Wie der Soul entsteht

Berlin Beatet Bestes. Folge 172. Menahan Street Band: Lights Out/Keep Coming Back (2012)

Streicher? Ich hör doch Streicher. Ein stampfendes Schlagzeug, fette Bläser und dahinter zart schwebende Streicher. »Lights Out« ist schon eine ziemlich clever arrangierte instrumentale Soul-Nummer und erinnert an den Soundtrack zu einer Verfolgungsjagd in einem Agentenfilm. Oder an eine Szene, in der ein Boxer im Ring vorsichtig tänzelnd seine Runden dreht, um dann irgendwann hart zuzuschlagen. Aber so weit kommt es nicht. Fast hypnotisch treibt der Song voran, funky und cool. Ich will den Song immer wieder hören. Eine ganz tolle Single, die ich empfehlen kann, ausgekoppelt aus der soeben erschienenen LP »The Crossing«.
Überhaupt, wen Soul so völlig kalt lässt, mit dem stimmt irgendwas nicht. Der Name kommt nicht von ungefähr, wer gar nichts fühlt, wenn diese Musik gespielt wird, hat vielleicht wirklich keine Dings. Soul kann alle menschlichen Regungen ausdrücken, will aber immer auch den Körper in Bewegung bringen, ein Hauptmerkmal afroamerikanischer Musik. Die Mitglieder der Menahan Street Band aus Brooklyn sind zwar weiß, tragen Bärte und sehen aus wie Hipster, aber wenn sie den über sechzigjährigen schwarzen Soulsänger Charles Bradley begleiten, wie in dem herzzerreißenden Video zu »Why is it so Hard (to Make it in America)«, dann klingt ihre Musik soulig und schwarz. Die genannten Künstler sind beim Brook­lyner Label Daptone Records unter Vertrag. Daptone ist die Keimzelle authentischer Soulmusik der Neuzeit, so authentisch, dass sie die Produktionen auf Band aufnehmen (statt digital) und natürlich auf Vinyl veröffentlichen. Daptone ist wahrscheinlich das einzige Independentlabel der Welt, das mit dieser komplett traditionellen Herangehensweise erfolgreich ist. Im eigenen Haus werden Songs geschrieben, arrangiert und aufgenommen. Entscheidend ist, dass sich Musiker und Sänger während der Aufnahme im selben Raum befinden, im Unterschied zu der heute üblichen Praxis, alles getrennt einzuspielen und anschließend zusammenzumischen. Die Unmittelbarkeit der Aufnahmesituation bestimmen den Sound von Daptone. Ein Beispiel dafür ist die gelungene Idee, Charles Bradley mit der Menahan Street Band zusammenzubringen. Anstatt auf die fertigen Songs ihrer Künstler zu warten, machen sich die Label-Betreiber Gabriel Roth und Neal Sugarman, selbst Musiker, ihre eigenen Gedanken, was sie produzieren könnten. Eigentlich klingt das alles nicht weiter bemerkenswert. Sollten nicht alle Labels so arbeiten? Wir würden auf jeden Fall viel bessere Musik zu hören bekommen, die viel mehr Soul hat.