Über ein ehemaliges Hospital der Partisanen

Rettung in der Schlucht

Im abgelegenen Pasica-Tal errichteten Partisanen im Dezember 1943 das geheime Hospital Franja. Hier konnten Schwerverletzte operiert werden, doch ständig drohte Gefahr von deutschen Truppen und Kollaborateuren.

Im ungewöhnlich warmen diesjährigen Spätsommer wirkt die Schlucht idyllisch. Der Bach Pasica plätschert sanft, die Sonne scheint durch das Laubdach. Dass es sich nicht um einen normalen Wanderweg handelt, bemerkt man, wenn man nach oben schaut. In einer Höhe von etwa 40 Metern über der Talsohle ist eine der ehemaligen Maschinengewehrstellungen zu sehen, die das Partisanenhospital Franja schützten. Panzer konnte die Wehrmacht in diesem unwegsamen Gelände nicht einsetzen, erstürmen ließ sich die Stellung, deren Lage am Steilhang sogar vor Luftangriffen schützte, kaum, und Munition hatten die Partisanen in ausreichender Menge. Deutsche Soldaten, die dem von links kommenden Feuer hätten ausweichen wollen, wären nach rechts in ein Minenfeld gelaufen. Franja war das einzige Partisanenhospital, das selbst für seinen militärischen Schutz sorgte.
Als das Hospital eingerichtet wurde, herrschten winterliche Temperaturen. Am 23. Dezember 1943 wurden die ersten Verwundeten aufgenommen. Die Baumaterialien sowie alle im Lazarett benötigten Dinge und nicht zuletzt die Verletzten, denen die Augen verbunden wurden, mussten durch das Bachbett balanciert werden – bei Nacht, um eine Entdeckung zu vermeiden. Den Weg durch den Bach zu wählen, hatte den großen Vorteil, dass die Träger keine Spuren hinterließen. Überdies konnte in der engen Schlucht gefahrlos Feuer angezündet werden, der Rauch verflog an den steilen Hängen.
Die schnelle medizinische Versorgung von Schwerverletzten war während des Zweiten Weltkriegs auch in regulären Armeen ein Problem. Noch größer waren die Schwierigkeiten für eine Partisanenarmee, zumal unter deutscher Besatzung bereits der Verdacht, der Widerstandsbewegung anzugehören, Verhaftung, Folter und Tod bedeutete. Die Zahl der getöteten jugoslawischen Partisanen wird auf mehr als 230 000 geschätzt. Mehrere Tausend Verwundete wurden in Gebiete evakuiert, die die Alliierten kontrollierten. Die meisten jugoslawischen Partisanen konnten jedoch nur mit einfachsten Mitteln behandelt werden.
»Der verwundete Soldat kann nur selten schnell genug vom Schlachtfeld zum Krankenhaus transportiert werden«, schrieb Stoyan Pribiche im Dezember 1944 im Magazin Time. »Auf einem Lastwagen, einem Karren, dem Rücken eines Pferdes, einer Trage oder zu Fuß dauert es zwischen einer Woche und sechs Wochen, bis er einen Ort erreicht, an dem er medizinisch behandelt werden kann. Er kann auf dem Weg sterben oder zum Invaliden werden. Auch eine Rekonvaleszens ist in diesem Land nicht möglich.« Das Lazarett Franja war eine der Ausnahmen, hier wurde mit vergleichweise guter Ausstattung operiert und die Verwundeten hatten Zeit zur Genesung.

Ein geheimes Hospital bedurfte einer komplexen Infrastruktur. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, chirurgischen Instrumenten und Medikamenten musste sichergestellt werden. Insbesondere Arzneimittel und Verbandmaterial waren schwer zu beschaffen, da Handel und Verteilung von der Besatzungsmacht streng überwacht wurden. Die Schwerverletzten mussten klandestin transportiert werden, zunächst in vorgelagerte geheime Unterkünfte in den umliegenden Dörfern, wo Sanitäter entschieden, wer ins Hospital eingeliefert und wer ambulant behandelt werden sollte. Das Pasica-Tal liegt abgeschieden in einem besiedelten Gebiet, nur wenige Kilometer von der Ortschaft Cernko entfernt. Immer bestand die Gefahr, dass Kollaborateure die Aktivitäten bemerkten. Einige Partisanenlazarette wurden verraten, Franja blieb unentdeckt.
Als das Hospital eingerichtet wurde, hatten sich die Kämpfe in der Region verstärkt. Im September 1943 kapitulierte die von Marschall Pietro Badoglio geführte italienische Regierung, die alliierten Truppen konnten jedoch nur langsam nach Norden vorrücken. Die Primorska, zu der das Pasica-Tal gehört, war im Vertrag von Rapallo 1920 Italien zugesprochen worden, nach dem Zusammenbruch des Mussolini-Regimes wurde das Gebiet zeitweilig befreit. Mit einer Großoffensive, die im November 1943 endete, drängte die deutsche Armee die Partisanen zurück, die fortan einen Guerillakrieg führten. Slowenien war von großer strategischer Bedeutung für die Alliierten, über die durch das Land verlaufenden Eisenbahnstrecken wurden vor allem rumänisches Öl und Truppen transportiert, die in Italien eingesetzt werden sollten. Der Kampf der Partisanen war ein entscheidender Faktor bei der Befreiung Europas.
Eine Widerstandsbewegung hatte sich bereits 1941 gebildet, sie wurde von Anfang an von der mit 1 200 Kadern kleinen, aber gut organisierten Kommunistischen Partei Sloweniens geführt. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion war die Zeit der durch den Hitler-Stalin-Pakt der KP auferlegten Passivität vorbei, der bewaffnete Kampf begann. Aus der Antiimperialistischen Front wurde die Befreiungsfront (Osvobodilna Fronta, OF). In der im Februar 1943 veröffentlichten »Dolomiten-Erklärung« erkannten die Bündnispartner, kleinere bürgerliche Parteien, die Führung der KP an und verzichteten auf unabhängige politische Aktivitäten.
Es gab in Slowenien, wie in anderen Gebieten Jugoslawiens, auch nationalistische Milizen, die jedoch meist die kommunistischen Kämpfer als den Hauptfeind betrachteten und oft mit den Deutschen kollaborierten. Über die slowenische Weiße Garde urteilte das britische Militär im Juni 1944, sie sei »aufgrund ihrer Handlungen ein erklärter Feind der Alliierten«, der »den Deutschen ihre Aufgabe unermesslich leichter macht«.

Auch ein Antikommunist wie Winston Churchill entschied sich daher für die Unterstützung der kommunistisch geführten Widerstandsbewegung. Es sei »eine bedauerliche Tatsache«, dass man den Partisanen bislang kaum geholfen habe, obwohl sie »so viele Deutsche in Jugoslawien binden wie die anglo-amerikanischen Streitkräfte in Italien südlich von Rom«, sagte der britische Premierminister am 24. November 1943. Eine Woche später wurde auf der Konferenz von Teheran beschlossen, die Untersützung für die Partisanen zu verstärken, Flugzeuge warfen über dem Partisanengebiet Waffen, Medikamente, Milchpulver und andere Versorgungsgüter ab. 1944 wurden die Partisanen offiziell als Verbündete anerkannt.
Das Hospital Franja wurde ab März 1944 von solchen Versorgungsflügen erreicht. Es wäre sicher auch ohne alliierte Hilfe errichtet worden, doch die Kooperation erleichterte die medizinische Behandlung und verbesserte die Nahrungsmittelversorgung. Davon profitierte auch der US-Pilot Harold Adams, der in Franja behandelt wurde. Das Museum dokumentiert die Danksagung eines Verbands US-amerikanischer Veteranen der Luftwaffe. Unter den 522 Schwerverletzten, die in diesem Lazarett versorgt wurden, waren 80 Angehörige anderer Nationen, 43 Italiener, 24 Soldaten der Roten Armee, Franzosen, Polen und ein Österreicher.
Franja ist daher nicht allein ein Beispiel für die beeindruckende zivile Infrastruktur, die die Partisanen klandestin aufbauten und zu der in Slowenien auch eine geheime Druckerei gehörte, die eine Tageszeitung herausgab. Das Hospital ist auch ein Symbol für praktizierte internationale Solidarität im Kampf gegen die nationalsozialistische Barbarei.

Nicht alle, die in Franja behandelt wurden, konnten gerettet werden. 78 Menschen starben hier. Dass auch ein Friedhof eingerichtet werden musste, war anfangs nicht bedacht worden. Die Gräber konnten nicht gekennzeichnet werden, doch Angaben zu den Toten wurden in Flaschen neben den Leichen vergraben, um eine spätere Umbettung zu ermöglichen.
Trotz guter hygienischer Verhältnisse konnten gefährliche Infektionen auftreten. Die erste Hütte, die man aus dem Tal kommend erreicht, diente als Isolierstation. Sie wurde eingerichtet, nachdem ein Patient an Typhus erkrankt war. Wenige Meter entfernt befindet sich die Hütte, die das Operationszimmer beherbergt. Im angrenzenden Zimmer steht der Arzneimittelschrank, viele Medikamente kamen aus Praxen und Krankenhäusern der Region, andere von den Alliierten.
Bakterielle Infektionen konnten behandelt werden, doch über Penicillin, das damals in den alliierten Armeen gerade gebräuchlich wurde und die Amputationsrate senkte, verfügte man in Franja nicht. Auch Laborgerät zur Bestimmung der Blutgruppen war nicht vorhanden. Es gab jedoch einen Dampfsterilisator, chirurgische Instrumente und sogar ein Röntgengerät. Diese wohl erstaunlichste Errungenschaft des Hospitals stammte aus einer Arztpraxis der Region.
Das Gerät, das hier heute ausgestellt wird, ist ein Nachbau. Auch die meisten Hütten sind nur wenige Jahre alt. Alle Gebäude wurden aus Holz errichtet, das wegen der hohen Luftfeuchtigkeit in der Schlucht schnell verrottet. Überdies ist das Gebiet durch Naturkatastrophen gefährdet. Das Museum wurde 1963 eröffnet, im Winter 1989/90 wurde der Zugang von einer Steinlawine verschüttet. Bei einer Überschwemmung im Jahr 2007 wurden elf der 13 Hütten vollständig zerstört, nur 225 der über 800 ursprünglichen Ausrüstunsgegenstände wurden wiedergefunden und restauriert. Da alles katalogisiert war, konnte Fehlendes jedoch ersetzt werden.
Man sieht das Gelände seit der Wiedereröffung des Museums im vergangenen Jahr wieder weitgehend so, wie es damals in Etappen aufgebaut worden ist. Etwa 120 Patienten konnten aufgenommen werden, die Schlafräume befanden sich in zwei größeren Hütten. Die Versorgung musste von außen gewährleistet werden, doch im alltäglichen Leben war das Hospital mit einer Küche, einer Werkstatt und einem Waschhaus weitgehend autark. Der benötigte Strom wurde in einem kleinen Wasserkraftwerk erzeugt.
Über das Leben im Hospital ist relativ wenig bekannt. Es gab ein Radio, Bücher und ein organisiertes Bildungsprogramm, auch die Partisanenzeitung wurde geliefert. Bemerkenswert ist, dass das Hospital fast während der gesamten Zeit seines Bestehens von einer Frau geleitet wurde. Die 1913 geborene Franja Bojc Bidovec hatte, ursprünglich gegen den Willen ihrer Eltern, Medizin studiert. Sie floh nach der deutschen Invasion in den italienisch besetzten Teil Sloweniens, nahm einen Kredit auf und eröffnete eine Praxis. Bald schloss sie sich der OF an und versorgte Partisanen mit Medikamenten und Verbandsmaterial. Im Februar 1943 löste sie den ersten Leiter Viktor Volčjak ab. Sie sorgte für die Erweiterung des damals nur aus einer Hütte bestehenden Lazaretts, organisierte die Versorgung, operierte und überwachte die Behandlung – zunächst als einzige Ärztin des Hospitals.
Die Beteiligung von Frauen an der Partisanenbewegung war nicht ungewöhnlich. In Jugoslawien schlossen sich etwa 100 000 Frauen dem Widerstand an, unter den 175 »Helden des Volkes« im slowenischen Partisanenkampf waren 21 Frauen. Ihre Tätigkeit war nicht auf »Frauenberufe« beschränkt, viele Frauen kämpften an der Front. Männer kommandierten sie jedoch nur selten. Auch in dieser Hinsicht war Franja eine Ausnahme, das Hospital wurde noch vor Kriegsende nach seiner Leiterin benannt.
Unumstritten war Franja Bojc Bidovecs Führungsposition nicht, im Juli 1944 wurde ihr vorgeworfen, sie habe ihre Pflichten vernachlässigt. Eine Untersuchungskommission befand jedoch, dass die Beschuldigungen haltlos seien, im Oktober konnte sie die Leitung des Hospitals wieder übernehmen. Nach dem Krieg spezialisierte sie sich in gynäkologischen Fachbereichen und leitete mehrere Militärkrankenhäuser. Sie starb 1985.

Noch am 24. März 1945 griffen deutsche Truppen die Pasica-Schlucht an. Die Existenz des Hospitals war ihnen zwar nicht bekannt, doch vermuteten sie dort Partisanenstellungen. Während eines ersten Angriffs im Jahr zuvor waren die Patienten in Höhlen in einem nahen Dorf und später in die Wälder evakuiert worden. Die Belastung für die Schwerverletzten war groß, ein Krankenpfleger wurde erschossen. Beim zweiten Angriff entschied man sich, auf eine Evakuierung zu verzichten. Obwohl die Deutschen auch Brandbomben einsetzten, konnte der Angriff zurückgeschlagen werden. Am 5. Mai 1945 wurde das Hospital geschlossen, 98 Patienten wurden in Krankenhäuser verlegt.
Das Gedenken an den Partisanenkrieg war der Gründungsmythos des titoistischen Jugoslawien und ein zentraler Bestandteil der Staatsideologie. Der Widerstand gegen die Besatzung war auch ein sozialer Befreiungskampf, geführt allerdings von einer KP, die sich 1948 zwar gegen Stalin wandte, sich aber bereits während des Krieges, wenn auch in weit geringerem Ausmaß als die KPdSU, stalinistischer Methoden bediente (siehe Seite 4). Vom realsozialistischen Heroismus hat sich die Gedenkkultur längst gelöst, doch ist die Geschichte der Partisanen für slowenische Linke, für Feministinnen ebenso wie für junge Arbeiter, weiterhin von Bedeutung.
Der Kampf der Partisanen, denen sich auch Liberale, Konservative und Nationalisten anschlossen, ist jedoch ebenso verbunden mit der Verteidigung der Zivilisation gegen den Nationalsozialismus. Angesichts einer extremen Bedrohung kann man sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen, das galt damals für die Alliierten ebenso wie für die Kommunistischen Parteien. Doch obwohl Jugoslawien nie zum »Ostblock« gehörte, vergaß man in den Ländern der Westalliierten in der Ära des Antikommunismus die ehemaligen Verbündeten. Weniger noch sah man in Österreich (siehe Seite 18) und in Deutschland, wo die CDU-Politikerin Erika Steinbach, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Tito »Völkermord« an den »Volksdeutschen« vorwarf, einen Grund, den ehemaligen Partisanen zu danken. Dass ohne deren Kampf die Befreiung Europas weitaus schwieriger gewesen wäre und viel länger gedauert hätte, ist fast in Vergessenheit geraten.
Gedenktafeln und Partisanendenkmäler gibt es in Slowenien in fast jeder Ortschaft, doch das Hospital Franja gehört zu den wenigen erhaltenen Anlagen aus dieser Zeit. Die slowenische Regierung beantragte, es in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. Das war vor elf Jahren. Vielleicht erscheinen die Hütten den UN-Bürokraten als zu unspektakulär, doch das Kriterium, »nationale Grenzen zu transzendieren und von allgemeiner Bedeutung für gegenwärtige und zukünftige Generationen« zu sein, erfüllt Franja zweifellos.