Spurensuche und Spurenvernichtung

Geisterstunde

Die Spurensuche von NSU-Ermittlern im Jenseits blieb ergebnislos. Erste Erfolge lassen sich hingegen im Spurenvernichten verzeichnen.

Die sogenannte Aufklärung der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), die aus angeblich unerfindlichen Gründen immer wieder scheiterte, hat sich als erbärmliche Farce entpuppt. Glaubt man den Äußerungen der diversen Ermittler, war der Staat in Sachen NSU blind wie ein Maulwurf. »Polizei und Verfassungsschutz«, so ist auf der Homepage der Zeit zu lesen, »hatten offenbar Dutzende Chancen verpasst, die Neonazi-Gruppe zu finden.«
So »verzweifelt« waren die Behörden, heißt es in Medienberichten, dass sie zu den außergewöhnlichsten Ermittlungsmethoden griffen. Hamburger Polizisten trafen im Jahr 2008 einen iranischen »Metaphysiker«, der über ein »Medium« mit dem sieben Jahre zuvor ermordeten Gemüsehändler Süleyman T. Kontakt im Jenseits aufzunehmen anbot. Nach dem Nagelbombenanschlag in Mülheim kamen Kölner Polizisten auf eine ähnliche Idee. Zwei Ermittler fuhren nach München, um eine Wahrsagerin zu vernehmen. Im ­Express hieß es, sie »beobachteten die Hellseherin dabei, wie sie mit Hilfe eines Kassettenrekorders Stimmen aus dem Jenseits anrief. Es wurde ein formelles Vernehmungsprotokoll erstellt.« So arbeiten echte Profis. In Nürnberg materialisierte sich die Ideologie, dass es sich keinesfalls um die Taten von Neonazis, sondern um »Döner-Morde« von Migranten handele, auf besondere Art: Die ermittelnde »Sonderkommission Bosporus« machte dort eine eigene Imbissbude auf, in der Polizisten ein halbes Jahr lang Döner verkauften. Doch seltsam, von Döner-Mördern fand sich keine Spur.
Dafür kam Mitte Juni heraus, dass spätestens von 1997 bis 2003 das BfV zusammen mit dem Thüringer Landesamt und dem Militärischen Abschirmdienst die bislang geheim gehaltene »Operation Rennsteig« durchgeführt hatte. Das Ziel: Unterwanderung des neonazistischen »Thüringischen Heimatschutzes« mit Spitzeln, in dem die mutmaßlichen Mitglieder des NSU zeitweise ein- und ausgingen. Von zwölf Spitzeln ist mittlerweile die Rede.
Ausgerechnet die Akten über die Operation Rennsteig hatte ein Beamter des BfV, kaum waren zwei der mutmaßlichen NSU-Mitglieder tot, bereits im November vorigen Jahres geschreddert. Warum er gegenüber der Behördenleitung log und diese Aktenvernichtung auf Januar 2011 vordatierte, darüber verweigerte er bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags die Aussage. Und an eben diese Operation Rennsteig wollte sich der ehemalige Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer – nach eigenen Angaben eine »Spitzenkraft« –, am Montag vor einem weiteren Untersuchungsausschuss, dem des Thüringer Landtags, partout nicht erinnern.
Ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Wie die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) etwa, die auf einer Veranstaltung gesagt hatte, auch hier gebe es »einen tiefen Staat«, und sich dafür entschuldigen musste. Doch selbst in der FAZ ist mittlerweile von einem »Eigenleben der Geheimdienste« die Rede.