Kampf um den Bundesvorsitz in der NPD

Die Seriösen greifen an

Vom »Superwahljahr 2011« hatte sich die NPD mehr erhofft. Nun entbrennt der Kampf um den Bundesvorsitz.

Die Kandidatur kommt erwartet. Auf dem kommenden Bundesparteitag der NPD tritt Holger Apfel für die Wahl zum Bundesvorsitz an. Nach 15 Jahren hat der amtierende Vorsitzende Udo Voigt damit erstmals einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten. »Gerade an der Parteibasis, aber auch auf der Vorstandsebene vieler Verbände wird der Ruf nach einem Wechsel auf Bundesebene lauter«, sagte Apfel, der zurzeit sächsischer NPD-Fraktionvorsitzender ist. »Zahlreiche Parteifreunde aus vielen Landesverbänden« hätten ihn zu der Kandidatur gedrängt. Mitte Oktober soll auf dem Parteitag in Gera der Kampf zwischen Voigt und seinem politischen Ziehsohn Apfel stattfinden. Lange haben sich der 56jährige und der 40jährige gegenseitig dabei unterstützt, die NPD auf aktuelle und soziale Themen auszurichten und zu einem engeren Bündnis mit den »Freien Kameradschaften« zu bewegen. Einen Tag nach den Wahlen in Berlin erklärte Apfel seine Kandidatur. Bei der Wahl blieb die NPD unter ihren Erwartungen. Mit 2,1 Prozent schnitt sie im Vergleich zur Konkurrenz aber noch am besten ab. Pro Deutschland erhielt 1,2 Prozent, »Die Freiheit« ein Prozent. Die NPD hatte darauf gehofft, ihre Mandate in den Bezirksvertretungen zu halten oder sogar auszubauen, sie verlor jedoch Sitze. In den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick zog sie mit je zwei Abgeordneten ein. Vor fünf Jahren erreichte sie dort insgesamt elf Mandate. »Wenn drei rechte Parteien antreten, dann schafft es keine von denen«, sagte Voigt nach der Wahl, räumte aber selbst ein, dass »dieses Ergebnis als Niederlage empfunden« werden könne. Nicht erst die Berliner Wahl scheint Apfel zur Kandidatur bewogen zu haben. Am Tag nach der Niederlage gab er an, Voigt schon vor Wochen über »die Entscheidung informiert« zu haben. Die Landtagswahlen des Jahres 2011 verliefen insgesamt nicht nach den Vorstellungen der Partei, was den »Ruf nach einem Wechsel« erklären dürfte. In Sachsen-Anhalt hatte die Partei nach großem Einsatz von Geld und Personal auf den Einzug in den Landtag gehofft, scheiterte aber knapp. Anfang September kam die NPD unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs in Mecklenburg-Vorpommern mit 1,3 Prozent Verlust wieder in den Landtag. Bei den gleichzeitig stattfindenden Kreistagswahlen konnte sie ihren Stimmenanteil von 3,3 auf 5,4 Prozent ausbauen. Mit 23 Mandaten zog sie in alle sechs Kreistage ein. Dieser tröstliche Erfolg wird in der NPD aber nicht Voigt, sonder Pastörs zugeschrieben. Im Laufe der Legislaturperiode hatten sich Pastörs und seine Truppe das Image fürsorglicher Bürgernähe zugelegt, ohne jedoch die eindeutig nazistischen Grundsätze aufzugeben. So war es dem Landesverband gelungen, eine Stammwählerschaft zu gewinnen. Die Partei besitze in Mecklenburg-Vorpommern »ein Stammwählerpotential von drei Prozent«, sagt Gudrun Heinrich. Die Dozentin am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock betont: »Die Motivation zur Stimmabgabe für die NPD scheint in einer Mischung aus rechtsextremen Ressentiments und dem Gefühl zu liegen, von der Politik vernachlässigt zu werden.« Bereits vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern hatte Peter Marx, ein Mitarbeiter der NPD-Fraktion, gesagt: »Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht alleine für den Bundesvorsitz kandidiert.« Nach der Wahl sagte Pastörs in einem Interview mit dem rechtsextremen Internetportal »Deutschlandecho« auftrumpfend, dass man beim nächsten Bundesparteitag »selbstverständlich« mit ihm »zu rechnen habe«. Zudem forderte er Apfel auf, »für das Amt des Parteivorsitzenden zur Verfügung zu stehen«. Bei der Ankündigung seiner Kandidatur schlug Apfel im Gegenzug Pastörs als stellvertretenden Parteivorsitzenden vor. Die Herren haben offenbar dazugelernt. Pastörs versuchte schon auf dem Bundesparteitag 2009, Voigt das Amt streitig zu machen. Damals machten nicht bloß Apfel und Pastörs Voigt für die anhaltenden Finanzprobleme der Partei wegen falscher Personalentscheidungen und fehlerhafter Rechenschaftsberichte verantwortlich. 2008 war herausgekommen, dass Erwin Kemna, der langjährige NPD-Bundesschatzmeister und ein Vertrauter von Voigt, etwa 741 000 Euro aus der Parteikasse veruntreut hatte. 2009 forderte die Bundestagsverwaltung wegen Fehlern in Rechenschaftsberichten 2,2 Millionen Euro Strafzahlungen von der NPD, der Rechtsstreit dauert an. Vor zwei Jahren unterschätzten Apfel und Pastörs jedoch Voigts taktisches Geschick und trotz allem vorhandene Hausmacht. Pastörs unterlag mit großem Abstand. 2011 könnte es anders kommen. In der vergangenen Woche hielt Eckart Bräuniger, der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende in Berlin, Voigt erneut den nachlässigen »Umgang mit der Kontrolle des Schatzmeisters« vor. Er betonte zwar: »Die Verdienste von Udo Voigt sind zweifelsohne unumstritten.« In den vergangenen zwei Jahren hätte die NPD jedoch »de facto abgebaut«, er sehe »überhaupt keinen Plan oder Kurs« beim amtierenden Bundesvorsitzenden. Als Apfel seine Kandidatur ankündigte, legte er seine Vorstellungen von der künftigen NPD knapp dar. Sie müsse sich als eine »zukunftsgewandte nationale Partei mit seriöser Radikalität im politischen Spektrum« einordnen. »Seriöse Radikalität bedeutet, konstruktiv, gegenwartsbezogen und volksnah« zu sein, sagte Apfel. Es sei schädlich, in der Öffentlichkeit mit »unpolitischer Nostalgiepflege und ziellosem Verbalradikalismus« aufzufallen. In der Parteizeitung Deutsche Stimme schrieb er bereits im Mai: »Es muss endlich Schluss damit sein, ewig die Schlachten von gestern zu kämpfen.« Im Vordergrund des »politischen Kampfes« sollten »die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft« stehen. Einige Zeilen weiter hob er allerdings hervor: »Geschichtsbewusstsein und die Pflege von Kultur und Brauchtum sind zur Festigung und zur sinn- und identitätsstiftenden Auslebung unserer Weltanschauung unabdingbar.« Eine solche Politik würde Bräuniger sicher unterstützen. Sein Name findet sich in einem Papier der NPD Sachsen, in dem Personalvorschläge für den neuen Bundesvorstand gemacht werden. Zwar mahnt er: »Man sollte Udo Voigt nicht schlecht reden.« Doch zugleich steht für ihn fest: »Aber nun ist die Zeit für einen Wandel.«