Todd Akin, Paul Ryan und die republikanische »Philosophie«

Höchste Zeit für den Abbruch

Mit dem Gefasel einer protofaschistischen Schriftstellerin im Gepäck wollen die Republikaner den vermeintlichen Eliten zu ihrem Recht verhelfen und Abtreibungen verbieten.

Dem Herrn sei Dank für die Republikaner! In diesem Wahldurchlauf haben die Wächter all dessen, was gerecht und gut ist, ihren Blick auf das Unheil gerichtet, mit dem diese Republik konfrontiert ist, und tapfer ihre Augen verschlossen. Anstatt Themen anzusprechen wie die dahinsiechende Wirtschaft oder den andauernden Krieg in Afghanistan, ganz zu schweigen von der globalen Erwärmung, der zerfallenden Infrastruktur und dem Zustand von Jay Lenos Frisur, haben sie die Aufmerksamkeit auf eine Frage von äußerster Unwichtigkeit gelenkt: ob die Empfängnis als Ergebnis einer »legitimen Vergewaltigung« eintreten kann.
Dem Republikaner Todd Akin zufolge, der den Bundesstaat Wisconsin im Repräsentantenhaus vertritt, kann eine Frau, die »legitim« vergewaltigt wird, nicht schwanger werden. Warum? Weil ihr Körper sich weigert, indem er verhindert, dass das Sperma die Eierstöcke erreicht. Die logische Schlussfolgerung ist selbstverständlich, dass eine Frau, die nach einer Vergewaltigung schwanger wird, nicht wirklich vergewaltigt wurde. Und warum? Weil es ihr gefallen hat. Oder zumindest ihrem Körper. Man weiß ja, wie Frauenkörper so sind. Zumindest, wenn man ein Republikaner ist. Frauenkörper müssen reglementiert werden. Ja, unsere patriarchalischen Wächter beschützen uns vor uns selbst. Sie halten Frauen an der Leine. Sie beschützen Männer vor den Frauen, sollten diese von der Leine gelassen werden.Doch Akin ist nur ein Frühwarnsystem für alles, was falsch ist und schlimmer werden könnte.

Weitaus beunruhigender ist Mitt Romneys Ernennung des dreisten, jungen und reaktionären Paul Ryan zum Vizepräsidentschaftskandidaten. Wer Ryan nicht kennt, dem sei er kurz vorgestellt. Er ist der Mann, der die extremste Neufassung der Steuerordnung für die Republikaner ersonnen hat, eine Änderung, die sicherstellen würde, dass der Multimillionär Romney weniger als ein Prozent Einkommenssteuer zahlt. Und er gehört zu den Unterstützern eines Gesetzentwurfs, der eine Verfassungsänderung nach sich zöge, die Abtreibungen in jedem Fall verbieten würde, sogar wenn das Leben der Mutter bedroht ist oder bei Schwangerschaften, die das Ergebnis einer vermutlich »illegitimen« Vergewaltigung sind.
Dennoch ist es nicht einmal nötig, diese Dinge zu wissen, wenn man eine einfache, aber bisher unerwähnte Tatsache kennt: Ryans Ansichten sind das Produkt einer »Philosophie«, die sich viele Republikaner zu eigen gemacht haben, einer »Philosophie«, deren Grundlage die Schriften einer Autorin aus dem vergangenen Jahrhundert sind, die man als Protofaschistin bezeichnen kann.
Ayn Rand heißt diese Frau. Wer ihr Werk nicht kennt, muss sich nicht schämen. Das ist eher ein Zeichen dafür, dass man richtige Bücher liest und kein Gefasel. In Rands berühmtestem Roman, »Atlas shrugged«, tritt ein Zusammenschluss begabter Elitisten in Streik, anstatt den Rest der Gesellschaft zu unterstützen. So zeigen sie all den Malochern, wie abhängig diese von der Elite sind, und bestrafen sie dafür, dass sie einen immer größeren Beitrag in Form von Steuern und ein wenig soziales Bewusstsein erwarten. In Rands Welt mühen sich die Starken stets, nicht von den Schwachen ins Elend gezogen zu werden, ihr Erfolgsstreben ist ein bewundernswerter Charakterzug, angesichts dessen Gordon Geckos Ausspruch »Gier ist gut« im Film »Wall Street« wie ein Auszug aus dem Kommunistischen Manifest wirkt.
Es gibt noch eine andere Bedeutung des Wortes »illegitim«, es bezeichnet nämlich auch die außereheliche geburt eines Kindes. Solche Kinder – manchmal auch als »Kinder der Liebe« bezeichnet – sind das Ergebnis unbeherrschter Leidenschaft und bedrohen die soziale Struktur, die durch die Eheschließung und die unauflösliche Bindung der Kernfamilie zusammengehalten werden soll. Die »Kinder der Liebe« sind, um es kurz zu machen, in dieser Struktur die Schwachstellen, die es zu bekämpfen gilt, soll die Stärke der Kultur erhalten bleiben. Denn sie drohen, das Ganze aufzulösen, und müssen deshalb entweder eingebunden oder vollständig ausgestoßen werden.

Was soll dann mit dem illegitimen Kind von Paul Ryan und Ayn Rand geschehen? Das »Kind der Liebe« des derzeitigen republikanischen Establishments ist ein Baby, das sie in einem brünftigen Moment leidenschaftlicher gegenseitiger Verehrung schufen. Sie sind Mutter und Vater der Gier, der Selbstsucht und des gedankenlosen Glaubens. Sie prangern kritisches Denken an, da es in Ehren zu haltende Vorstellungen herabwürdige, und attackieren Liberale und Akademiker, die die fahnenschwingenden Nationalisten der Tea Party verärgern. Sie behaupten, Amerika sei die großartigste, freiheitlichste, über das größte Maß an Aufklärung verfügende Nation in der Geschichte der Menschheit, erklären jedoch nie, was sie damit meinen. So weit man aus ihren politischen Stellungnahmen schließen kann, meinen sie das, weil die USA eine große Armee und einen großen Anteil an den Ressourcen der Welt besitzen.
Zumindest tun das die angeblichen Eliten, diese Ebenbilder des Atlas, die die Last für uns tragen. Werden wir sie zu Fall bringen und uns dabei selbst zerstören? Oder drücken wir den Knopf, auf dem »Abbruch« steht, und zerstören die dämo­nische Ausgeburt, die Ryan und Rand geschaffen haben?

Aus dem Englischen von Markus Ströhlein