Streit über die Homo-Ehe in der CDU

Wie konservativ ist schwul?

Die CDU streitet über die Homo-Ehe. Dabei ist die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ohnehin nur eine Frage der Zeit.

»Wir sind verheiratet«, sagt Mirka Reef, wenn sie über ihre Frau Steffi spricht. »Diese Unterscheidung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe ist doch lästig.« Das, was sich anfühlt »wie eine ganz normale Ehe«, ist rechtlich gesehen keine, gleichgeschlechtliche Paare werden noch immer in vielen Bereichen benachteiligt. Doch die Unterschiede schwinden. Als Nächstes könnte die Ungleichbehandlung bei der Einkommenssteuer wegfallen. Denn nun diskutiert sogar die Union über die steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften. 13 Abgeordnete der CDU-Bundestagsfraktion hatten öffentlich gefordert, das sogenannte Ehegattensplitting auf Lebenspartner auszudehnen. Die Regelung begünstigt vor allem die klassische Alleinverdienerehe. Paare, bei denen ein Partner viel verdient und der andere nichts oder wenig, können so Steuern sparen. Das muss bei homosexuellen Paaren nicht anders sein, findet nun auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU). »Dieser Vorstoß aus der Fraktion kommt zur rechten Zeit«, sagte sie der Süddeutschen Zeitung, »denn in lesbischen und schwulen Lebens­partnerschaften übernehmen Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander, sie leben damit konservative Werte.«

Widerspruch aus den eigenen Reihen war absehbar. Nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist gegen die Ausweitung des Ehegattensplittings. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte der Welt: »Ehe und Familie sollten privilegiert bleiben. Daran sollten wir nicht rütteln.« Und der als rechtskonservativ bekannte Bundestagsabgeordnete Norbert Geis (CSU) wetterte im Deutschlandfunk: »Wir müssen klarmachen, dass wir nach wie vor die Ehe als das wichtigste Institut überhaupt in unserer Gesellschaft erkennen.« Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich zunächst aus der Debatte heraus und ließ dann mitteilen, sie sehe keinen Handlungsbedarf. Denn für das kommende Jahr wird ohnehin eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage erwartet. Genau das hatten die Unterzeichner der CDU-Initiative vermeiden wollen. Es sei »nicht akzeptabel, dass der Politik immer wieder und absehbar vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben werden muss, diese Ungleichbehandlung abzuschaffen«, hieß es in der Stellungnahme. Tatsächlich gilt es als sicher, dass die Richter die Benachteiligung von Lebens­partnerschaften im Einkommenssteuerrecht für verfassungswidrig erklären werden. Manfred Bruns vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) sagt: »Die einzige Frage ist noch, wann diese Entscheidung kommt, ob in diesem Jahr oder im nächsten.«

Denn das Bundesverfassungsgericht hat seine Haltung mittlerweile in einer Reihe von Entscheidungen deutlich gemacht. »Der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzu­sehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen«, hieß es schon im Grundsatzurteil von 2002, als Bayern, Sachsen und Thüringen noch versuchten, das Lebenspartnerschaftsgesetz als solches zu verhindern. Doch das Gericht erklärte das Gesetz für verfassungsgemäß und hat stattdessen in weiteren Urteilen eine Ungleichbehandlung nach der anderen verworfen. 2009 ging es um die Altersversorgung im öffentlichen Dienst, 2010 um die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Und vor wenigen Wochen entschied das Gericht, dass Lebenspartner auch den beamtenrechtlichen Familienzuschlag erhalten und genau wie Ehepaare keine Grunderwerbssteuer zahlen müssen, wenn sie sich untereinander ein Grundstück verkaufen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz sah anfangs viele Pflichten vor und wenige Rechte. Die Gleichstellung mit Ehegatten mussten sich Lebenspartner in langwierigen Verfahren erkämpfen. »Die Instanzgerichte haben fortlaufend gegen uns entschieden«, erinnert sich Bruns, »erst vor den höchsten Gerichten, dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof, haben wir Recht bekommen.«
Neben der Einkommenssteuer gibt es nun vor allem noch eine entscheidende Ungleichbehandlung: Anders als Ehegatten dürfen Lebens­partner nicht gemeinsam ein Kind adoptieren. Nun plädiert auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dafür, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Das ist ein Angriff auf die letzte Bastion der Konservativen. Schließlich lautet deren Lieblingsargument stets, nur die Ehe sei auf die Gründung einer Familie ausgerichtet, die Lebenspartnerschaft jedoch nicht. Dabei wünschen sich viele schwule und lesbische Paare Kinder. Auch Mirka und Steffi Reef. Die beiden Bibliothekarinnen würden am liebsten zusammen mit einem schwulen Paar eine Familie gründen. »Der Zeitpunkt passt und finanziell stimmt es auch.« Doch solche »Regenbogenfamilien« sind rechtlich nicht vorgesehen. »Es ärgert mich, dass wir so unsichtbar sind«, sagt Mirka Reef. »Es gibt Bücher über alleinerziehende Mütter, Scheidungskinder und Patchwork-Familien. Aber über uns gibt es nichts, das kennt einfach niemand.«

Bisher ist Lebenspartnern nur die sogenannte Stiefkindadoption erlaubt. Das bedeutet, dass ein Partner das leibliche Kind des anderen Partners adoptiert. Schon der Name zeigt, dass die Regelung eigentlich für andere Fälle gedacht war, nämlich vor allem für eine neue Ehe nach dem Tod eines Elternteils. Und nicht für ein Paar, das sich ein gemeinsames Kind wünscht, wie die Reefs: »Das ist so ein steifes Modell, das passt überhaupt nicht zu uns.« Es würde bedeuten, dass eine der beiden Frauen schwanger wird, der leibliche Vater ein anonymer Spender ist oder das Kind zur Adoption freigibt und die Partnerin dann einen Antrag auf Annahme des Kindes stellt. Es bedeutet auch, dass sie einen sechsseitigen Fragebogen ausfüllen, einen »Lebensbericht« über die eigene Familiengeschichte erstellen und Gesundheits- und Führungszeugnisse sowie aktuelle Fotos von allen Familienmitgliedern einreichen müssen. Am Ende schreibt das Jugendamt ein Gutachten und das Familiengericht entscheidet, ob die Adoption dem Kindeswohl entspricht. »Dabei wäre das doch ein Wunschkind und in unserer Ehe geboren!«
Das Verfahren gilt außerdem nur für leibliche Kinder eines Partners. Kinder, die ein Partner adop­tiert hat, darf der andere nicht annehmen. Das allerdings könnte sich bald ändern, denn zu dieser Frage ist ebenfalls bereits ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Bruns vom LSVD nimmt an, dass das Adoptionsverbot dann grundsätzlich hinfällig wird. Und im Zuge der Debatte um das Ehegattensplitting hat sich auch die Justizministerin dafür ausgesprochen, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. »Wenn mehr gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben, ist das wunderbar«, schrieb sie in einem Artikel für den Stern. Bruns ist zuversichtlich, dass die Fragen der Einkommenssteuer und der Adoption bis zur Bundestagswahl geklärt werden. »Dann wird es keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft mehr geben«, sagt er. »Und dann werden wir natürlich auch die Frage stellen, warum nicht einfach Ehe für alle?«