Proteste gegen ein Bergbauprojekt in Peru

Die Mine gräbt das Wasser ab

Eine Ausgangssperre soll für Ruhe in der peruanischen Bergbaustadt Cajamarca sorgen. Doch die Regierung von Ollanta Humala wird den Widerstand gegen umstrittene Projekte dadurch kaum in den Griff bekommen.

»Leben wir in einer Demokratie oder sind wir auf dem Weg in eine neue autoritäre Phase?« fragte Marco Arana am Donnerstag voriger Woche in einer Diskussion im peruanischen Frühstücksfernsehen. Dem landesweit bekannten 49jährigen Umweltschützer, einem ehemaligen Priester, erscheint das Vorgehen der Regierung in Cajamarca alles andere als angemessen. »Seit der Militärdiktatur von Morales Bermúdez hat es in Cajamarca keinen Ausnahmezustand mehr gegeben. Was ist das für ein Weihnachtsgeschenk des Prä­sidenten?« Arana stammt aus Cajamarca und hat dort »Grufides« gegründet, eine angesehene Umweltorganisationen.
Seit dem 4. Dezember gilt in Cajamarca der Ausnahmezustand. Für 60 Tage hat ihn Staatspräsident Ollanta Humala verhängt und so den Konflikt um das Bergbauprojekt Conga verschärft. »Conga wird nicht kommen«, lautet eine der Parolen gegen den Ausbau der größten Goldmine Lateinamerikas. »Wasser ja, Bergbau nein« ist ein weiterer Slogan, der sich an vielen Hauswänden findet.
Bis zu 20 000 Menschen nahmen an den meist fröhlichen Demonstrationen in und um Perus Goldstadt teil. Das Gold ist der Fluch Cajamarcas, könnte man meinen, denn schon 1532 zogen die Spanier mordend und brandschatzend durch die Inkastadt und köpften ihren Herrscher Atahualpa, nachdem sie mehrere Tonnen Gold als Lösegeld erpresst hatten. Im 21. Jahrhundert ist es der großflächige Bergbau, der die Existenz der Menschen bedroht. Vier große Lagunen sollen weichen, wenn es nach den Betreibern der Mine Yanacocha geht.

Etwa 4,8 Milliarden US-Dollar will das Konsortium, bestehend aus dem US-Konzern Newmont Mining, der peruanischen Buenaventura-Gruppe und dem Juniorpartner International Finance Corporation (IFC), einer Tochtergesellschaft der Weltbank, investieren, um elf Millionen Unzen Gold aus dem Boden zu waschen. Dafür sind Unmengen an Wasser nötig, überdies werden große Mengen an hochtoxischen Zyaniden eingesetzt. Für die Bevölkerung der Region, vorwiegend Bauern, hat das katastrophale Konsequenzen. Denn schon jetzt sei das Wasser knapper als früher, sagt Augusto Ruíton, der in der Gemeinde Porcón Bajo lebt und ein Gemeindesprecher ist. »Wir hatten früher nie Wasserprobleme, seit das Unternehmen die Wasserressourcen angebohrt hat, wird es immer weniger«, klagt er.
Beispiele wie diese hat die lokale Bevölkerung vor Augen, wenn sie den Ausbau der Mine verurteilt. »Gold kann man nicht trinken«, hatte Ollanta Humala, der seit Juli Präsident ist, im Wahlkampf bei seiner Visite in Cajamarca gesagt. Die Hoffnung, er werde den Interessen der Bauern Vorrang geben, hat Humala vor allem auf dem Land und auch in Cajamarca viele Stimmen eingebracht. Entsprechend enttäuscht sind viele dieser Wähler nun von »ihrem« Präsidenten. Das Wort vom »Verräter« und vom »Diener des Neoliberalismus« macht nicht nur in Cajamarca die Runde, sondern auch im Süden und Norden des Landes, wo ebenfalls Bergbaukonflikte schwelen.

Elitesoldaten patrouillieren nun durch die Straßen Cajamarcas. Keine Äußerung Humalas zeugt von Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung, es gibt kein Bemühen, sie am Entscheidungsprozess zu beteiligen. »Eine neue Politik im Kontext des Bergbaus, mehr Umweltschutz und mehr Sozialpolitik« habe man vom neuen Präsidenten erwartet, sagt Ruht Luque Ibarra vom Solidaritätsvikariat der Prälatur von Sicuani. Die Menschenrechtsbeauftragte der katholischen Kirche hat es gleich mit mehreren Bergbaukonflikten in der Region zwischen Cusco und Puno zu tun, und bei dem Konflikt von Majes Siguas geht es wie in Cajamarca um das Wasser.
»Es gibt die Befürchtung, dass es nicht für Bergbau und Landwirtschaft reichen könnte, und die Bevölkerung beobachtet sehr genau, was in Cajamarca passiert«, berichtet Ibarra. Auch im Norden, in Huancabamba nahe der Grenze zu Ecuador, hat sich eine Region fast einhellig gegen den Bergbau entschieden: Im Jahr 2007 sprachen sich 94 Prozent in einer von den Kirchen unterstützten Befragung gegen die Aufnahme der Bergbauaktivitäten in einer Kupfermine aus.
Das sind keineswegs Einzelfälle, wie José de Echave bestätigt. »In Peru gibt es ungefähr 250 Um­weltkonflikte, von denen etwa 200 direkt mit dem Bergbau zusammenhängen«, berichtet der Ökonom. Bis Ende November war der ehemalige Direktor der NGO Cooper Acción, die sich für eine verantwortungsvollere Bergbaupolitik einsetzt, Vizeminister im Umweltministerium. Der Umgang mit den Demonstranten und das Fehlen einer Strategie zur Konfliktlösung haben ihn dazu veranlasst, den Job zu quittieren. »Die Verhängung des Ausnahmezustands hilft sicherlich genauso wenig, den Konflikt zu lösen, wie die vorübergehende Festnahme der Oppositionsführer an einem der letzte Tage. Ich bin der Meinung, dass es bisher keine adäquate Strategie gibt, um Konflikte um natürliche Ressourcen zu lösen. Eine solche Strategie brauchen wir aber.«
In immer mehr Regionen wird der Bergbau in erster Linie als Bedrohung wahrgenommen. Dafür gibt es gute Gründe, denn in Cajamarca, wo enorme Mengen an Gold abgebaut und weggeschafft werden, sieht man von all dem Reichtum kaum etwas. Cajamarca zählt, obwohl dort seit den neunziger Jahren im großen Stil gefördert wird, auch heute noch zu den vier ärmsten Regionen des Landes. Trotzdem präsentieren die Betreiber ihre Mine Yanacocha als eine Art Entwicklungsprojekt. »Conga ist das Synonym für Zukunft«, heißt es auf ihrer Homepage.

Genau das bezweifeln aber immer mehr Menschen in der Region, auch die regional Verantwortlichen. Der Rat der Stadt hat das Bergbauprojekt Conga einstimmig für undurchführbar erklärt. Bergbau in den Quellgebieten der Region werde generell untersagt, verfügte der Rat am Dienstag voriger Woche. Ob dieses Gremium dafür die Befugnis hat, ist allerdings umstritten, denn über Projekte dieser Größenordnung muss eigentlich die Zentralregierung entscheiden.
Eine Annullierung des Projekts Conga könnte auch Bergbauprojekte in anderen Regionen gefährden. Das ist ein Problem für die Regierung, denn damit stehen gleich zwei Dinge auf dem Spiel: Perus Ruf als zuverlässiger Partner im Bergbau und etwa 50 Milliarden US-Dollar, die den Kalkulationen der Nationalbank zufolge in den nächsten sechs bis sieben Jahren im Bergbausektor investiert werden sollen.
Doch über einen dritten Risikofaktor wird bisher noch gar nicht geredet. »Peru hat in den vergangenen Jahren mehrere Freihandelsabkommen unterzeichnet, die Direktinvestitionen schützen. Sollte es zu einer offiziellen Annullierung von Conga kommen, dann besteht das Risiko, dass Newmont Mining Peru eine Klage auf Entschädigung in Milliardenhöhe einreicht. Das wäre ein Desaster für die Regierung«, sagt José de Echave. Und auch von anderer Seite steht der Präsident unter Druck, denn die Bergbauunternehmen erwarten vom Präsidenten, dass er die geplanten Projekte durchsetzt. Schließlich haben sie erhöhten Abgaben zugestimmt, um die Sozialprogramme der Regierung mitzufinanzieren. Ollante Humala wird also von mehreren Seiten bedrängt. Er scheint sich für die Konzerne entschieden zu haben. Am Sonntag entließ er zehn Kabinettsmitglieder, darunter die Minister für Bergbau und Umwelt. Zum Premierminister ernannte er Oscar Valdés, seinen einstigen Lehrer an der Militärkademie. Die Ernennung des Hardliners wird allgemein als Zeichen dafür gewertet, dass Humala repressiver gegen Proteste vorgehen will