Deutschland bekommt eine Anti-Euro-Partei

Der Aufstand der gutsituierten Männer

Die Liste der Unterzeichner des Gründungsaufrufs der »Alternative für Deutschland« liest sich wie ein »Who’s who« des rechtskonservativen Bildungsbürgertums. Mitte April soll die Parteigründung stattfinden, um bei der Bundestagswahl als Anti-Euro-Partei anzutreten.

Und jetzt auch noch Zypern. Angesichts katastrophaler Entwicklungen wie derzeit auf der Mittelmeerinsel mag es fast selbstverständlich erscheinen, dass der Euro immer unbeliebter wird. Rund ein Drittel der Deutschen sehnt sich einer Umfrage zufolge zur D-Mark zurück. Viele Bundesbürger sind schließlich überzeugt, selbst Hauptleidtragende der Krise zu sein.
Da scheint die Zeit günstig, eine gegen den Euro gerichtete Partei zu gründen. Die »Alternative für Deutschland« will sich demnächst als Partei konstituieren und zur Bundestagswahl im Herbst antreten. Zum ersten Treffen, das Mitte März im hessischen Oberursel stattfand, erschienen 1 200 Interessierte, um der neuen Gruppierung begeistert zuzujubeln. Wie das Handelsblatt vorige Woche berichtete, habe die »Alternative für Deutschland« eigenen Angaben zufolge großen Zulauf, innerhalb kurzer Zeit seien bereits mehr als 5 000 Mitglieder beigetreten.
Im Wesentlichen fordert die Alternative eine »Auflösung des Euro zugunsten nationaler Währungen oder kleinerer Währungsverbünde«. Zudem wendet sie sich gegen weitere »milliardenschwere Rettungsschirme« und gegen eine »europäische Transferunion«. Als drittes Ziel nennt sie die Entbürokratisierung der EU, indem »Kompetenzen auf die nationale Ebene« rückverlagert werden sollen.

Ihr öffentliches Gesicht ist Bernd Lucke, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg. Mit seinem smarten Auftreten passt er eigentlich nicht zu einer Vereinigung, die sich vornehmlich aus kauzigen Professoren mit dicken Brillen zusammensetzt. »Wir sind die Partei mit der größten Dichte an Volkswirtschaftsprofessoren in Deutschland«, erklärte Lucke stolz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Liste der Unterzeichner des Gründungaufrufs liest sich wie eine Bestandsliste des rechtskonservativen Bildungsbürgertums. Neben Lucke treten noch ein ehemaliger Redakteur des Feuilletons der FAZ, Konrad Adam, und ein ehemaliger hessischer Staatssekretär, Alexander Gauland, als Sprecher auf. Beide vertreten Positionen am rechten Rand des konservativen Spektrums.
Um das mühselige Unterfangen zu rechtfertigen, eine eigene Partei zu gründen, bedarf es schwerwiegender Gründe. Die Gelehrtenriege hat sich dabei den gewichtigsten auf die Fahnen geschrieben, den sie sich vorstellen kann: den drohenden Untergang des Vaterlandes.
»Die Bundesrepublik Deutschland ist in der schwersten Krise ihrer Geschichte«, heißt es in dem Gründungsaufruf pathetisch. Die »Alter­native für Deutschland« will nun retten, was noch zu retten ist: »Das Euro-Währungsgebiet hat sich als ungeeignet erwiesen. Südeuropäische Staaten verarmen unter dem Wettbewerbsdruck des Euro. Ganze Staaten stehen am Rande der Zahlungsunfähigkeit.«

Der Duktus der Weltenretter passt zu einer Gruppierung, die sich aus einem elitären Klüngel zusammensetzt und doch vorgibt, die wirkliche Stimmung in der Bevölkerung zu repräsentieren. »Wir, die Alternative, wollen die Abgeordneten, die gewählten und immer noch verantwortlich genannten Berufspolitiker, daran erinnern, wem sie ihre Mandate verdanken: uns nämlich, den Wählern, nicht den ›Märkten‹«, wetterte unlängst Konrad Adam im Magazin Cicero.
Einige Mitglieder der Alternative wie der Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty kämpfen schon seit geraumer Zeit verbissen gegen die Gemeinschaftswährung. Er kandidierte bereits 1994 für die rechtspopulistische Partei »Bund freier Bürger – Offensive für Deutschland« erfolgslos bei der Europa-Wahl. Wenige Jahre später legte er zusammen mit anderen eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro ein.
Anstelle einer gemeinsamen Währung schwebt den Euro-Feinden eine europäische Freihandelszone vor, in der unterschiedliche Währungsblöcke existieren. So könnte Deutschland zusammen mit Finnland, Österreich und den Niederlanden eine Art Nord-Euro einführen. Den südeuropäischen Staaten wäre es auf diese Weise möglich, ihre Währung abzuwerten, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Allen wäre damit angeblich geholfen: Deutschland bräuchte keine weiteren Bürgschaften und Kredite mehr zu geben, die es vielleicht eines Tages selbst ruinieren könnten. Griechenland oder Spanien müssten nicht mehr brachiale Sparprogramme durchsetzen, die ihre staatlichen Strukturen fast kollabieren lassen.
Was sich als pragmatische Alternative zum vermeintlich alternativlosen Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darstellt, hätte jedoch drastische Folgen. Ein eigener Währungsverbund würde die Kreditwürdigkeit der südlichen Staaten endgültig in Luft auflösen. Eine Wiedereinführung der D-Mark würde wiederum das deutsche Exportmodell ruinieren. Eine ähnliche Erfahrung hat gerade die Schweiz gemacht. Angesichts der Euro-Krise ist in den vergangenen Jahren immer mehr Kapital auf die Konten eidgenössischer Banken geflossen. Der Franken verteuerte sich dermaßen, dass die Schweizer Wirtschaft um ihre Exporte fürchtete. In einer vorübergehenden Aktion koppelte die Schweizer Nationalbank ihn daher an den kriselnden Euro. Mit ähnlichen Problemen sind auch Schweden und Dänemark konfrontiert.

Vermutlich geht es aber auch gar nicht um volkswirtschaftliches Kalkül. Vielmehr zielt die Alter­native auf eine Radikalisierung bereits vorhandener Positionen. Schließlich verfolgt auch die Bundesregierung eine ordoliberale Wirtschaftspolitik, die sich an nationalen Interessen orientiert. Tatsächlich verweist die Alternative zu Recht auf die paradoxe Haltung Merkels: Sie will zwar unbedingt an der gemeinsamen Währung festhalten, sie verfolgt dieses Ziel aber mit Mitteln, die entweder auf kurz oder lang den Euroraum zerstören oder aber sich nur noch mit autoritären Maßnahmen durchsetzen lassen.
Die »Alternative für Deutschland« formuliert konsequent nationale Interessen, ohne sie mit rhetorischen Bekenntnissen zu solidarischem Handeln zu schmücken. Nicht zufällig finden sich viele ihrer Vertreter im Umfeld der Wochenzeitung Junge Freiheit wieder, die die rechtsex­tremistische Szene mit dem rechtsnationalen Bürgertum verbindet. Parteisprecher Lucke gab der Zeitung ein Interview, Konrad Adam, Hans-Olaf Henkel oder Wilhelm Hankel sind als Autoren für das Blatt tätig, das die Gründung der »Alternative für Deutschland« begeistert kommentierte.
Ob die neue Partei aber tatsächlich in den Bundestag einziehen wird, ist mehr als fraglich. Umfragen zufolge liegt sie bei rund einem Prozent – und erreicht damit einen ähnlichen Wert wie die »Initiative Pro D-Mark« vor rund zwei Jahrzehnten. Die Mitglieder der »Alternative für Deutschland« verweisen zwar gerne auf den rasanten Aufstieg der Piratenpartei und glauben, dass sich ein ähn­licher Erfolg wiederholen ließe. Doch gerade das derzeitig katastrophale Auftreten der Piratenpartei schreckt viele Wähler wohl eher davon ab, um sich auf neue Experimente einzulassen. Hinzu kommt, dass die jeweilige Klientel unterschiedlicher kaum sein könnte. Während die Piratenpartei vorwiegend für junge Wähler attraktiv ist, liegt der Altersdurchschnitt bei den Aktivisten für Deutschland sichtbar nahe am Rentenalter.
Allerdings nimmt die Euro-Krise einen so dynamischen Verlauf, dass größere Überraschungen in den kommenden Monaten nicht auszuschließen sind. Und nicht zuletzt wird die Bundesregierung versuchen, sich angesichts der unliebsamen Konkurrenz kompromissloser denn je zu geben. Den Zyprern hat sie gerade gezeigt, was das bedeutet.