Abschiebungen von Flüchtlingen in Griechenland

Handel mit Verfolgern

Der Oberste Gerichtshof in Athen entscheidet darüber, ob in Griechenland lebende politisch Verfolgte aus der Türkei ausgeliefert werden dürfen.

In Athen findet zurzeit ein hochbrisanter Prozess statt, der die Rechte und den Schutz von politischen Flüchtlingen betrifft. Am Freitag wird im Areopag, dem Obersten Gerichtshof in Athen, entschieden, ob Zeki Gurbuz und Bulent Aytunc Comert an die türkischen Behörden ausgeliefert werden. Der Prozess begann am Freitag voriger Woche, nachdem die türkischen Behörden ihre Auslieferung verlangt hatten. Gurbuz, ein kurdischer Alevit, wurde am 12. Februar festgenommen – kurz nach seiner Anhörung für die Prüfung seines Asylantrags in Patras. Ein türkischer Interpol-Haftbefehl wurde einen Tag vor dem Gespräch ausgestellt. Am selben Tag wie Gurbuz wurde auch Comert verhaftet, der ihn als Dolmetscher begleitet hatte. Beide werden von den türkischen Behörden beschuldigt, an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein. Dem griechischen Flüchtlingsrat zufolge sind sie Opfer von Folter in türkischen Gefängnissen und politische Flüchtlinge. Gurbuz wurde in der Türkei antistaatlicher Aktivitäten beschuldigt, Comert wegen seiner politischen Arbeit und seiner pro-kurdischen Position verfolgt. Er floh nach Griechenland und stellte bereits 2002 einen Antrag auf Asyl. Ein Jahr später bekam er eine positive Antwort, aber es fehlt bis heute die Bestätigung des zuständigen Ministers.

Obwohl das Gericht in Patras geurteilt hat, dass sowohl er als auch Comert nicht ausgeliefert werden, ist Gurbuz bis heute in Haft, da der Staatsanwalt von Patras Berufung einlegte. Der Bezirksanwalt des Areopag stellte sich am Freitag vergangener Woche gegen die Auslieferung der beiden Flüchtlinge und bezeichnete die Entscheidung des Staatsanwalts von Patras als unbegründet.
Juristen und Menschenrechtsaktivisten warnen, dass die Flüchtlinge erneut Opfer von Folter werden könnten und vor die international mehrmals verurteilten sogenannten Sondergerichte in der Türkei kämen, auf Grundlage der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Ihre Auslieferung wäre ein klarer Verstoß gegen die griechische Verfassung, das europäische Recht und die Genfer Konvention. Es wird vermutet, dass nach der Reise von Ministerpräsident Antonis Samaras Anfang März in die Türkei ein politisches Abkommen mit wirtschaftlichen Gegenleistungen zwischen beiden Ländern getroffen wurde. Türkische Zeitungen berichteten über Abkommen zum Thema Auslieferung und veröffentlichten die Namen in Griechenland lebender Dissidenten.

Die Verfolgung von Gurbuz und Comert ist kein Einzelfall. In den vergangenen Wochen gab es in Griechenland eine Reihe von Verhaftungen von Schutz suchenden politischen Dissidenten und Kurden aus der Türkei, die bereits seit Jahren in Griechenland leben und auf ihren Asylentscheid warten. »Die griechische Regierung ›verkauft‹ uns. Sie benutzt uns für einen Handel mit der türkischen Regierung«, sagt E., ein Kurde, der seit langer Zeit in Griechenland lebt. Es ist nicht neu, dass die Türkei die Auslieferung von Schutzsuchenden fordert. Bemerkenswert ist aber, mit welcher Intensität dies derzeit in Griechenland stattfindet. Die Tatsache, dass viele jahrelang auf ihren Asyl­entscheid warten, macht die Situation brenzlig.
»In anderen Ländern haben Dissidenten aus der Türkei schon längst Asyl bekommen. Hier in Griechenland gibt es Fälle, wo seit Jahren der Asylantrag nicht überprüft worden ist. In anderen hat die zuständige Behörde schon lange entschieden, dass der Antragsteller alle Bedingungen erfüllt, um als Flüchtling anerkannt zu werden, die Entscheidung wurde aber bis heute nicht durch den Minister unterschrieben«, so Marianna Tzaferakou von der Anwaltsgruppe für die Rechte von Migranten und Flüchtlingen. »Wir fühlen uns nicht mehr sicher in Griechenland. Wir haben Angst, unsere Aufenthaltspapiere bei den griechischen Behörden zu erneuern oder zur Anhörung zu gehen, weil wir fürchten, dass wir festgenommen werden«, sagt E. » Wir haben Angst, alleine auf der Straße zu laufen, weil wir jederzeit verhaftet werden könnten. Es erinnert uns an die Militärjunta in der Türkei.«