Der letzte seiner Art

Platten auf Sammlerblogs zu präsentieren, scheint aus der Mode gekommen zu sein. Deutsche Plattensammler häuften zwar schon immer lieber bürokratisch Matrizennummern, Erscheinungsjahreszahlen und biographische Daten in Foren an, aber auch international sind in letzter Zeit viele wichtige Musikblogs verschwunden. Das liegt zum einen an der Angst vor Verfolgung. Viele Blogger waren betroffen, als das FBI im Januar 2012 den Filehoster Megaupload abschaltete. Mit einem Schlag verschwanden alle MP3-Dateien digitalisierter Platten, die in jahrelanger Arbeit hergestellt worden waren. Zum Glück hatte ich dort nie etwas gespeichert. Kim Schmitz, der Betreiber von Megaupload, war mir von Anfang an suspekt. In Deutschland kam außerdem die Gema-Debatte hinzu, die zusätzlich Verunsicherung geschürt hat.
Zurzeit bin ich wohl leider der einzige deutsche Schallplattenblogger. Ehemalige Musikblogger begnügen sich derweil damit, auf Facebook miteinander zu kommunizieren. Das übrige Internet wird, scheinbar mehr oder weniger freiwillig, denen überlassen, die es kommerziell nutzen wollen.
Dabei hat sich für mich eigentlich nichts verändert. Ich finde nach wie vor Platten, die nie wiederveröffentlicht wurden. 50 Jahre alte Singles, die von der Musikgeschichte vergessen wurden. De facto gibt es in der realen Welt einen riesigen Berg von kommerziell völlig uninteressantem Material, das niemals digitalisiert werden wird. Jedenfalls nicht, wenn nicht Typen wie ich das tun. Vor Jahren fand ich zum Beispiel eine Single von Jimmie Gooden auf dem kalifornischen Crossfire-Label. Diese Platte war mir immer ein Rätsel. »Needing Your Love« beginnt mit einer sprudelnden Querflöte und mündet in einer langsam dahintreibenden Ballade, die man auf Englisch sicher haunting nennen würde: eindringlich, packend, gespenstisch. Die A-Seite »This Is The Night« ist eine nervöse Pop-Nummer, irgendwo zwischen Soul und dem Vokalgruppen-Sound der frühen sechziger Jahre. Seit ich die Platte besitze, habe ich wiederholt im Internet nach Informationen gesucht und nie etwas gefunden. Keine Wiederveröffentlichung, keine Erwähnung in Labeldiskographien, nicht mal auf Ebay wurde die Platte angeboten. Bis heute.
Als erstes Suchergebniss erscheint eine Traueranzeige: »James Wilbert Gooden, 16. Februar 1933 – 20. Januar 2013. James Wilbert Gooden wurde am 16. Februar 1933 in Columbus Ohio geboren. 1952 zog er nach San Diego, wo er in die Navy eintrat. Er heiratete Bernice Emery, und zusammen hatten sie sechs Kinder. 40 Jahre lang betrieb James Gooden seine eigene Gebäudereinigungsfirma Gooden Janitoral Services, in der er auch seine Kinder, Familienmitglieder und Freunde beschäftigte und ihnen die Bedeutung harter Arbeit beibrachte. Neben seiner Gebäudereinigungsfirma war er auch als Sänger im Stil von Sam Cooke und Nat King Cole aktiv. Er nahm die Titel ›This Is The Night‹ und ›Needing Your Love‹ auf und war im Stillen Stolz auf sein gottgegebenes Talent. Am Sonntag, dem 20. Januar 2013, verstarb er.«