Über den Zustand der afrikanischen Umweltbewegung

Aus Tradition grün

Ende November findet in Südafrika die nächste UN-Klimakonferenz statt. Vor allem große Teile Afrikas sind von einem weiteren Temperaturanstieg aufgrund des Klimawandels bedroht. Doch was macht eigentlich die afrikanische Umweltbewegung?

Als letzte Chance für den weltweiten Klimaschutz gilt weithin die UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban, die am 28. November beginnen soll. Das Kyoto-Protokoll, eines der wichtigsten Elemente der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, wird nämlich Ende 2012 auslaufen. Um den weiteren globalen Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad Celsius zu beschränken, was für die meisten Länder noch als vertretbarer Wert gilt, ist daher dringend ein neues Klimaschutzabkommen nötig. Die CO2-Reduktionsziele des auslaufenden Kyoto-Protokolls wurden zwar nicht annähernd erreicht und die USA werden einem neuen Abkommen wohl ebenso wenig zustimmen, wie sich wirtschaftlich stark wachsende Länder wie China auf verbindliche Emissionsgrenzen einlassen werden, doch die Gesprächsrunden und die Erstellung verschiedenster klimatischer Szenarien gehen munter weiter.
Während sich die meisten Industrie- und Schwellenländer bei den Klimadiskussionen gegenseitig mit ihren Wachstumssorgen, vielversprechenden Klimatechnologien oder der Erstellung komplizierter Emissionshandelspläne übertreffen, bangen die Menschen in einigen Regionen bereits um ihre Existenz. Für viele kleinere Pazifikstaaten oder einige afrikanische Länder wäre ein Anstieg der Temperatur um zwei Grad Celsius schon zuviel. Die globale Erwärmung wirkt sich auf verschiedene Regionen der Erde nämlich unterschiedlich aus. Unter anderem große Teile Afrikas erwärmen sich schneller als andere Teile der Welt. Die Zahl der Dürren, Überschwemmungen, anderer Naturkatastrophen und folglich auch Hungersnöte wie derzeit in Ostafrika wird zunehmen. Der Klimawandel geht für viele Afrikanerinnen und Afrikaner einher mit einer Verknappung lebenswichtiger Ressourcen. Gegen Umweltverschmutzung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen kämpft seit Jahrzehnten die af­rikanische Umweltbewegung.

Afrika macht 20 Prozent der weltweiten Landmasse aus, ist reich an Wäldern und Bodenschätzen und verfügt über eine hohe Biodiversität. Der Kongowald in Zentralafrika ist der zweitgrößte Regenwald der Welt. Seine insgesamt zwei Millionen Quadratkilometer erstrecken sich über Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun und die Republik Kongo. Besondere Bedeutung für die Bevölkerung haben auch der 4 130 Meilen lange Nil, der längste Fluss, der Sambesi im Süden Afrikas und der Niger im Westen. Alle fließen durch mehrere Länder und ernähren durch ihren Beitrag zur landwirtschaftlichen Bewässerung Millionen von Menschen.
Ironischerweise war es oft der natürliche Reichtum Afrikas, der dem Kontinent zum Verhängnis wurde. Die ersten Schritte der afrikanischen Umweltbewegung lagen in der Sicherung überlebenswichtiger Ressourcen, die durch Ausbeutung bedroht waren. Tief in Nigerias Nigerdelta fand sich die kleine Bevölkerungsgruppe der Ogoni im Zentrum einer Bewegung wieder, die sie weder vorgesehen noch gesucht hatte. Angeführt von Ken Saro-Wiwa entstand die »Bewegung für das Überleben der Ogoni« (Mosop) angesichts eines Umweltkonflikts, der von der intensiven Verschmutzung des Landes durch große Ölunternehmen, unter anderem Shell, ausgelöst worden war. Für die Bewegung war ihr Engagement für die Umwelt ein Krieg gegen einen Feind, der die Umwelt und die Lebensgrundlagen, die diese bereitstellte, zerstörte. Mosop kämpfte so erfolgreich für ihre politischen und ökologischen Ziele, dass ihr Anführer dafür von der nigerianischen Regierung gehängt wurde. Die letzten Worte Saro-Wiwas vor seiner Hinrichtung im Jahr 1995 durch die Militärregierung von General Sani Abacha lauteten: »Ich habe keinen Zweifel daran, dass der ökologische Krieg, den das Unternehmen im Delta führt, eher früher als später in Frage gestellt wird und dass die Verbrechen dieses Krieges gebührend bestraft werden.«

Mosop verstand die politischen und ökologischen Belange, für die sie sich einsetzte, nicht als einander ausschließende Angelegenheiten. Für sie waren beide Kämpfe Seiten derselben Medaille. Die Verletzung der politischen Rechte der Ogoni war gekoppelt an die rücksichtslose Ausbeutung ihrer Umwelt. Die »Grüngürtel«-Bewegung in Kenia hatte einige Jahre zuvor, in den späten siebziger und achtziger Jahren, den gleichen Ansatz vertreten. Wangari Maathaai, die Gründerin und Führungsfigur, sah im Pflanzen von Bäumen einen Weg, die Erde zurückzugewinnen und sich selbst zu ermächtigen. Die Bewegung stand an vorderster Front im Kampf für Demokratisierung und Umweltschutz. Für diesen Ansatz wurde Maathaai 2004 der Friedensnobelpreis als Anerkennung ihres »Beitrags zu nachhaltiger Entwicklung, Demokratie und Frieden« verliehen.
Wie auch Mosop ging es der »Grüngürtel«-Bewegung einerseits um den Schutz der Umwelt und andererseits um demokratische Ziele. Sie gewann einen bitteren Kampf gegen die Regierung, als diese im Uhuru Park im Stadtzentrum von Nairobi einen Wolkenkratzer bauen lassen wollte. Außerdem bewahrte sie den Karura-Wald am Rand Nairobis vor der Abholzung für Bauvorhaben.
Diese zwei Bewegungen, die in unterschied­lichen Jahrzehnten im Ost- und Westteil Afrikas aktiv wurden, verbreiteten ein neues Verständnis von Umweltschutz. Die Umwelt wurde nicht einfach als etwas verstanden, das aus grüner Empathie erhalten werden sollte, sondern als eine Leben spendende, natürliche Ressource. Das Interesse für die Umwelt erwachte nicht aus dem Nichts heraus. Bereits 1961 wurde die East African Wildlife Society geschaffen, die aus einer Verschmelzung der kenianischen und tansanischen Wildlife Societies hervorging, welche wiederum beide 1956 gegründet worden waren, um natür­liche Lebensräume und Arten zu schützen. Diese Organisation wurde zu einem Trendsetter, als viele Organisationen den Umweltaspekt als eigentlichen Grund ihrer Existenz aufnahmen.
Auch wenn nun auf dem ganzen Kontinent die grüne Fahne geschwenkt wurde, blieben umweltschonende Gewohnheiten und Praktiken typisch für viele afrikanische Bevölkerungsgruppen. Die Kavango in Namibia beispielsweise leben meist an Flüssen, ihre Lebensgrundlage beruht auf Fischen, Viehhaltung und Landwirtschaft. Die Bewahrung der natürlichen Ressourcen ist Teil ihres gesamten Lebens, nicht nur ein Aspekt unter vielen. In ähnlicher Weise haben die Menschen am Kongo-Fluss seit mehr als 500 Jahren gelebt. Sie verschmutzten den Fluss daher nicht, weil das bedeuten würde, ihr eigenes Leben zu verschmutzen. Viele andere afrikanische Communities wie die Yoruba in Westafrika und die Luhya in Ostafrika haben ebenso uralte kulturelle Praktiken, deren fester Bestandteil die Bewahrung der Umwelt ist.

Diese grünen Grundsätze innerhalb der afrikanischen Kultur schufen zusammen mit den grünen Bewegungen der Zivilgesellschaft ein ökologisches Bewusstsein, das günstige Voraussetzungen für die Entstehung von Umweltbewegungen schuf. Zur Jahrhundertwende fing die Jugend Afrikas ebenfalls an, sich für das Thema zu interessieren. 2001 spielte sie eine zentrale Rolle bei der Konferenz »Jugend für Nachhaltige Entwicklung« im schwedischen Borgholm. Während dieser Veranstaltung wurde der Prozess »Jugend für Nachhaltige Entwicklung« begonnen, der später auf dem Weltgipfel über Nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg fortgesetzt wurde.
Diese Bestrebungen afrikanischer Jugendlicher entwickelten sich weiter im Afrikanischen Jugend-Umwelt-Netzwerk (Ayen), das zu Beginn vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) gefördert wurde. Ayen ist der Dachverband eines Netzwerks für jugendliche Umweltschutzinitiativen in Afrika und wurde 2006 in der Republik Kongo gegründet. Später gründete Ayen zusammen mit anderen Gruppen die Afrikanische Jugendinitiative über den Klimawandel (Ayicc). Sie schaffte es, eine starke jugendliche Umweltbewegung aufzubauen, die auf dem gesamten Kontinent präsent ist. Seit 2002 war Ayicc ordnungsgemäß in allen Vertragsstaatenkonferenzen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) vertreten. Mehr als 50 führende Mitglieder dieser Jugendbewegung werden auch in Durban während der kommenden Vertragsstaatenkonferenzen im November erwartet. Diese Bewegung kann daher sicherstellen, dass ihre Basis­arbeit ergänzt wird durch ihre regionalen und globalen Bemühungen. Das gleiche gilt für die Panafrikanische Allianz für Klima­gerechtigkeit (Pacja), die mehr als 300 zivilgesellschaftliche Organisationen Afrikas vereint, um eine klimafreundliche und gerechte Entwicklung voranzutreiben.
In Afrika gibt es heute Tausende zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich im Umweltschutz engagieren. Viele von ihnen sind auf der kommunalen Ebene angesiedelt, Hunderte andere zudem auf nationaler. Dutzende engagieren sich regional in Netzwerken wie Pacja. Obwohl es nicht an Umweltschutzaktivitäten fehlt, gibt es einen Mangel an jener Basisorientierung, die noch für die Mosop und die »Grüngürtel«-Bewegung charakteristisch war. Um jenen Mangel zu beheben, müssen sich die Umweltschutzdiskurse und -aktivitäten von den Ratsräumen und Konferenzsälen wieder zu den Dörfern und auf die Straßen bewegen.