Seufzer der Geschichte

Früher sagten wir, wir wollen »einen Mix aus unserer Lieblingsmusik machen«. Und natürlich ging es bei diesen Kassettenrekorderaufnahmen auch darum, die Herzen von Mädchen oder Jungs zu gewinnen. Die Kulturtechnik des Kompilierens ist in Zeiten des CD-Brennens und I-Tunes selbstverständlich geworden. Klar, wenn die hippen New Yorker Psychedelic-Pop-Wiedergänger MGMT eine CD mit Lieblingsliedern zusammenstellen, heißt es das »Kuratieren«. Das klingt gewichtiger, mehr nach Kunst.
Spektakuläre Kunst ist die von Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser zusammengestellte erste CD der Reihe »Late Night Tales« freilich nicht, eine ausgezeichnete Demonstration musikalischen Kennertums und erlesenen Geschmacks aber durchaus. Im Grunde handelt es sich um eine aus 21 kleinen Geschichten zusammengesetzte große melancholische Erzählung. Die meisten Songs stammen aus den Achtzigern. Zu den schönsten gehören »Pink Frost« von der nachdenklichen neuseeländischen Indieband The Chills, das düster-verwunschene Pluckersynthie-Kleinod »Cheree« von Suicide, die heroingesättigte Gebetsballade »Lord, Can You Hear Me?« der unvergleichlichen Spacemen 3 und das völlig vereinsamte »Hearts Are Like Flowers« der notorisch traurigen Jacobites. MGMTs »Late Night Tales« transportiert alte, aber eben nicht unbedingt alt klingende Originale in eine Gegenwart, die sich, einigermaßen geschichtsvergessen, über Gesten des Retro verständigt. Vielleicht seufzt auf den CDs von MGMT ja die Geschichte selbst.

MGMT: Late Night Tales (EMI)