Feldstudien der Liebe

»Liebe wird oft überbewertet« heißt ein besonders schöner Popsong von Christiane Rösinger, ein lakonisches Anti-Liebeslied, in dem der Liebe so beiläufig abgeschworen wird, als ginge es um den Verzicht auf umweltschädliche Reinigungsmittel. »Liebe wird oft überbewertet« ist auch der Titel des neuen Buchs von Rösinger, das, halb Sachbuch, halb Tagebuch, eine Abrechnung mit der »Pärchenlüge« versucht. Romantische Zweierbeziehungen, kurz »RZB« genannt, sind für die sich im Bekanntenkreis, in der Literatur oder in der Popkultur umschauende Paarkritikerin durchweg öde Angelegenheiten. In jedem knutschenden Pärchen im Park erkennt sie schon das bored couple von morgen, das sich stumm am Esstisch gegenübersitzt und weder miteinander schläft noch spricht. Statistiken und Studien werden herangezogen, Theorien über die Liebe referiert, das meiste davon kennt man bereits. Viel lieber liest man, wenn Rösinger auf eigene Faust Feldstudien über Liebe im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg betreibt oder von Paaren berichtet, die sich beim Sektfrühstück in einem Romantikhotel in Hamburg stumm gegenübersitzen. Dass Single sein auch kein Spaß ist, jedenfalls nicht über die Osterfeiertage und im Sommer auch nicht, lernt man ebenfalls in diesem Buch. Aber daran sollen einzig und allein die ­vielen Pärchen schuld sein.

Christiane Rösinger: Liebe wird oft überbewertet. ­Fischer, Frankfurt am Main 2012, 208 S., 13,99 Euro