Geh doch nach drüben!

Am feingeistigen Scharfsinn Gérard Depardieus kann es kaum liegen, dass sich Präsidenten um ihn reißen und Künstlerkollegen sich seinetwegen zanken. Mar­guerite Duras, die Depardieu 1972 seine erste Rolle als Schauspieler verschaffte, erklärte ihn zum hundertprozentigen Analphabeten. Depardieu selbst redete wiederholt etwas von einer schweren Kindheit und sprach notorisch dem Alkohol zu.
Aber sein Geld vermag er zusammenzuhalten. Eine Zeitlang verdiente er es wie Heu. Unter anderem, weil der französische Staat es im Namen der exception culturelle, einer Kulturpolitik in Abgrenzung von Hollywood, in rauen Mengen in einheimische Filme steckte. Aber dann wollte der französische Staat auf Jahreseinkünfte über einer Million Euro einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent auf die oberste Tranche legen. Ende Dezember hat das französische Verfassungsgericht dies zwar vorläufig verhindert. Doch Depardieu war schon beleidigt. Denn sein im Dezember ruchbar gewordenes Ansinnen, sich in dem belgischen Nest Néchin anzusiedeln, hatte Premierminister Jean-Marc Ayrault als »armselig« bezeichnet. Der Schauspieler hatte von dem fiskalpolitischen Dumping in Europa profitieren wollen. Belgien wirbt offen um französische Steuerflüchtlinge. Der Bürgermeister des Dorfs ließ sich in seinen Amtsräumen sogar im Asterix-Kostüm filmen.
Als Reaktion auf Ayrault hatte Depardieu angekündigt, er brauche seinen französischen Pass nicht mehr und gebe ihn gerne zurück. Allein, in Belgien legte man ihm den Wechsel seines Wohnsitzes nahe, nicht der Staatsbürgerschaft. Um die zu erwerben, muss man mindestens drei Jahre im Land gelebt haben. Rettung versprach da Wladimir Putin. Am 18. Dezember sagte er, da Depardieu einen Pass brauche, habe er ihm auf die Schnelle einen russischen ausgestellt. Das war geflunkert, aber es wurde flugs nachgeholt: Ein Präsidentendekret vom 3. Januar verlieh Depardieu die russische Staatsbürgerschaft. Und Putin versprach dem Mann Pomp und Gloria. Am Wochenende ließ der Neurusse sich in seiner neuen Heimat feiern und traf in Mordowien ein, einer Region, die für ihre ausgedehnten Arbeitslager bekannt ist. Dem Vernehmen nach plant Putin sogar, ihn zum Kulturminister zu ernennen. Arme russische Kultur! Depardieus Beitrag zu ihr bestand bislang in einer Rolle als Rasputin in einem Film, der am 18. Februar auf Arte ausgestrahlt wird.