Streit in der sächsischen NPD

Ärger mit der Altherrenrunde

Der Konflikt zwischen Befürwortern der »seriösen Radikalität« und ihren nationalrevolutionären Gegnern hinterlässt Spuren: Der NPD-Verband in Sachsen gibt derzeit ein schlechtes Bild ab.

Der Landesverband der NPD in Sachsen galt über viele Jahre als ein Musterbeispiel für die effektive Arbeit innerhalb der bundesdeutschen Naziszene. Seit der Wahl von Holger Apfel zum Bundesvorsitzenden der Partei im vergangenen Jahr steckt der sächsische Verband jedoch in einer schweren Krise. Die langjährigen Streitigkeiten zwischen dem aktionistischen Nachwuchs und den auf Seriosität bedachten Anhängern Apfels eskalierten in den vergangenen Monaten. Der vorläufige Höhepunkt war die Entlassung des Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten, Tommy Naumann, als Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Derzeit klagt Naumann wegen der Kündigung gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht. Dass das Verhältnis zwischen den Anhängern Apfels und dem Parteinachwuchs zerrüttet ist, bestätigt die Sprecherin für antifaschistische Politik in der Landtagsfraktion der Linkspartei, Kerstin Köditz, im Gespräch mit der Jungle World: »Holger Apfel und seine Demontagegruppe verhalten sich momentan wie die inkompetente Führung eines Abrissunternehmens in Konkurs.« Organisatorisch wurde der Landesverband ihrer Einschätzung nach auf den Stand vor der Jahrtausendwende zurückgeworfen. In den vergangenen Monaten gab es neben dem Bruch mit dem JN-Landesvorsitzenden, der sich im Leipziger Kreisverband der NPD betätigt, noch weitere Auseinandersetzungen. So verließ der Stadtrat Steffen Hentschel im ostsächsischen Rothenburg Ende 2011 die Partei. Seine Gaststätte »Zur deutschen Eiche« hatte sich zu einem der bedeutendsten Veranstaltungsstandorte für die Naziszene entwickelt. Dort besuchten im vergangenen November über 1 300 Nazis ein Konzert des ehemaligen Sängers der Band Landser, Michael »Lunikoff« Regener. Im Stadtrat von Stolpen stellte Martin Schaffrath Anfang März den Antrag, »aus einem wichtigen Grund« sein Mandat niederlegen zu dürfen. Er gilt als ein Anführer der militanten Nazis in der Sächsischen Schweiz, betreibt das Szenegeschäft »The Store« in Pirna und wurde wegen der »Aufrechterhaltung der kriminellen Vereinigung Skinheads Sächsische Schweiz« verurteilt. Im Leipziger Land trat der gesamte Kreisvorstand um den langjährigen Kader und ehemaligen Landtagsmitarbeiter Marcus Müller aus Wurzen zurück. Das Kreisratsmitglied Sven Tautermann trat aus der NPD aus. Ähnliche Konflikte gibt es auch in zahlreichen anderen Kreisverbänden, unter anderem in Chemnitz und in Mittelsachsen. Die Abtrünnigen stören sich vor allem am vermeintlich seriösen, bürgerlich-konservativen Habitus der Anhänger Apfels, mit dem auch der neue NPD-Landesvorsitzende Mario Löffler demonstrativ auftritt. Löffler ist ein enger Vertrauter Apfels. Bei den überwiegend jungen Parteimitgliedern des Landes, die eher eine nationalrevolutionäre, aktionsorientierte Politik befürworten, hat er keinerlei Rückhalt. Er passt jedoch perfekt zu Apfels Strategie der »seriösen Radikalität«. Noch desaströser wird das Gesamtbild der sächsischen NPD, wenn man den Blick auf scheinbar funktionierende Kreisverbände richtet, wie beispielsweise in Dresden. Der Kreisverband betätigt sich hauptsächlich virtuell. Im Dresdner Stadtrat hecheln die beiden NPD-Stadträte Jens Baur und Hartmut Krien den von den demokratischen Parteien bestimmten Themen hinterher. In der Eigendarstellung sieht das freilich anders aus. Auf der Homepage und dem Facebook-Profil des Kreisverbands werden vierteljährlich große Kampagnen angekündigt, bei denen sich die Partei aber meist darauf beschränkt, Flugblätter zu verteilen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Kreisverbandes sollte einer Rede des Vorsitzenden Baur auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen November zufolge die Kampagne »Eine Stadt sagt nein« werden, die Hetze gegen die Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge in Dresden betreiben sollte. Allerdings schaffte es die Partei in diesem Fall nicht einmal, Flugblätter zu verbreiten. Der Kreisverband hatte für die Flyer und Aufkleber unautorisiert ein Foto des britischen Fotografen Christian Sinibaldi verwendet. Der Verstoß gegen das Urheberrecht führte zu einer Razzia der Staatsanwaltschaft Dresden in den Geschäftsräumen des Landes- und Kreisverbands. Das Kampagnenmaterial wurde beschlagnahmt. Die NPD musste eine Unterlassungserklärung unterschreiben und knapp 1 000 Euro zuzüglich der Anwaltskosten zahlen. Um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, stellte Baur im Namen des Kreisverbandes im Februar einen Antrag beim »Lokalen Handlungs- und Aktionsplan« der Stadt Dresden. Die Partei ersuchte um einen Zuschuss von mehr als 3 800 Euro für die Herstellung einer Broschüre zum Thema »Linksextremismus in Dresden«. In der Beschreibung des Vorhabens heißt es: »Zusätzlich soll durch das Projekt auch der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit von Linksextremisten gegen national eingestellte Bürger entgegengewirkt werden.« Außerdem solle »ein wichtiger Beitrag zur weiteren Vernetzung von NPD und freien Kräften in Dresden geleistet« werden. Der Stadtsprecher Kai Schulz sagte der Jungle World, dass politische Parteien grundsätzlich vom Förderprogramm ausgeschlossen seien, da es sonst zu einer verfassungsrechtlich verbotenen verdeckten Parteifinanzierung käme. Dies scheint dem Kreisverband entgangen zu sein. Er hat ebenso wie der NPD-Landesverband an Rückhalt in der Naziszene verloren, die sich immer offener distanziert. Auf den Websites partei­unabhängiger Nazis in Sachsen verschärft sich der Ton gegen die NPD. Auch langjährige Mitstreiter wenden sich öffentlich ab. So schrieb der Dresdner Nazikader Sven Hagendorf im Oktober 2011 auf seinem Facebook-Profil, dass es »sinnlos« sei, die Partei bei der Aufstellung eines Informationsstands zu unterstützen. Sie habe noch immer nicht begriffen, dass man innerhalb des Systems nichts verändern könne. So kommt Simone Ritter vom Antifa-Recherche-Team Dresden (ART) zu einem Schluss, welcher der eigenen Darstellung der NPD als junge, dynamische Partei deutlich widerspricht: In Dresden werde sie von einer biederen »Altherrenrunde« geprägt. In anderen Verbänden sehe es derzeit nicht anders aus.