Über den Zustand linker Medien in anderen Ländern Europas

Frankreich: Ein Blatt für jede Gruppe

Die französischen Medien, die links von der sozialdemokratischen Tageszeitung Libération stehen, sind zum Großteil Partei- oder Organisationszeitungen. Die Tageszeitung L’Humanité, die eine Auflage von rund 70 000 hat, hieß früher einmal offiziell »Organ des Zentralkomitees der Französischen Kommunistischen Partei« und führte Hammer und Sichel im Titel. Noch früher war die 1904 gegründete Zeitung die der Sozialdemokratie. All das war einmal. Seit 1999 nennt sie sich offiziell nur noch verschämt eine »den Ideen der KP nahestehende Tageszeitung«. Überleben kann sie nur durch Finanzhilfe der öffentlichen Hand, kleinere Presseorgane erhalten »für die Aufrechterhaltung des Medienpluralismus« begrenzte Unterstützung.
Weiter links verfügt jede organisierte politische Strömung über eine eigene Zeitung, alle haben Auflagen im einstelligen Tausenderbereich. Die trotzkistische Kleinpartei Lutte Ouvrière (»Arbeiterkampf«) verfügt über eine Wochenzeitung identischen Namens. Die undogmatischere Nouveau Parti Anticapitaliste (Neue Antikapitalistische Partei) gibt die Wochenzeitung Tout est à nous (Alles gehört uns) heraus, der Titel verweist auf ein Lied der frühen Arbeiterbewegung. Die Wochenzeitung Le Monde libertaire steht der Fédération Anarchiste nahe, und die libertär-kommunistische Vereinigung Alternative Libertaire verfügt über eine Monatszeitschrift gleichen Namens.
Die wohl bekannteste linke Publikation ist die Monatszeitung Le Monde diplomatique, die eine Auflage von rund 200 000 hat, bei der es einen linken, eher bewegungsorientierten Flügel gibt, ebenso wie eine nationalistisch-keynesianische Gruppe um ihren Generaldirektor Bernard Cassen. Eine antiautoritäre Tradition hat die unabhängige Wochenzeitung Charlie Hebdo, deren Vorläuferin in den siebziger Jahren einmal eher anarchistisch war. Vom Linksradikalismus blieb jedoch kaum etwas übrig, mit Ausnahme eines scharfen Antiklerikalismus, der das Profil der Zeitung prägt. Bei anderen Themen rückte sie in die politische Mitte. 1999 erfolgte eine größere Linksabspaltung, nachdem der damalige Chefredakteur Philippe Val, der inzwischen Rundfunkdirektor geworden ist, den Kosovo-Krieg der Nato und die Kandidatur Daniel Cohn-Bendits zum Europa-Parlament unterstützt hatte. Aus ihr ging die Monatszeitung CQFD (»Was man sagen, zerstören, entwickeln muss«) mit Sitz in Marseille hervor, die vor allem der Arbeitslosenbewegung nahesteht und viel über sozialrevolutionäre Prozesse etwa im Maghreb berichtet.