenwärtigen Verehrer ebenso wenig wie er selbst. Stattdessen hat er bereits angekündigt, dass er gern nach Schwäbisch Gmünd zur Einweihung käme.

Bud Spencer: Mein Leben – meine Filme. Die Autobiographie. Mit Lorenzo de Luca und David de Filippi. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2011. 224 Seiten, 19,95 Euro