Hip, Hipper, Hipster?

Die Haare schön

Er legt Wert auf sein Aussehen, hört die richtige Musik, hat meist gute Umgangsformen, und trotzdem mag ihn niemand: den Hipster.

Sie tragen diese schrecklich engen Hosen, dazu irgendein Motto-T-Shirt, dessen Message niemand versteht, dazu kommt, je nach der ­aktuellen Bartmode, ein Schnauzer, Vollbart oder eine ähnliche Gesichtsbehaarung, die Tom Selleck, John Waters oder den Yeti zitiert, und selbstverständlich diese Brille, die man Nerdbrille nennt und die früher die Typen trugen, die nie auf Partys ein­geladen wurden, und die so schrecklich ist, dass sie schon wieder gut ist.
So ungefähr sieht er aus, der Hipster, der sich in den vergangenen Jahren vor allem in Berlin vom bestaunten Phänomen schnell zur Landplage entwickelt hat. Der Hipster wurde in Neukölln und Kreuzberg zu einer ähnlichen Hassfigur wie der Tourist, nicht zuletzt, weil der Hipster ja sehr oft auch nichts anderes ist als ein Zugereister aus Barcelona oder New York. Andere Berliner Stadtteile haben längst ähnliche Hassfiguren wie den Hipster entwickelt. Im Prenzlauer Berg ist das der »Schwabe«, in Friedrichshain der »Yuppie«, wobei der Yuppie meist auch ein Hipster ist, aber Friedrichshainer Autonome definieren ihre Feindbilder eben lieber in den Kategorien, die sie gewohnt sind. Nur in Berlin-Mitte ist der Hipster willkommen, weil Berlin-Mitte mit seinen ganzen Hipster-Läden für den Hipster etwas Ähnliches ist wie der Vatikan für den Katholiken.
Der eigentlich eher harmlose und etwas schrullige Phänotyp des Hipsters hat in den vergangenen Monaten für einiges Aufsehen in den deutschen Medien gesorgt. Kaum eine Zeitung, die keine Reportage über amerikanische Hipster gebracht hat, die sich in Berliner Szenekneipen auf Englisch unterhalten und nebenbei die Gentrifizierung ganzer Stadtteile vorantreiben.
Dem voran gingen die erstaunlich seriösen soziologischen Untersuchungen zum Hipster-Phänomen, die im Umfeld der New Yorker  Hipster-Zeitschrift n+1 veröffentlicht wurden. In US-amerikanischen Großstädten treibt der Hipster schon länger sein Unwesen, er ist sozusagen ein Exportartikel, den daheim anscheinend niemand mehr haben will. n+1 veranstaltete 2010 eine Podiumsdiskussion über den Hipster und widmete ihm dann eine ganze Ausgabe mit dem Titel »What Was the Hipster? A Sociological Investigation«. Die Texte sind Grundlage eines nun bei Suhrkamp erschienenen Buches. Das polemisch gemeinte »What was« hat der Verlag weggelassen, auch weil die Debatte um das Hipster-Phänomen bei uns einfach gegenwärtiger ist als in den USA. »Hipster« heißt das Buch nun bloß noch, außerdem dürfen deutschsprachige Autoren wie Thomas Meinecke und Eckhard Schuhmacher ein wenig Ehrenrettung für den Hipster betreiben, der in den aus dem n+1-Umfeld stammenden Texten schon arg verdammt wird. Entsprechend kündigt Suhrkamp das Buch im Untertitel als »eine transatlantische Diskussion« an.
Der Hipster, wie er sich mittlerweile darstellt, ist nach Lesart der n+1-Autoren ein ignoranter Oberflächensurfer. Er eignet sich nichts mehr an, um ernsthaft damit etwas auszusagen, sondern geht bloß ironisch mit dem Zitat um. Er shoppt sich seine Welt nicht mehr im subversiv-revolutionären Sinne zusammen, wie sich das die Cultural Studies und die Popkritik noch in den Achtzigern vom Jugendkulturteilnehmer erhofft hatten. Er sammelt durch seine Art des Konsums bloß Codes und Zeichensysteme, die nur noch auf sich selbst verweisen und letztlich nichts mehr aussagen. Der Hipster bewegt sich in einer Welt scheinbarer Coolness, die vom Hipster-Magazin Vice erschaffen wurde und in der political correctness als Bedrohung der individuellen Freiheit angesehen wird, American Apparel das neue H & M ist und und Porno etwas, das immerhin für die populäre Pornoästhetik von Terry Richardson oder Richard Kern gesorgt hat. Der Hipster schaut sich die richtigen Filme von Miranda July bis Mike Mills an und hört die richtige Musik von Arcade Fire bis Animal Collective, aber er weiß mit seinem kulturellen Kapital nichts Besseres anzufangen, als dieses als hohle Pose auszustellen. Der ein­zige Philosoph, den der Hipster kennen würde, heißt es an einer Stelle des Buches, sei Slavoj Žižek, und das auch nur deswegen, weil Žižek eben als hipper Philosoph gilt.
Ganz so einfach, wie sich das lesen mag, macht es sich n+1 bei seiner Typologisierung und Verdammung des Hipsters freilich nicht. In mehreren Schritten nähert man sich dem Hipster. Zuerst werden die Ergebnisse der New Yorker Hipster-Tagung referiert, zu diesen wurden Reaktionen eingefordert, dann kommen noch ein paar Essays und in der deutschen Ausgabe wird nochmals alles aus deutscher Sicht überprüft. Stets schwingt auch ein gewisser Zweifel an den eigenen Erkenntnissen mit, und auch die Gefahr, dass hier ein paar schlaumeiernde Intellektuelle über etwas herziehen, was sie milieu- oder altersbedingt nicht mehr verstehen, wird erkannt. Dass letztlich auch bloß Hipster über Hipster schrieben, dieser Vorwurf muss allerdings schon deshalb zurückgewiesen werden, weil Hipster – auch dies eine Erkenntnis des Buches – immer eine Fremdzuschreibung ist und kein Hipster sich jemals selbst »Hipster« nennen würde. Was, aber das nur nebenbei, bei den Yuppies erstaunlicherweise genauso ist.
Die Erkenntnis, dass sich die Figur des Hipsters, den es schon in den dreißiger Jahren gab und der dank Helden wie Boris Vian oder Jugendkulturen wie den Mods und Phänomenen wie den Beatniks eigentlich immer gut beleumundet war, als subversiver Sammler coolen Wissens heutzutage erledigt hat, ist nach der Lektüre des Bandes durchaus nachvollziehbar. Cooles Wissen hat im Zeitalter des Internet sowieso an Bedeutung verloren, darauf weist Tobias Rapp in seinem Essay hin, und damit wird sich der Hipster über kurz oder lang von selbst erledigen.
Leider schwingt bei all dem Hipster-Bashing, von den schlauen n+1-Autoren offenbar un­bemerkt, ein Hauch Homophobie mit, was Thomas Meinecke zumindest andeutet, wenn er sich mal wieder für Disco und deren Codes von Queerness stark macht. Androgyn und mit Schnauzer, Tennissocken und Jogginghose läuft auch mein schwuler Nachbar immer rum.

Mark Greif (Hg.): Hipster – eine transatlantische Diskussion. Suhrkamp, Berlin 2012, 207 Seiten, 18 Euro