Die Stille nach dem Schmerz

Der Andrang im Berliner »Haus der Kulturen der Welt« ist groß. Die Masse von Menschen, die mittlerweile die Treppe erreicht haben, kommt nur noch in Zeitlupe voran. »Spectral« lautet das Thema des diesjährigen »Club Transmediale«, und das passt gut zur Retromania der gegenwärtigen Popkultur und zu den Projektionen der Künstlergruppe Joshua Light Show, die bewusst auf dem Entwicklungsstand der sechziger Jahre verharren. Gearbeitet wird mit Diaprojektoren, Farbrädern, Spiegeln oder öligen Flüssigkeiten im Glas. Joshua White gründete die Light Show 1967 in New York, die bei Konzerten für die Hintergrundanimation sorgte. Die psychedelischen Projektionen verzauberten schon die Fans von Jimi Hendrix. Die vielen Menschen, die sich am Freitag voriger Woche versammelt haben, hoffen vermutlich auf die Erfüllung eines Glücksversprechens. Zumindest wurden die von der Joshua Light Show begleiteten Konzerte der Transmediale von Manuel Göttsching und Supersilent geradezu euphorisch besprochen. Von der »schönsten Geistererscheinung« und einem »Hauch Glückseligkeit« war die Rede. Heute macht Daniel Lopatin als Oneohtrix Point Never die Musik. Dass er mit einer banalen Vorstellung von Glück nichts anfangen kann, wird schnell klar. Lopatin quält sein Publikum mit fiependen Geräuschen. Nach dem betäubenden Schmerz im Ohr setzt ein pulsierendes Hämmern im Kopf ein. Instinktiv weicht man vor dieser musikalischen Attacke zurück, leider lassen die Bässe den Sessel entlang der Wirbelsäule vibrieren. Die Light Show, die bei anderen Konzerten sicher an eine wohlige Welt voller Lava-Lampen und ferne Galaxien denken lässt, verstärkt den bedrohlichen Effekt. Plötzlich glaubt man, auf der Leinwand flirrendes Körpergewebe zu sehen. Taumelnd verlässt man den Saal. Draußen ist man erleichtert, endlich das Knirschen der eigenen Schritte im Schnee wieder hören zu können. Wie diese Veranstaltung ganz stilgerecht retromäßig auf LSD gewesen wäre, möchte man sich gar nicht erst vorstellen.