Über das Basel-III-Abkommen zur internationalen Bankenregulierung

Alles verbaselt

Im Januar 2013 sollen mit dem Basel-III-Abkommen internationale Maßnahmen zur erweiterten Bankenregulierung in Kraft treten. Doch die Konkurrenz der Finanzstandorte macht derartige Regelungen fast unmöglich.

Etwas über zwei Jahre ist es her, dass der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, von einem der wichtigsten Beiträge zur künftigen Festigung der Weltwirtschaft sprach. Gerade hatten sich im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die 27 Mitglieder der Notenbanken sowie Bankenaufseher der wichtigsten Industrieländer darauf verständigt, mit den Basel-III-Richtlinien verbindliche Regeln für die Eigenkapitalisierung der Banken zu schaffen und diese im nationalen Recht aller G20-Staaten und vieler weiterer Länder zu verankern. Mit der getroffenen Entscheidung sei die »Unsicherheit in einem weiten Feld« beseitigt worden, sagte Trichet damals. Ähnlich euphorisch reagierte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der die Vereinbarung als »Herzstück der Finanzsektorreform« und »notwendige Konsequenz aus der Finanzkrise« bezeichnete. Auch US-Finanzminister Timothy Geithner lobte seinerzeit die Beschlüsse als »großen Meilenstein«, um »die Wahrscheinlichkeit und Schwere künftiger Finanzkrisen erheblich zu verringern«.
Die wichtigsten Neuerungen in den Richtlinien, deren Umsetzung ab 2013 verbindlich für alle Industrie- und Schwellenländer geregelt wurde, bildet die Erhöhung der Kernkapitalquote von vier auf sieben Prozent bis 2019. Diese Quote bezeichnet das Verhältnis der vergebenen Kredite zu dem verfügbaren Gesellschaftskapital und den Gewinnrücklagen der Banken. Vor allem der Einbehalt größerer Gewinnanteile sollte die Stabilität des Bankensektors gegenüber Kreditausfällen erhöhen und so die Wahrscheinlichkeit notwendiger Bankenrettungen mit öffentlichen Geldern minimieren. Steuerzahler würden so besser geschützt, weil der Risikobereitschaft der Finanz­institutionen künftig Grenzen gesetzt würden, so die damals im Abschlussdokument formulierte Hoffnung der Teilnehmer des G20-Gipfels in Südkorea, auf dem das Basel-III-Paket verabschiedet wurde.

Von der 2010 allseits bekundeten Einmütigkeit ist mittlerweile wenig zu spüren. Erste Schwierigkeiten gab es bereits im November desselben Jahres nach der Niederlage der Demokraten bei den Kongresswahlen in den USA, als die zugesagte vollständige Umsetzung des 2004 beschlossenen Basel-II-Abkommens mit seinen geringeren Eigenkapitalanforderungen weiter aufgeschoben wurde. Was man in Europa davon hielt, drückte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bei einer Versammlung des Atlantischen Rates in Washington diplomatisch so aus: »Hoffentlich führen unterschiedliche Standpunkte nicht zu abweichenden Maßnahmen.« Und der damalige Bundesbankvorsitzende Axel Weber betonte, Basel III müsse »zeitgleich auf beiden Seiten des Atlantiks implementiert werden«. Eine Vorteilsgewährung für US-Finanzinstitute werde man jedenfalls nicht hinnehmen, sagte Weber.
Derzeit spitzt sich der Konflikt weiter zu. Seit Anfang November die federführenden US-Aufsichtsbehörden – neben der Notenbank Fed gehört dazu der nach der Weltwirtschaftskrise eingerichtete Einlagensicherungsfonds Federal Deposit Insurance Corporation – bekannt gegeben haben, dass die Regelungen in den USA nicht wie geplant ab dem 1. Januar 2013 in Kraft treten werden, wird der Ton vor allem von deutscher Seite rauer. Die Bundesbank kündigte nun an, für den Fall einer Aussetzung der Einführung in den USA die europäischen Ableger der US-Banken einer strengeren Aufsicht zu unterstellen, was durch die Regelungen von Basel auch ausdrücklich gedeckt wäre. Die stellvertretende Präsidentin der Bundesbank, Sabine Lautenschläger, gab bei einer eigens anberaumten Pressekonferenz bekannt, sie erwarte dringend, »dass die USA Basel III umsetzen«.
Unterstützung erfuhr die Bundesbank nicht nur von der EZB, sondern vor allem von den deutschen Finanzinstituten, die durch die verringerten Renditeaussichten und höheren Eigenkapitalquoten um ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den transatlantischen Banken fürchten. Martin Blessing, der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, forderte von der Bundesregierung Zeichen, die unmissverständlich verdeutlichen, »dass wir nicht akzeptieren werden, dass Amerika Basel III plötzlich fallen lässt, um seine Banken zu begünstigen«. Weiter sagte er: »Wenn eine Fluggesellschaft sich nicht an europäische Sicherheitsstandards halten würde, würden wir ihre Flugzeuge nicht landen lassen.« Ob er damit eine Abriegelung des deutschen Kreditmarktes für US-Institute forderte, ließ er offen.

Dabei wird verschwiegen, dass in den vergangenen Jahren die meisten der 19 US-Großbanken, die bei einem Belastungstest durch die Fed im Frühjahr 2013 evaluiert werden sollen, bereits ausreichende Kernkapitalrücklagen angelegt haben. Dagegen würden nach Angaben des Finanzstabilitätsrats, der im Auftrag der G20-Staaten die Umsetzung der Beschlüsse überwacht, nur sechs der 28 international wichtigsten Großbanken in der EU pünktlich zum Jahresstart 2013 den neuen Regeln unterliegen, da ihre Eigenkapitalisierung noch nicht weit genug fortgeschritten sei. In der Financial Times Deutschland wurde schon darüber spekuliert, ob die Aussetzung der Einführung der Gesetze vielen europä­ischen Staaten gelegen käme, sind doch auch in der EU die gesetzlichen Regelungen zwei Monate vor dem Start immer noch nicht erstellt worden. Nun sei auch der Druck auf die EU vermindert, die Implementierung noch zum Jahreswechsel zu stemmen, hieß es in der mittlerweile eingestellten Zeitung.
Anhaltspunkte dafür gibt es zur Genüge. Der Präsident des europäischen Bankenverbandes EBF, Christian Clausen, fordert, Basel III erst zum 1. Januar 2014 in Kraft treten und die seit August 2012 fertiggestellten Regeln in Deutschland weiter ruhen zu lassen. In einem Brief, den die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte, heißt es: »Das würde uns auch einen vernünftigen Zeitrahmen geben, um die technischen Standards auszuarbeiten, damit sie nicht in Hektik umgesetzt werden müssen.« Weniger aber die Hektik treibt den Verbandsvorsitzenden offensichtlich um – im EBF sind fast 5 000 europäische Finanzinstitute organisiert –, als vielmehr die Angst vor Benachteiligung. »Unsere Konkurrenten aus den USA werden gleichzeitig oder in absehbarer Zeit keine vergleichbaren Auflagen haben«, heißt es in dem Brief weiter. Dementsprechend hatte das Bundesbankvorstandsmitglied Andreas Dombret zuletzt gefordert, auch für Europa eine Verschiebung um mehrere Monate zu erwägen. Wegen der institutionellen Verzögerungen und um keine Wettbewerbsnachteile des europäischen Bankensektors zu riskieren, sei eine Einführung Mitte des Jahres 2013 eher realisierbar.

An den grundsätzlichen Zielen müsse aber unbedingt festgehalten werden, so Dombret weiter: »Basel III wird sich durchsetzen, weil dadurch das internationale Bankensystem sicherer wird und weil in einer globalisierten Weltwirtschaft alle ein Interesse an einheitlichen Standards haben, die Vertrauen schaffen.« Das Unterlaufen dieser »einheitlichen Standards«, um den Finanzinstituten der einzelnen Standorte Wettbewerbsvorteile zu sichern, war in der jüngeren Vergangenheit allerdings nicht nur eine US-amerikanische Spezialität. Bereits im Oktober waren Pläne der britischen Finanzaufsicht FSA bekannt geworden, die sehr strengen Regelungen in Großbritannien – die geforderte Eigenkapitalquote liegt dort bei zehn Prozent – durch Pauschalrücklagen, die im Fall großer Banken weit unter dieser Quote liegen würden, zu ersetzen. Und auch Deutschland war im vergangenen Jahr nicht untüchtig. Im Januar hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen François Baroin weitere Ausnahmeregelungen eingefordert. Vor diesem Hintergrund erscheint es derzeit mehr als fraglich, ob die Regelungen überhaupt jemals in Kraft treten werden. Gänzlich unwillkommen dürfte dies nur wenigen sein.