Druck auf die Presse

Schlimmer geht es kaum. Dem von der NGO Reporter ohne Grenzen erstellten World Press Freedom Index von 2013 zufolge liegt Somalia bezüglich der Pressefreiheit weltweit auf Platz 175 von 179. Was das konkret bedeutet, musste jüngst der somalische Journalist Abdiaziz Abdinur Ibrahim erfahren. Am 8. Januar führte er ein Interview mit einer 27jährigen Somalierin, die angab, im September vorigen Jahres in einem Camp für Binnenflüchtlinge in Mogadischu von mehreren bewaffneten Männern in somalischen Militäruniformen vergewaltigt worden zu sein. Zwei Tage später wurde Abdiaziz verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, eine Regierungsinstitution beleidigt und die Frau zu einer Falschaussage bewegt zu haben. Das Interview war zu keinem Zeitpunkt veröffentlicht worden. Außer ihm wurden auch seine Interviewpartnerin, deren Ehemann und zwei weitere Personen verhaftet. Nach zwei Tagen Polizeiverhör ohne einen Anwalt soll die Frau ihre Aussagen zurückgezogen haben, sie wurde zunächst freigelassen. Abdiaziz blieb die ganze Zeit in Untersuchungshaft, am Dienstag vergangener Woche wurden der Journalist und die Frau nun zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, unter anderem wegen der Verunglimpfung staatlicher Institutionen, die anderen Festgenommenen wurden freigesprochen.
Protest gegen das erschreckende Urteil kam nicht nur von Journalistinnen und Journalisten, die in Mogadishu Mahnwachen abhielten, sondern unter anderem auch von Menschenrechtsorganisationen und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Die Hochkommissarin für Menschenrechte der UN, Navi Pillay, drückte ihre Besorgnis darüber aus, dass die zunehmende sexualisierte Gewalt in Somalia nun kaum noch verfolgt werden wird. Doch nicht nur die Opfer von Vergewaltigungen werden sich jetzt erst recht nicht mehr trauen, darüber zu reden und Verbrechen anzuzeigen. Als freier Journalist arbeitete Abdiaziz unter anderem für die Radiostationen Dalsan und Ergo in Mogadischu sowie für den britischen Daily Telegraph. Die Hälfte der Angestellten von Radio Dalsan soll am Tag nach dem Urteilsspruch aus Angst vor Repressalien nicht mehr zur Arbeit gekommen sein, berichtete Al Jazeera. Seit 2007 wurden mehr als 30 somalische Journalistinnen und Journalisten ermordet. Ein Jahr Knast erscheint im Vergleich fast schon harmlos.