Fragt sich, warum die nächsten Wahlen überhaupt stattfinden

Falscher Mann, falsche Partei

Am Sonntag wurde Peer Steinbrück auf dem SPD-Parteitag in Hannover zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl gekürt.

Der Vorwärts, die »Zeitung der deutschen Sozialdemokratie«, die, wie sie eigens auf ihrem Cover ausweist, im Jahre 1876 gegründet wurde, hat sich mit ihrer aktuellen Ausgabe einen Fauxpas erlaubt, der für den Zustand der SPD Symbolcharakter hat. Auf dem Cover gibt es eine an den Zeichenstil des 19. Jahrhunderts angelehnte Zeichnung, die zeigt, wie Peer Steinbrück die Fallreep ­eines Dampfbootes ersteigt, dazu titelt das Blatt: »Der Lotse geht an Bord.« Die Zeichnung bezieht sich auf eine Karikatur des britischen Satiremagazins Punch, das 1890 zur Entlassung Bismarcks eine Karikatur mit dem Titel »Dropping the Pilot« veröffentlichte, in der der junge Kaiser Wilhelm II. dem bitter dreinschauenden Reichskanzler auf der Fallreep feixend hinterherschaut.
Nun steigt Steinbrück also mit seinem verkniffenen Anpackergesicht eben diese Fallreep hoch. Als neuer Bismack? Wird Steinbrück bald ein »Sozialistengesetz« verabschieden und die Parteigenossinnen und Parteigenossen verfolgen? Nein, die Vorwärts-Redaktion hatte sich bei ihrem Cover einfach nicht viel gedacht.
Dennoch sprach es aus ihr. Steinbrück steht nämlich für politische Richtungsverwechslung. Ist er nicht eigentlich in der falschen Partei? Das fragen sich viele, nicht nur in der SPD. Daher mühte sich Steinbrück am vergangenen Wochenende, die Partei auf seine Seite zu ziehen. »Ich bin stolz, ein deutscher Sozialdemokrat zu sein«, rief er in den Raum, in einer Rede, in der er sich auf die lange Geschichte der Sozialdemokratie seit Bebel bezog und den Kampf gegen die Nazis und für soziale Gerechtigkeit beschwor. Dass sich sein Satz vom Stolz bis auf ein Wort von dem heutiger Nazis nicht unterscheidet, fiel Steinbrück sicher nicht auf. Dieses Detail ist auch nur insofern wichtig, als er sich damit, wie auch mit der Ins­trumentalisierung des greisen Altkanzlers Helmut Schmidt – der ebenfalls seinerzeit als »Lotse« karikiert wurde –, gegen Willy Brandt und den sozialistischen Internationalismus wandte. Doch von Steinbrück erwartet man nichts anderes.
Im Grunde hat sich die SPD auf diesem Parteitag als kleiner Partner in einer Großen Koalition beworben, inhaltlich gibt es kaum etwas Neues. Angela Merkel – die kurz zuvor auf dem CDU-Parteitag beinahe eine Messe zu ihren Ehren inszenieren ließ – wird in der Hauptsache vorgeworfen, dass ihre Politik zu schwammig sei, zu unvernüftig. Wie sich Steinbrück sozial vernüftige Politik vorstellt, hat er bis vor drei Jahren im sogenannten Kabinett Merkel I als Finanzminister zur Genüge bewiesen.
Warum finden also noch Wahlen statt? Weil Steinbrück eine Chance hat. Seine bulligen Sprüche, die als Mutterwitz durchgehen, finden bei einem Teil der Bevölkerung noch immer Anklang. Deutsche lachen ja bekanntlich nur, wenn es gegen andere geht. Unverbesserliche halten ihn zudem für »das kleinere Übel«, Machos wiederum erkennen erfreut, dass er keine Frau ist. Steinbrück hat allerdings ein großes Problem: Seine Gesinnungsgenossen Schäuble, Bosbach und Kauder sind in der falschen Partei.