Die CDU in Schleswig-Holstein hetzt gegen die Partei der dänischen Minderheit

Politik statt Smørrebrød

Die CDU ist in Schleswig-Holstein neuerdings in der Opposition. Zurzeit macht sie mit Warnungen vor der »Dänenampel« und anderer antidänischer Propaganda auf sich aufmerksam.

»Stabile Regierung statt Dänenampel« hieß es in der Schlussphase des Wahlkampfs in Schleswig-Holstein auf Plakatwänden der CDU, als die Partei in Umfragen Stimmen einbüßte. »Der SSW erklärt sich bereit, zum Steigbügelhalter einer wackligen Dreierkoalition zu werden«, schrieb die CDU in einem Flugblatt. »Das wäre eine Katastrophe für Schleswig-Holstein und teuer für unser Land.« Denn schließlich trete »der SSW erneut an, unsere Gemeindestruktur zu zerstören«.
Dabei geht es dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) schlicht um die Demokratisierung der Gemeindeverwaltungen. Der SSW ist in den kleinen, grenznahen Gemeinden im Norden kommunalpolitisch sehr engagiert. Kleine Gemeinden werden hauptsächlich von nichtgewähltem Amtspersonal verwaltet. Der Verband möchte kleine Kommunen zu Gemeinden mit einer Mindestgröße von 8 000 Einwohnern zusammenfassen. Das würde den gewählten Gemeindevertretern nach Ansicht des SSW endlich ein ausreichendes Budget verschaffen, »um tatsächlich wichtige Entscheidungen für die Menschen vor Ort treffen zu können«.

Dass die CDU von einer »Zwangszusammenlegung« sowie der Zerstörung der Gemeindestrukturen sprach und auf nationale Stimmungsmache gegen den SSW setzte, war kein Zufall. Der 1948 gegründete SSW versteht sich als Interessenvertretung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Bis zum Deutsch-Dänischen Krieg 1864 gehörte das Gebiet zu Dänemark. Das siegreiche Preußen betrieb dort eine Germanisierungspolitik, von der zahlreiche Kriegerdenkmäler zeugen. Altona, das 1937 von den Nazis im Rahmen des sogenannten Groß-Hamburg-Gesetzes eingemeindet wurde, war bis 1864 die zweitgrößte dänische Stadt. Seit Jahrzehnten gibt es dort die von Autonomen initiierte Kampagne »Altona skal være dansk« – »Altona muss zurück an Dänemark«.
Dänemark trat in der Vergangenheit als Schutzmacht der dänischen Minderheit auf. So verpflichteten sich Dänemark und Deutschland 1955 in einem Abkommen zum Schutz der Minderheiten beiderseits der Grenze. Seitdem ist der SSW von der Fünfprozentklausel befreit und erhält auch bei einem niedrigeren Stimmenanteil eine entsprechende Anzahl an Mandaten.
Diese Regelung kritisierte die im hohen Norden besonders deutschnationale Union in den vergangenen Jahrzehnten immer dann, wenn die Stimmen des SSW im Landtag eine entscheidende Rolle spielten. Dies war etwa 1987 der Fall, als die Wahl Uwe Barschels zum Ministerpräsidenten am SSW scheiterte: Ihr Abgeordneter Karl Otto Meyer stimmte gegen Barschel. Es folgten Neuwahlen, welche die CDU verlor. Franz Josef Strauß tobte damals: »Man darf doch ein Bundesland nicht von einem Dänen regieren lassen!«
Meyer war noch weiteren deutschen Politikern verdächtig, hatte er sich doch im Zweiten Weltkrieg der dänischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung angeschlossen. »Deutsche Politiker haben mich auch gefragt: Du hast doch nicht etwa auf deutsche Soldaten geschossen?« erzählte er in einem Interview mit der Zeitschrift Gegenwind. »Ich sage, dass ich auf keinen Menschen schießen will, ob er Deutscher, Franzose oder Pole ist. Aber wenn ich schießen würde, dann würde ich schießen für die Demokratie und nicht für die Diktatur.«
Die Rolle der Scharfmacher übernimmt derzeit die Junge Union (JU). Ihr Landesvorsitzender Frederik Heinz warnte vor einem »instabilen Dreierbündnis mit dem SSW« und einer »linken Chaoskoalition«. Die Spitzenkandidatin des SSW, Anke Spoorendonk, die nun die Koalitionsverhandlungen führt, warf der CDU vor, »Vorurteile zu kolportieren«. So schlimm wie nach den Landtagswahlen 2005 ist die antidänische Stimmungsmache zurzeit aber nicht. Damals wollte der SSW eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren. Abgeordnete des SSW erhielten Drohbriefe, Spoorendonk stand wegen einer Morddrohung unter Polizeischutz. Bei der entscheidenden Abstimmung scheiterte die rot-grüne Minderheitsregierung von Heide Simonis damals.

Seither haben CDU und FDP den SSW mit ihrer Politik geradezu gedrängt, Rot-Grün zu unterstützen. Der Verband vertritt keine explizit linke Programmatik. Seine Sozialpolitik orientiert sich am alten skandinavischen Wohlfahrtsstaat. Trotz seiner unternehmerfreundlichen Wirtschaftspolitik geriet er deshalb mit der bisherigen schwarz-gelben Regierung regelmäßig aneinander, deren Sparpolitik sich auch gegen soziale Einrichtungen richtete. Der Spitzenkandidat der CDU, Jost de Jager, habe auch genau gewusst, dass »die Koalitionsaussage des SSW vor dieser Landtagswahl von der CDU selbst verschuldet wurde«, sagte Spoorendonk. »Der SSW kann nicht mit einer Partei vertrauensvoll zusammenarbeiten, die es vollkommen in Ordnung findet, die Kinder an den dänischen Schulen zu diskriminieren. Es ist nur eine Frage der politischen Redlichkeit, dieses schon vor der Wahl klar zu sagen.«
Keine Maßnahme brachte die dänische Minderheit in der vergangenen Legislaturperiode so gegen die alte Landesregierung auf wie die Kürzung der Zuschüsse für die dänischen Schulen im Land. Diese erhalten seit zwei Jahren nur noch 85 Prozent der Zuwendungen für vergleichbare deutsche Schulen (siehe Jungle World 28/2010). Dagegen gab es zuletzt Ende April in Flensburg eine große Demonstration, an der sich 10 000 Menschen beteiligten. Diese weithin als diskriminierend kritisierte Kürzung dürfte von einer neuen Regierung zurückgenommen werden. Dazu sieht sich der SSW gegenüber seiner Wählerschaft verpflichtet, wie Vertreter des SSW, allen voran Spoorendonk, bereits am Tag nach der Wahl in der dänischsprachigen Tageszeitung Flensborg Avis versicherten.
Deren Autor Bjarne Lønborg kritisierte in einem Leitartikel die Propaganda der Union gegen die vermeintliche Unzuverlässigkeit des SSW. Die CDU stellt sie jedoch keineswegs ein. Die JU befand in der vergangenen Woche, eine »Dänenampel« sei nicht verfassungsgemäß, da der SSW zu Unrecht von der Fünfprozentklausel befreit sei. »Für die Junge Union ist der SSW eine gewöhnliche linke Programmpartei«, sagte der Landesvorsitzende Heinz. Er erklärte den Minderheitenschutz im Wahlrecht insgesamt für obsolet: »Unabhängig vom Status des SSW als Minderheitenpartei ist die Befreiung anderer möglicher Parteien der dänischen Minderheit von der Fünfprozenthürde im Landeswahlgesetz für uns nicht mehr zeitgemäß.« Die Rolle einer Minderheitenpartei stellt sich die CDU ohnehin ganz anders vor. »Statt die Themen der dänischen Minderheit zu vertreten, schlägt sich der SSW jetzt parteipolitisch auf die Seite von Rot-Grün«, hieß es in einer Erklärung des Landesverbands. »Wir werden deutlich machen, dass der SSW im Kern eine linke Partei ist, deren Ausgabewünsche noch über die Forderungen der SPD hinausgehen.«
Dass der SSW also wie eine ordentliche Partei Politik in allen Bereichen betreibt und nicht der folkloristischen Brauchtumspflege nachgeht, stört die Union. So wettert sie auch dagegen, dass der Verband im ganzen Bundesland kandidierte, nicht nur im Norden. »Anstatt sich auf die Siedlungsgebiete der dänischen Minderheit zu beschränken, hat der SSW bei der vergangenen Landtagswahl Kandidaten in Wahlkreisen aufgestellt, die keinerlei Verbindung zur Minderheit aufwiesen«, beklagte Heinz.

Dass der SSW sich nicht als Abstammungsgemeinschaft versteht, ist der Union offensichtlich suspekt. So kann jeder schleswig-holsteinische Bürger Parteimitglied werden. Genauso dürfen alle Eltern ihre Kinder an dänischen Schulen oder Kindergärten anmelden – einzige Bedingung ist, dass die Kinder Dänisch lernen. Da die dänischen Schulen die einzigen Gesamtschulen im Land sind, sind sie auch für Eltern interessant, die nicht Dänisch sprechen. Wegen dieser Politik wird der SSW gewählt, nicht als Klientel- und Brauchtums­partei, wie es die CDU gern hätte.