Streit um den Doppelpass in der CDU

Doppelpass auf dem Ramschtisch

Selbst in der CDU gibt es mittlerweile Befürworter der doppelten Staatsbürgerschaft. Doch auch wenn die Union die Wählerstimmen von Eingebürgerten braucht, ist der Widerstand in der Partei gegen den Doppelpass vehement.

Für eine dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft sprechen sich im Bundestag nicht nur die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linkspartei aus, sondern mittlerweile auch der Koalitionspartner FDP. Und seit kurzem gibt es selbst in der CDU einzelne Funktionäre, die im Doppelpass kein Übel mehr erkennen können.
So erinnerte Armin Laschet Ende März in der Welt daran, dass die doppelte Staatsbürgerschaft bereits bei 55 Prozent aller Einbürgerungen die Regel sei. Der CDU-Vorsitzende und frühere Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen regte an, das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht der »internationalen Staatspraxis« anzupassen und nach den Bundestagswahlen im September eine parteiübergreifende Einigung zu suchen. Der Doppelpass habe für viele Menschen eine große Bedeutung. Mit ihm sei »keine Loyalitätsfrage verbunden«, sagte Laschet der Zeitung.

Inzwischen unterstützen also selbst Konservative die Abschaffung der umstrittenen Optionspflicht (Jungle World 8/2013) und des Verbots des Doppelpasses. Dass die verbliebenen Gegner der Mehrstaatigkeit einfach einlenken, ist nicht zu erwarten. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich hierzulande mit der Ablehnung des Doppelpasses Wahlen gewinnen lassen. Nach einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zog Roland Koch (CDU) 1999 als neuer hessischer Ministerpräsident in den Landtag ein und setzte im Bundesrat die Optionsregelung durch, wonach Kinder von lange hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass zwar bei der Geburt die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten, sich aber bis zum 23. Geburtstag für eine Nationalität entscheiden müssen. Die hessische CDU begann damals als erster Landesverband mit der Unterschriftenaktion gegen den Doppelpass. Deutschlandweit sollen bei der Kampagne etwa fünf Millionen Unterschriften gesammelt worden sein.
Inzwischen sind 14 Jahre vergangen. Die eingebürgerten Deutschen stellen ein immer größeres Wählerpotential dar und sind daher auch für die CDU von Bedeutung. Viele von ihnen wählen SPD und Grüne. Unter Angela Merkel (CDU) dürfte ein offenkundig auf Ressentiments gegen neue Deutsche zielender Bundeswahlkampf schwierig werden. Ende März betonte selbst der nicht zimperliche hessische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Volker Bouffier in der Welt: »Integration ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft und darf nicht im Wahlkampf verheizt werden.« Im Gegensatz zu Laschet sagte er aber, ein unbefristeter Doppelpass dokumentiere, dass »ein Bürger zwischen zwei Staaten« stehe. Deshalb beharrt Bouffier auf der Optionsregelung.

Unverblümter formulierte es Philipp Mißfelder, der Vorsitzende der Jungen Union, im Februar in einem Interview mit »Deutschlandradio Kultur«: »Wer in Deutschland zur Gemeinschaft dazugehören will, der muss sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden.« Mißfelder unterstellt allen Deutschen mit Doppelpass also Loyalitätskonflikte, verunglimpft Millionen von Menschen und verweist sie pauschal auf einen Platz außerhalb der »Gemeinschaft«. Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dem Tagesspiegel im Februar: »Zur doppelten Staatsbürgerschaft sagen wir klar nein. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist kein Ramschartikel, den man billig verscherbelt.« Solche Aussagen dürften bei den »Mehrheitsdeutschen« ankommen, die sich gerne als Platzanweiser für Einwanderer aufführen. Laschet dürfte es in den Unionsparteien nicht leicht haben.
Vorschläge der drei Oppositionsfraktionen im Bundestag, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern, waren Mitte März Gegenstand einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss. Die Fachleute aus Wissenschaft, Justiz und Verwaltung waren sich darin einig, dass es weder grundgesetzlich noch völkerrechtlich geboten sei, eine Mehrstaatigkeit zu verhindern. Doch es gab unter den sechs Männern unterschiedliche Ansichten darüber, ob die derzeitige Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Ausbürgerungsverbot des Grundgesetzes sowie gegen EU-Bestimmungen verstößt.
Zudem regte der Sachverständige Martin Jungnickel, Dezernatsleiter im Regierungspräsidium Darmstadt, die Vergabe eines Passes für alle hier geborenen Kinder an, die mindestens einen Elternteil haben, der ebenfalls in Deutschland auf die Welt kam – ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit. Dieser Ansatz bietet ein eindeutiges Kriterium für die Passvergabe, ist in den Gesetzentwürfen der Oppositionsfraktionen allerdings nicht vorgesehen. Derzeit gilt, dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch, aber eben nur vorübergehend, die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn ein Elternteil ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzt. Den dauerhaften Aufenthalt amtlich festzustellen, wird aber für die Behörden, nicht zuletzt durch die EU-Freizügigkeit, immer schwieriger.

Die Grünen dringen in einem Gesetzentwurf darauf, die Optionspflicht abzuschaffen. Die Regelung sei »integrationspolitisch kontraproduktiv und verfassungsrechtlich zumindest bedenklich«. Überdies belaste sie die Behörden mit der »Durchführung unsinniger und aufwendiger Verwaltungsverfahren«. Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag auf, einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Optionsmodells vorzulegen. Nach dem Willen der Linkspartei soll die Bundesregierung einen Entwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes »mit dem Ziel umfassender Einbürgerungserleichterungen« vorlegen. So solle der Einbürgerungsanspruch »grundsätzlich nach fünfjährigem Aufenthalt bestehen«, fordert die Fraktion in einem Antrag. Auch sollen Mehrfachstaatsangehörigkeiten infolge einer Einbürgerung oder Geburt in Deutschland generell anerkannt werden.