Frankreich investiert in AKW

Das Licht bleibt an

Trotz Sicherheitsrisiken sollen in Frankreich 50 Milliarden Euro in den Betrieb von Atomkraftwerken investiert werden.

»Überraschung: französische Atomkraftwerke doch nicht total sicher!« Mit Sarkasmus reagierte das französische Netzwerk für Atomausstieg (Réseau Sortir du nucléaire) auf den Untersuchungsbericht der Reaktorsicherheitsbehörde (ASN) aus der ersten Januarwoche. Die franzö­sische Regierung hatte die Untersuchung nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima in Auftrag gegeben.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, es müsse kein einziger der derzeit 58 laufenden Reaktorblöcke in Frankreich abgeschaltet werden. Allerdings seien umfangreiche Investitionen zur Verbesserung der Sicherheit erforderlich. So sollen die Betreiber bis Ende Juni einen »harten Kern« ihrer Reaktoren in Form einer befestigten Kommandozentrale einrichten, der auch bei größeren Naturkatastrophen oder Unfällen – wie Erdbeben oder Flugzeugabstürzen – widerstands­fähig wäre. Ferner soll jeder Reaktor über einen eigenen Strom- und Wasserkreislauf verfügen, der im Falle eines Zusammenbruchs des Kraftwerkbetriebs weiterläuft. Aus der Empfehlung lässt sich entnehmen, dass nicht einmal dies bis heute überall der Fall ist. Bis Ende 2014 soll außerdem eine nukleare »Eingreiftruppe« einsatzbereit sein, die im Krisenfall in alle Reaktoren ­eines Kraftwerks entsandt werden kann.

50 Milliarden Euro möchte die ASN in den kommenden Jahren für diese Zwecke aufgewendet sehen. Henri Proglio, der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns Electricité de France (EDF), des Hauptbetreibers französischer Atomanlagen, beeilte sich zu erklären, in Wirklichkeit handele es sich nur um Kosten in Höhe von zehn Milliarden Euro. 40 Milliarden Euro seien nämlich bereits vorgesehen, um die Laufzeit der in Betrieb befindlichen französischen Atomkraftwerke auf mehr als 60 Jahre ausdehnen zu können. Diese Ausgaben seien für die kommenden 30 Jahre vorgeplant. Andere Quellen, etwa von Le Monde befragte Experten, sprechen zwar eher von 15 statt zehn Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten. Doch ebenso wie Vertreter der EDF versuchen Regierungsmitglieder, den Aufwand herunterzuspielen.

Industrieminister Eric Besson sagte umgehend, der Strompreis für die Verbraucher werde dadurch »nicht einmal um zwei Prozent der Stromrechnung« steigen. Es deutet sich jedenfalls an, dass die zu erwartenden Mehrkosten für die Laufzeitverlängerung auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt werden sollen. Bislang behauptete die französische Regierung stets, der Preis einer Kilowattstunde Strom sei billiger als in Nachbarländern wie Deutschland. Dabei hatte EDF, um seine gigantischen Kapazitäten an Atomstrom loszuwerden, seit den siebziger Jahren den Privatkunden unsinnige und verschwenderische Einrichtungen wie uneffiziente elektrische Heizungen aufgedrängt und dadurch ihren Verbrauch in die Höhe getrieben.
Nun wird auch in der französischen Debatte um die Atompolitik, die seit dem Unfall in Fu­kushima kontroverser geworden ist, offensichtlich, dass es hohe verdeckte Kosten gibt. Der Umgang mit dem anfallenden Atommüll ist ebenso wenig in die offiziellen Kosten einbezogen worden wie der Sicherheitsaufwand oder die in Zukunft anstehenden Ausgaben für den Abriss ­radioaktiv verseuchter Anlagen der Nuklearindustrie. Ende Januar wird der nationale Rechnungshof eine erste Kalkulation für die verborgenen Kosten vorlegen. So ist es jedenfalls geplant.
Angesichts der vorgesehenen, sehr hohen Ausgaben für die Erhöhung der Reaktorsicherheit und den weiteren Betrieb stellen viele Beobachterinnen und Beobachter die Frage, warum überhaupt weitere Milliarden Euro in eine Technologie gesteckt werden sollen, die in weiten Teilen der Welt inzwischen als diskreditiert gilt. Nicht nur die Vorsitzende der französischen Grünen, Cécile Duflot, ist der Auffassung, dass diese Summen in »der Entwicklung und den Ausbau anderer Technologien der Energieversorgung« viel besser investiert wären.