Proteste in Kairo gegen die Einmischung des Westens in die ägyptische Politik

Nur Araber dürfen zahlen

Gegen jegliche westliche Einmischung protestieren Ägypter vor der US-Botschaft in Kairo.

An der Kreuzung vor der amerikanischen Botschaft haben sich rund 400 Menschen zu einer Demonstration zusammengefunden. Eine der wenigen Frauen hält eine Pappe mit der Aufschrift »US-Botschafter raus« hoch. Andere tragen Schilder gegen amerikanische Einmischung. Grund für den Protest am Freitag voriger Woche in Kairo ist die Zusage der USA, Ägypten weiterhin 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe pro Jahr zu gewähren.
»Seit der Revolution tragen wir Ägypter den Kopf hoch«, sagt ein Demonstrant und legt den seinen so weit in den Nacken, dass man denken muss, er meine das negativ. Tut er aber nicht. »Wir haben unsere Würde wiedererlangt. Wir wollen kein Geld«, sagt er. Weitere Demons­tranten gesellen sich hinzu, fotografieren, stellen Fragen nach Namen, Wohnort, Auftraggeber, verlangen den Presseausweis. Offenbar vermuten sie eine ausländische Intervention.
Es stört sie weniger, dass die Finanzhilfe der USA für das autoritär regierende Militär bestimmt ist. Der Wortführer wiederholt: »Keine Einmischung von außen, verstehen Sie das? Nicht von Amerika und nicht von Europa.« Was ist mit Saudi-Arabien und Katar, die schicken doch auch Geld? »Das sind arabische Länder. Das geht nicht gegen unsere Würde.« Einer Meinungsumfrage des amerikanischen Gallup-Instituts vom Februar zufolge sind 80 Prozent der Ägypter gegen amerikanische Finanzhilfen, im April 2011 waren es noch 50 Prozent. 85 Prozent sprechen sich gegen amerikanische Finanzhilfe für zivilgesellschaftliche Gruppen aus.

Nur wenige Meter entfernt hocken einige Frauen auf der Fahrbahn. Über ihnen versperren Transparente die Straße, die zur US-Botschaft führt. Sie fordern die Freilassung des »blinden Scheichs«. Der Ägypter Sheikh Omar Abd al-Rahman wurde 1995 in den USA wegen Beteiligung an den Anschlägen auf das World Trade Center 1993 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der seit seinem vierten Lebensjahr erblindete Scheich ist Mitglied der Jama’a Islamiya, die für zahlreiche Anschläge auf Touristen verantwortlich waren. Nun haben die Jama’at der Gewalt abgeschworen und eine Partei gegründet. Die Agitation für die Freilassung des »blinden Scheichs« ist nichts Neues in Ägypten. Neu ist aber das permanente Sit-in direkt vor der amerikanischen Botschaft. Ende Februar meldete der Fernsehsender al-Arabiya, die US-Regierung erwäge, Abd al-Rahman und 49 weitere Gefangene im Austausch gegen die inhaftierten Mitarbeiter von amerikanischen Nichtregierungsorganisationen freizulassen. Im Dezember waren 43 NGO-Mitarbeiter festgenommen worden, darunter neun Amerikaner und zwei Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Tatsächlich hatten die USA jedoch keinen Gefangenenaustausch in Aussicht gestellt, sondern die Militärhilfe vom Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht. Anfang März ließ die ägyptische Militärregierung 17 der Angeklagten ausreisen. Die Anklage gegen sie bleibt jedoch bestehen. Sie sollen mit ausländischem Geld ihre eigenen Interessen in Ägypten verfolgt haben. Wie das geschehen sein soll, darüber kursieren Gerüchte.

Vom Tahrir-Platz aus beobachtet der Ladenbesitzer Aktham die Demonstration gegen amerikanische Finanzhilfen. Glücklich ist er nicht dar­über. Aber er kann die Demonstranten verstehen. Die Menschen seien wütend, weil die Angeklagten ausreisen durften. »Die Regierung hat herausgefunden, dass diese Menschen Geld aus dem Ausland genommen haben, um hier Häuser in Brand zu stecken«, sagt er.
Am Abend versammelt sich eine ganz andere Menge. Aktivisten wollen eine der Mauern einreißen, die das Militärregime nach den Ausschreitungen im Dezember an den Zufahrtswegen zum Tahrir-Platz erreichtet hat. Es sind junge Menschen, einige klettern auf die Mauer, strecken die Arme zum Siegeszeichen in die Luft. Die Menge ruft: »Weg mit dem Militärregime!« Viele twittern Fotos der Mauerkletterer. Es ist das neue Ägypten, das vor einem Jahr die Welt begeisterte. »Wir haben die Revolution gemacht«, sagt eine Aktivistin. »Aber es ist wahr, wir sind nicht die Mehrheit.«