Die spanische Guardia Civil ist für den Tod von acht Flüchtlingen verantwortlich

Unfreiwillige Selbstüberwachung

Ein von einem spanischen Radiosender veröffentlichtes Video zeigt, wie ein Patrouillenboot der Guardia Civil im Dezember acht Menschen in den Tod gerissen hat.

»Sistema Integrado de Vigilancia Exterior« (SIVE) heißt das Überwachungssytem, das Spanien vor zehn Jahren installiert hat, um an seinen Küsten unerwünschte Migranten mit Satelliten und Radar aufzuspüren. Nun hat der spanische Radiosender Cadena Ser vergangene Woche auf seiner Homepage ein Video aus den Archiven des SIVE veröffentlicht, das die sogenannten Grenzschützer selbst entlarvt: Die grauen Aufnahmen einer Wärmebildkamera zeigen, wie in der Nacht auf den 13. Dezember vorigen Jahres vor der Küste Lanzarotes ein Patrouillenboot der Guardia Civil mit hoher Geschwindigkeit auf ein Flüchtlingsboot zufährt und es schließlich rammt. Das Schiff sank sofort, acht der 25 Insassen – mit Ausnahme des Kapitäns allesamt Flüchtlinge aus Marokko – ertranken im Atlantik. Wie sich später herausstellte, hatten die Grenzschützer weder ein funktionstüchtiges Rettungsboot an Bord, noch riefen sie rechtzeitig die Seenotrettung. Zwar konnten 17 Personen gerettet werden, bis auf den Kapitän und drei Minderjährige wurden sie jedoch kurze Zeit später nach Marokko abgeschoben. Das Flüchtlingsboot war von der marok­kanischen Küstenstadt Sidi Ifni in See gestochen.
In Sidi Ifni kam es nach der Abschiebung zu Protesten. Daraufhin leitete die spanische Justiz eine gerichtliche Untersuchung ein, die ermittelnde Richterin wollte jedoch den Aussagen der überlebenden Flüchtlinge nicht glauben. Stattdessen vertraute sie den Angaben der Grenzschützer, wonach das Flüchtlingsboot die Kollision verursacht habe, als es dem Patrouillenboot entkommen wollte. Die Veröffentlichung des Videos ist nun ein unbeabsichtigter Offenbarungseid der Guardia Civil.

Die spanische Regierung sieht das anders. Sie traut offenbar ihrer eigenen Überwachung nicht. Innenminister Jorge Fernández Díaz sagte vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die Videoaufnahme nichts beweise. Zugleich warnte er davor, die »humanitäre Arbeit« der Guardia Civil zu verkennen, schließlich hätten die Beamten in der Vergangenheit gerade durch die Überwachung der Seegrenzen Tausende von Menschenleben im Meer gerettet. Tatsächlich ist die Guardia Civil, eine paramilitärische Polizeitruppe, nicht für ihre Rettungsaktionen, sondern für ihre effektive Migrantenabwehr bekannt, allein vor den Kanaren greift sie jährlich bis zu 10 000 auf. Auch führt SIVE keinesfalls dazu, dass mehr Flüchtlinge gerettet werden, wenn sie in Seenot geraten: Um der Kontrolle zu entgehen, nehmen viele Flüchtlinge noch gefährlichere Routen, so dass mehr Menschen ertrinken.
Das brutale Vorgehen der Guardia Civil vor Lanzarote ist offensichtlich rechtswidrig, ebenso widerspricht es den Menschenrechten, Flüchtlingen die Einreise zu verweigern oder sie abzuschieben, ohne ein Asylverfahren zu gewähren. Dennoch sind solche Manöver an den europäischen Außengrenzen keine Seltenheit, sie werden nur selten publik, die Betroffenen haben meist keine Möglichkeit, im Nachhinein zu klagen.

Durch die Veröffentlichung des Videos kann nun ein Exempel statuiert werden. Mehrere spanische Flüchtlingsorganisationen fordern eine gründ­liche Aufarbeitung des Vorfalls. Druck kommt auch von der marokkanischen Regierung: Sie hat bereits den spanischen Botschafter einbestellt und die Aufklärung des Falles angemahnt, denn die Opfer sind marokkanische Staatsangehörige. Geht es um die Abwehr von Flüchtlingen aus anderen Ländern, sieht die Lage anders aus. Seit Jahrzehnten arbeiten die beiden Staaten bei der Abwehr von Migranten eng zusammen. Zuletzt lobte Fernández Díaz einmal mehr die »unschätzbare Zusammenarbeit« mit den marokkanischen Behörden, nachdem im September 2012 die Guardia Civil 73 Flüchtlinge aus subsaharischen Staaten nach Marokko abgeschoben hatte, die zuvor auf die spanische Felseninsel Isla de Tierra vor der Küste Marokkos eingereist waren. Nach Berichten von Hilfsorganisationen hat Marokko wiederholt Flüchtlinge ohne Wasser und Nahrung in der Wüste ausgesetzt.