Die Stagnation der Wirtschaft

Gute Laune in der Falle

Deutschlands Konjunktur stagniert. Damit stößt das exportorientierte Modell des Standorts Deutschland an seine Grenzen. In Frage gestellt wird es dennoch nicht.

Er bleibt immer gutgelaunt. Nach Veröffentlichung des Herbstgutachtens der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute verkündete Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) in der großspurigen Manier, die für seine Partei typisch ist, Deutschland werde »Stabilitäts- und Wachstumsanker in Europa« bleiben. Dabei hatten die Experten gerade kein besonders rosiges Bild gezeichnet. Sie erwarten für 2012 nur noch einen Zuwachs von 0,8 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt und korrigierten damit ihre Aussagen aus dem Frühjahr, als sie noch ein mehr als doppelt so hohes Wachstum vorausgesagt hatten.
Die Wirtschaft der Bundesrepublik verharrt damit in der Stagnation, die bereits im zweiten Quartal dieses Jahres begonnen hatte. Nach Ansicht der Experten könnte dem Standort im letzten Quartal nun ein Nullwachstum bevorstehen. Dennoch hoben die Institute – wegen des starken Jahresauftakts – ihre Wachstumsprognose für das noch laufende Jahr von 2,8 auf 2,9 Prozent an.
Die Gründe für die Stagnation in Deutschland – die sich, gemessen an der Lage anderer Staaten des Euro-Raums, auf relativ hohem Niveau vollzieht – liegen auf der Hand. Die drohende Bankenkrise belaste »zunehmend auch die deutsche Konjunktur«, warnen die Experten. »Die stark erhöhte Unsicherheit wird die inländische Nachfrage dämpfen, und der Außenhandel dürfte aufgrund der schwierigen Krise wichtiger Handelspartner nicht mehr zur Expansion beitragen.« Beruhte die Stärke des Standorts Deutschland in den vergangenen Jahren insbesondere auf dem Export, so brechen dem Vize-Exportweltmeister nun die Märkte weg.
Der deutsche Export ließe sich künstlich stützen, indem die Europäische Zentralbank Stützungskäufe von Anleihen gefährdeter Länder aus dem Euro-Raum vornimmt. Derlei Maßnahmen kritisieren die Ökonomen jedoch einhellig – bis auf das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle – als »Kompetenzüberschreitung«, auch wenn es praktisch keine Alternative dazu geben dürfte.
Für die Beschäftigten hierzulande könnte das kommende Jahr immerhin kleine Verbesserungen bringen. Deren Situation war in den vergangenen Jahren insbesondere durch Lohnzurückhaltung gekennzeichnet – die fast schon sprichwörtliche German diet. Für das kommende Jahr prognostizieren die Wirtschaftsforscher nun aber eine verringerte Inflation, sinkende Arbeitslosigkeit und steigende Löhne zugleich. Die Institute gehen dabei von einer Steigerung der Tariflöhne um 2,5 Prozent aus. In diesem Jahr betrug die Steigerung lediglich 1,8 Prozent.
Und so warnen die Wirtschaftsforscher denn auch gleich vor »verstärkt anziehenden Lohnstückkosten«. Da überrascht Röslers gute Laune dann doch nicht mehr so sehr. Vor wenigen Wochen hatte er gesagt, man müsse die Enttäuschung über die schlechten Rahmendaten für »politische Signale zur Verstetigung des Wachstums« – also für weitere Angriffe auf das Lohniveau – nutzen. Das Herbstgutachten dürfte ihm da gerade recht kommen.