Super Bowl der Superlative

Patriots und Giants – schon wieder

Im Super Bowl treffen zwei Offensivmannschaften aufeinander – was zur Saison prima passt. Und außerdem kommt Madonna.

In der National Football League ist die durch den nur knapp verhinderten Arbeitskampf geprägte Saison fast vorbei, nur der Super Bowl XLVI muss noch stattfinden. Und der ist die Wiederholung des vier Saisons zurückliegenden Endspiels: Die New England Patriots treffen auf die New York Giants. Nachdem es monatelang nicht sicher war, ob die Saison überhaupt stattfinden würde, weil die Clubbesitzer ihre Spieler ausgesperrt hatten, konnte sie schließlich gerade noch rechtzeitig beginnen. In dem Arbeitskampf war es um die Verteilung von neun Milliarden Dollar jährlich zwischen den Clubs gegangen. Und um verschärfte Dopingregeln – ein Punkt, der allerdings immer noch nicht geklärt ist, weil die Spie­lergewerkschaft sich weiterhin gegen Tests auf die Einnahme von Wachstumshormonen wehrt. Im schließlich beschlossenen Bargain Agreement, einer Art Tarifvertrag, wurde das Thema Doping ausgeklammert. Beide Seiten erklärten lediglich, sich einigen zu wollen, ein Termin wurde jedoch nicht genannt.
Die Zeit drängte schließlich, denn dem Arbeitskampf war bereits ein Großteil der Saisonvorbereitung zum Opfer gefallen. Die Trainingslager konnten nur noch in verkürzter Form abgehalten werden, die Hälfte der Vorsaisonspiele wurde gestrichen und die Spieler, deren Verträge nach der letzten Saison ausgelaufen waren, hatten zuletzt nur noch ein paar Tage Zeit, sich einen neuen Verein zu suchen oder doch noch einmal bei ihrem alten Verein zu verlängern.
Die Auswirkungen zeigten sich bereits bei den ersten Spielen der neuen Saison. Die Defence-Abteilung hatte offenkundig viel stärker unter der kürzeren Trainingszeit zu leiden als die Offence – Dan Marinos Rekord aus dem Jahr 1984 für die meisten Yards im Passspiel wurde gleich von zwei Quarterbacks, nämlich von Tom Brees (New Orleans Saints) und von Tom Brady, der bei den New England Patriots spielt, gebrochen.
Im Verlauf der Saison gelang es den Clubs nicht, die Defizite bei der Verteidigung zu beheben. Die vier besten Defensivteams erreichten zwar die Playoffs, schieden aber allesamt aus. Aber ausgerechnet die beiden Teams, die die meisten Yards pro Spiel abgaben, schafften es ebenfalls in die Playoffs. Im Super Bowl stehen sich folgerichtig nun zwei Mannschaften gegenüber, die im Verteidigungsranking die hinteren Plätze belegen – die Giants belegten Platz 27, die Patriots auf Rang 31 stellten sogar die zweitschlechteste Defence der gesamten Liga.
Entsprechend kann man beim diesjährigen Super Bowl wohl mit vielen erzielten Punkten rechnen. Vor vier Jahren hatte man sich noch recht knapp 17:14 getrennt, diesmal dürfte das Ergebnis weit spektakulärer ausfallen. Denn auch wenn die Headcoaches und Quarterbacks der Teams noch dieselben wie damals sind, haben sich die Teams doch inzwischen personell stark verändert. Bei der Defence der Patriots ist so gut wie kein Spieler mehr dabei, der auch schon in Super Bowl XLII spielte. David Tyree, Wide Receiver der Giants und der große Held des damaligen Super Bowls – die Szene, wie er einen Pass von Eli Manning halb mit einer Hand, halb mit seinem Helm fing, wird immer noch gern im US-Fernsehen wiederholt –, musste seine Karriere 2010 nach einer schweren Knieverletzung im Alter von 30 Jahren beenden. Ein wirklich großer Verlust ist das übrigens nicht, denn dieser gefangene Pass im Super Bowl war auch schon der Höhepunkt von Tyrees Karriere, bezeichnenderweise ist der englischsprachige Wikipedia-Artikel zu diesem Spielzug länger als der über David Tyree selbst.
Der damalige Sieg der New York Giants war aber auch deshalb eine Sensation, weil er die perfekte Saison von New England verhinderte. Die Patriots waren vorher bei jedem ihrer 18 Saison- und Playoff-Spiele als Sieger vom Platz gegangen und entsprechend haushoher Favorit. Und sie wollen nun gegen den gleichen Gegner keinesfalls noch einmal die großen Verlierer sein.
Spannend wird der Super Bowl jedoch nicht nur wegen der beiden beteiligten Teams, sondern auch aufgrund des diesjährigen Austragungsorts. Gespielt wird in Indianapolis im Stadion der Colts. Die waren dieses Jahr nicht nur das schlechteste Team der Liga und verpassten damit zum ersten Mal nach neun Saisons die Playoffs, weil ihr Quarterback Peyton Manning nach drei Operationen an der Nackenwirbelsäule im Jahr 2011 nicht spielen konnte. Peyton Manning ist auch der große Bruder von Eli, dem Quarterback der Giants. Mit einem Sieg könnte der kleine Bruder aus dem Schatten des großen treten, denn Peyton hat erst einen Super Bowl gewonnen – vor fünf Jahren. Es war das erste Mal, dass es zwei Brüdern als Quarterbacks gelang, den Superbowl zu gewinnen, und das auch noch in aufeinanderfolgenden Jahren.
Doch nicht nur, dass sein Bruder ihn in der Anzahl der gewonnen Super-Bowl-Ringe übertrumpfen könnte, der Gegner von Eli ist ausgerechnet Tom Brady. Seit Jahren streiten Experten darüber, wer der beste Quarterback der Liga ist, Peyton Manning oder eben Brady. Brady hat bereits drei Super Bowls gewonnen und könnte im Falle eines weiteren Sieges mit Terry Bradshaw und Joe Montana gleichziehen – kein Quarterback hat mehr als viermal gewonnen.
Bis der Super Bowl am 5. Februar ausgespielt wird, wird die Dreierkombination der Manning-Brüder und Tom Bradys in den US-Medien in allen Einzelheiten geschildert und analysiert worden sein. Besonders die Woche vor dem Spiel wird traditionell zum großen Medienereignis. Fernsehsender und Radiostationen berichten stundenlang von der Media Row, einer mit einer Messe vergleichbaren Veranstaltung, bei der sich Journalisten, Medienleute, ehemalige Spieler, Cheerleaders und mehr oder weniger Prominente treffen.
Dann wird es auch Spekulationen und Diskussionen über den für viele Menschen wichtigste Frage anlässlich des Super Bowl geben: Welche Firmen werden welche Unsummen bezahlen, um welche Spots ausstrahlen zu dürfen? Denn auch mitten in der Weltwirtschaftskrise wird eine neue Rekordsumme erwartet, obwohl die Wirkung von Werbung beim Super Bowl überschätzt wird. Ford stellte im vergangenen Jahr sein neues Explorer-Modell nicht während des Finales vor, sondern bewarb es in sozialen Medien wie Facebook. Um 200 Prozent effektiver sei die Online-Kampagne gewesen, freute sich das Unternehmen später.
Ein Werbespot von 30 Sekunden Dauer kostet in diesem Jahr gleichwohl durchschnittlich 3,5 Millionen US-Dollar. Bedenkt man dabei noch, dass während des Spiels in den letzten beiden Jahren jeweils mehr als 46 Minuten Werbung ausgestrahlt wurden, ergibt das gigantische Summen von über 200 Millionen Dollar für den jeweiligen ausstrahlenden Fernsehsender – umgerechnet auf die Einschaltquoten in den USA sind das mehr als zwei Dollar pro Zuschauer für die gesamte Werbestrecke.
Auch das Wettrennen um die Halbzeitshow ist entschieden. In diesem Jahr wird Madonna auftreten, Gerüchten zufolge unterstützt durch die britische Rapperin M.I.A. und Nicki Minaj, die auch an Madonnas angekündigter Single »Gimme All Your Luvin« mitwirkten, die als Teil der Show aufgeführt werden wird.
In Deutschland wird das Spektakel dieses Jahr von Sat 1 übertragen. Wer die deutschsprachigen Kommentatoren unerträglich findet, kann den digitalen Kabelsender ESPN America abonnieren. Oder im Internet zuschauen: In diesem Jahr wird der Super Bowl erstmals nicht nur im Fernsehen übertragen: NBC.com will genauso wie ran.de das Spiel als Livestream anbieten.