Über die Probleme der afrikanischen Währungsgemeinschaften der CFA

Schlimmer als Griechenland

Die Währungen der west- und zentral­afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CFA sind an den Euro gekoppelt. Deren strukturschwache Mitgliedsstaaten haben dadurch ähnliche Probleme wie die kriselnden Euroländer.

Kaum hatte das neue Millenium begonnen, war die erste Hoffnung schon begraben. Im Mai 2000 titelte The Economist, das weltweit wahrscheinlich wichtigste Wirtschaftsmagazin: »Africa, the Hopeless Continent«. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Rede vom hoffnungslosen Kontinent zum stehenden Begriff in allen Dokumentationen und Nachrichten über die Staaten Afrikas – und zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Nur etwas über ein Jahrzehnt später änderte sich die Einschätzung des Economist jedoch radikal. Im Dezember 2011 ging es im Leitartikel nun vielmehr um »Rising Africa«, in vielen afrikanischen Volkswirtschaften seien »kleine Lokomotiven« für ein globales Wirtschaftswachstum zu erkennen.
Unter anderem bezogen sich die Redakteure auf einen Bericht der Beratungsfirma McKinsey aus dem Jahr 2010. »Der Ertrag ausländischer Investitionen in Afrika ist höher als in jeder anderen Entwicklungsregion«, heißt es darin. Mit einem Durchschnittswachstum von 2,7 Prozent handele es sich bei Afrika um »eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen weltweit«. Die Wachstumsraten hätten sich gegenüber den achtziger und neunziger Jahren verdoppelt. Vor allem die Kapitalflüsse hatten es den Analysten angetan. Die Direktinvestitionen seien von neun Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 62 Milliarden Dollar im Jahr 2009 angestiegen. Obwohl ein Großteil davon für die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verwendet wird, profitierten auch der Tourismus, der Bausektor – der angesichts der Verstädterung kaum die Nachfrage bedienen kann – und der Banken- und Telekommunikationsbereich. Auch einzelne Branchen des verarbeitenden Gewerbes befänden im Aufschwung. McKinsey wäre nicht McKinsey, wenn nicht die geringen Löhne, die fehlende soziale Absicherung und die Privatisierung der Infrastruktur in den meisten Ländern Afrikas als »gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit« gelobt und für den Aufschwung verantwortlich gemacht würden. Das Fazit des Berichts überrascht nach Jahrzehnten des Abschreibens eines ganzen Kontinents dennoch: »Globale Entscheidungsträger und Inves­toren können es sich nicht erlauben, den Aufschwung zu ignorieren.«

Wenn von einem »Afrika-Boom« (Der Spiegel) die Rede ist, dann vor allem von der »Schweiz Afrikas«, Botswana, den Ölstaaten Nigeria und Angola und den Mitgliedern der neu gegründeten East African Community (EAC), zu der Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und Burundi gehören, die einen afrikanischen Binnenmarkt bilden wollen. Nicht genannt werden dagegen in vielen der Berichte und Anlageanalysen die ehemaligen Kolonien Frankreichs in West- und Zentralafrika, die in den zwei Währungsgemeinschaften der Communauté Financière Africaine (CFA) zusammengefasst werden. Für die westafrikanischen Länder Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo gibt die Banque Centrale des États de l’Afrique de l’Ouest (BCEAO) die gemeinsame Währung CFA-Franc BCEAO aus. Das ehemalige Französisch-Äquatorialafrika ist zur zentralafrikanischen Währungsgemeinschaft CFA-BEAC geworden, die aus der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun, dem Tschad, der Republik Kongo, Äquatorial-Guinea und Gabun besteht. Dort emittiert die Banque Centrale des États d’Afrique Centrale (BEAC) den CFA-Franc BEAC. Für all diese Staaten galten die teilweise euphorischen Wachstumsprognosen bisher kaum. Im vergangenen Jahrzehnt lag die durchschnittliche Wachstumsrate dieser 14 Länder immerhin mehr als zwei Prozentpunkte unter denen des afrikanischen Durchschnitts, seit der Krise hatten fast alle Staaten teils starke Wachstumseinbrüche.
Ein Blick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eckdaten verdeutlicht die Misere. Sechs der acht Länder der westafrikanischen Währungsunion mussten bereits Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Alle Staaten der beiden Gruppen gehören zu den Ländern mit den niedrigsten Einkommen der Welt, gleichzeitig aber auch zu den höchstverschuldeten Entwicklungsländern. Laut einem Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) müssen 90 Prozent der Menschen in den 14 Ländern mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Die Lebenserwartung in den CFA-Staaten ist durchweg niedriger, die Kindersterblichkeit höher als im afrikanischen Durchschnitt. In der Mehrzahl der Länder sind mehr als 50 Prozent der Bevölkerung Analphabeten, dafür ist die Korruption weiter verbreitet und die soziale Ungleichheit größer als in den Nachbarstaaten.

Für die im innerafrikanischen Vergleich insgesamt schlechtere Lage dieser Staaten scheint die CFA zumindest mitverantwortlich zu sein. Gegründet wurde die Währungsgemeinschaft bereits 1945, damals noch unter dem Namen Colonies Françaises d’Afrique, um die beiden CFA-Francs als universelle Zahlungsmittel in den Kolonien einzuführen. Trotz aller Veränderungen im Zuge der Entkolonialisierung ist deren Prinzip bis heute erhalten geblieben: Die BCEAO und die BEAC emittieren an den Euro gekoppelte Währungen, über die die ehemalige Kolonialmacht weit­gehend unverändert Kontrolle ausübt. Zunächst lag das Verhältnis zum französischen Franc bei 50 : 1, seit 1994 bei 100 : 1 und heute zum Euro bei 1 000 : 1,5245.
Diese postkoloniale Vorherrschaft gründet bis heute auf Prinzipien, die jegliche währungspolitische Souveränität der Staaten der beiden CFA-Räume ad absurdum führen. Alle Entscheidungen werden von Verwaltungsräten getroffen, in denen die französischen Vertreter der französischen Zentralbank entweder über ein Veto verfügen (BCEAO) oder wegen der notwendigen Einstimmigkeit jegliche Entscheidung blockieren können (BEAC). Zudem sind die beiden Währungen weder miteinander noch mit anderen Währungen konvertibel und müssen so entweder mit Genehmigung der französischen Zentralbank oder über den Umweg nach Paris und dem Umtausch in Euro für den Außenhandel nutzbar gemacht werden. Zur Absicherung dieses ungleichen Verhältnisses sind die Zentralbanken der CFA-Mitgliedsstaaten gezwungen, 85 Prozent ihrer Währungsreserven bei der Staatskasse des französischen Finanz-, Wirtschafts- und Industrieministeriums als Sicherheit zu hinterlegen.
All dies hat Frankreich bis heute eine Hegemonie über diese Staaten gesichert, die vom Kolonialstatus nur wenig entfernt ist. So werden nach wie vor mehr als 50 Prozent des Außenhandels mit der ehemaligen Kolonialmacht realisiert. Der ehemalige Präsident des Senegal, Sanou Mbaye, bezeichnete in einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau daher das System der CFA als »Selbstbedienungsladen« des nunmehr »informellen Imperiums«. Frankreich sichere sich im Bündnis mit den Eliten der betreffenden Länder einen riesigen Markt für seine Produkte, eine beständige Versorgung mit billigen Rohstoffen, die Aneignung des Löwenanteils der lokalen Ersparnisse durch die exorbitant hohen Zinssätze und die Kapitalflucht ins Mutterland, konkurrenzlosen politischen Einfluss und kostenlose strategische Präsenz auf Militärbasen.
Zu einem ähnlichen Urteil gelangte bereits der senegalesische Wirtschaftswissenschaftler Demba Moussa Dembélé in einem Artikel für Le Monde diplomatique nach der Einführung der Euro-Bindung der CFA-Francs. »Recht besehen, verhindert der CFA-Franc jede eigenständige Wirtschafts- und Sozialpolitik der betreffenden Staaten«, so Dembélé. »Er bremst die Entwicklung, und er behindert die regionale Integration.« Investitionen in den Währungsraum gibt es so kaum. Lediglich die Côte d’Ivoire konnte in den vergangenen Jahren die vergleichsweise geringe Summe von 500 Millionen Euro an Direktinvestitionen verbuchen, was fast die Hälfte des gesamten ­Volumens der 14 Staaten ausmachte.

Zum Lehrstück könnte das Beispiel des CFA-Franc währungspolitisch auch für den »Südblock« der Euro-Zone werden. Denn wie die PIIGS-Staaten verfügen die Länder des CFA-Raums über überbewertete Währungen, die sie selbst nicht abwerten können. Bereits 2001 schätzte die Weltbank die Überbewertung der CFA-Francs auf 53 Prozent. Seitdem dürfte das Missverhältnis aufgrund der immer größeren Strukturschwäche der Länder zugenommen haben. Nicolas Agbohou, ivorischer Ökonom und Politikwissenschaftler, verglich unlängst die notorische Überbewertung des CFA-Franc mit einer »nuklearen Waffe gegen die gesammelten francoafrikanischen Volkswirtschaften«, weil sie eine »künstliche Verteuerung« der einheimischen Produkte zur Folge habe, die, zusätzlich verteuert durch den immer schwächeren Dollar, nicht nur den Aufbau eigenständiger Industrien verhindere, sondern auch die Märkte für Agrarprodukte schließe. Insbesondere durch die Verbilligung der hochsubventionierten Agrarprodukte der EU fänden die einheimischen Bauern keine Absatzmärkte und würden zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungen. EU-Hilfen oder »Rettungsschirme« sind für die ehemaligen Kolonien natürlich nicht vorgesehen.
Zugespitzt gesagt, ist die Situation der Länder des CFA-Raumes somit nur um ein Vielfaches schlimmer als die des Souveränität verlierenden Griechenlands. So überrascht es auch nicht, dass mancher deutsche Politikberater im System des CFA-Franc auch Gutes erblickt. Cord Jakobeit vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg beharrt trotz der Kritik am exklusiven französischen Zugriffsrecht darauf, dass die Konvertibilität der Währung zum Euro »für Stabilität und Sicherheit« sorge. Unternehmen könnten langfristig planen, was wiederum Investitionsanreize schaffe. Starke Währungsschwankungen wie in anderen afrikanischen Staaten würden verhindert und ein insgesamt sicheres Investitionsklima geschaffen. Eben wie in Griechenland, nur viel schlimmer.