Zum Start von »Star Trek Into Darkness«

Alternative Welten gesucht

Der Science-Fiction-Film kommt nicht über die Gegenwart hinaus. Er ist furchtbar altes Kino. Zum Start von »Star Trek Into Darkness«.

Viele Leute mögen Science-Fiction-Filme, ich zum Beispiel. In der letzten Zeit gab es eine ganze Menge, und ich bin auch immer brav hingerannt. Und regelmäßig enttäuscht wieder rausgekommen. Zu flach, zu eintönig, ach je.
In den Filmportalen und Foren grübeln die Sci-Fi-Freaks drüber, warum es dauernd an der Qualität hapert. Schlechte Drehbücher? Doofe Regisseure, langweilige Plots, zu tot? Verkauft sich nicht, Scheiß-Raumschiffe, öde Außerirdische, langweilige Monster …
Unterm Strich waren die letzten Filme – man nehme nur »Cloud Atlas« oder »Oblivion« – so kurios, dass man glauben konnte: Das Genre Zukunftsfilm tritt derzeit so häufig an, dass man ein für alle Mal die Lust am schönen künftigen Leben verliert. »There is no alternative« – dieser furchtbare Spruch Margaret Thatchers kann als Menetekel für die gegenwärtigen futuristischen Kinowelten dienen: Mehr als das, was wir jetzt haben – einen ausgelaugten Planeten, schrottreife Natur, nichtsnutziger Krieg, Automaten, die einen umbringen – kriegen wir nicht. Neoliberale Filmindustrie, es reicht. Du hast schon genug Schaden angerichtet! Oder doch nicht? Wie wäre es mit der neuen Ausgabe eines Raumschiff-Enterprise-Films. »Schreib bloß nichts Schlechtes!« rufen mir die Mitarbeitenden vom Raumschiff Jungle World hinterher. Das eigene Sonnensystem ist auch nicht immer einfach, da freut man sich auf ferne Galaxien.
Diesmal heißt die Captain-Kirk-Saga »Star Trek Into Darkness«, und sie wird mit derselben Schar Schauspielerwelpen wie beim letzten Film aufgeführt, der eigentlich ganz gut war. Sie kommt mit lautem Getöse daher: »Endkampf zwischen Gut und Böse«, »Schicksal der ganzen Welt«, »große Liebe«! Was Neues war da jetzt nicht dabei. Egal, Licht aus, Leinwand an. Wir brummen mit unseren 3D-Brillen durch die Planetenlandschaft. Mann, sieht’s hier aus! Erloschene Sonnen, eingeschlagene Monde, zertrümmerte Welten. Na, da ist man doch hin und weg. Das war jetzt der Vorspann.
Dann fliegt die beliebte Crew durchs Bild und flüchtet vor den außerirdischen Einheimischen. Gerade hat Kirk (Chris Pine) die oberste Direktive verletzt: Misch dich nicht in fremdes Planetenbusiness ein. Kollege Spock (Zachary Quinto) macht auf Bürokratenheini. Zum Ausgleich verletzt er seinerseits die Nichteinmischungsorder.
Das Thema wird uns noch erhalten bleiben. Erstmal liegt Raumschiff Enterprise versteckt im Meer. Da naht auch schon der erste lauwarme Gag. Chefschrauber Scotty (Simon Pegg) warnt: »Das Meerwasser dringt durch alle Ritzen!« – Ach ja? Wie hält der Kasten denn dann bitte schön Warp zehn aus, wenn der schon bei ein paar Wassertropfen schlappmacht? Warum nicht die Schilde aktivieren?
Alsbald trifft man sich auf der schnöden Erde wieder. Im Jahr 2259 hört man Disco und HipHop aus den Neunzigern und Blues-Musik aus den sechziger Jahren. Im Sinne des angestrebten 3D-Space-Opera-Gesamtkunstwerkes hätte man durchaus mal die Produzenten von Lady Gaga oder Karlheinz Stockhausen fragen können, wie Musik in 300 Jahren klingt. Oder aussieht. Wahrscheinlich wird gespielt, was der Regisseur zu Hause hat.
Um Logik geht es auch sonst dankenswerterweise nicht, sonst hätten Regisseur J. J. Abrams und seine Autoren das Skript nochmal gelesen. Ein Attentäter legt eine Bombe, zündet sie, geht mit ihr hoch und wird hernach verhört, im ganzen Raumschiff liegt die Energie flach, aber die Außenschleuse lässt sich mühelos per elektronischer Steuerung öffnen. Hauptsache, die Leute sehen gut aus. Und die Leinwand: Volle Raumoptik, das hat immerhin bis zum zwölften Film gedauert. Wie in vielen Filmen dieser Art gibt es allerdings sukzessive immer weniger zu sehen, was den Tiefeneffekt hervorruft. Am Anfang fliegt ja noch ein Speer aus der Leinwand. Ansonsten passt der Film mit der Zeit auch ganz gut in einen Fernsehapparat. Mensch, unendliche Weiten! Und doch so kleine Probleme: Warum führt die Leere des Alls eigentlich immer dazu, dass Menschen in geschlossenen Räumen miteinander quasseln?
Ein Film mit sehr verengter Perspektive. Er kann nichts anfangen mit dem Universum. Wird nicht geredet, wird sich in die Schnauze gehauen. Der Faustkampfanteil ist nicht zu unterschätzen. Sollte man von der Zukunft nicht erwarten, dass sie hier Alternativen bereithält?
Nun gut, der Plot von »Star Trek Into Darkness« ist erläuterungsbedürftig. Durchaus nachvollziehbar, dass sich seine Insassen in längeren Sitzungen gegenseitig die Handlung erklären. »Star Trek« war schließlich immer schon eine Talkshow. Die Erde des 23. Jahrhunderts sieht aus wie die Rückseite eines iPhone – ­glatte Fassaden, in denen sich Elektroautos von heute spiegeln, und rasierte Menschen.
Diese Erde ist nicht die von Kirk. Kaum zu Hause angekommen, verliert er gleich das Kommando. Befehle missachtet, Direktiven übersehen, Spock hat gepetzt. Es kämpft das Gefühl gegen die Logik. Mannschafts- gegen Regeltreue.
Die Welt befindet sich am Vorabend eines Krieges mit den Klingonen. Es hat schon Scharmützel gegeben, aber nun verschärft ein Mann namens John Harrison (Benedict Cumberbatch), der in Wahrheit der böse Khan ist, als aus dem Ruder gelaufene Massenvernichtungswaffe die Auseinandersetzungen. Den biogenetisch hochgetrimmten Mann wollte der Oberbefehlshaber wegen seiner Brutalität ins Feld führen – ein halbes Remake von »Der Zorn des Khan« (USA 1982).
Da sich in der gesamten Sternenflotte offensichtlich keine schlachterfahrenen Kräfte befinden, muss man wohl oder übel auf die juvenile Kirk-Truppe zurückgreifen, um das Problem zu lösen – Motto: der hormongesteuerte Kirk, was ist der anderes als ein Intensiv-Phaser.
Wird nicht gedroschen, gibt’s Graubrot. Witze über spitze Ohren, die latente bis manifeste Homosexualität von Scotty. Das Paar Ohura (Zoë Saldana)/Spock streitet. Konflikte in der Gruppe auf Teenie-Niveau. Die Alten schicken die Jungen in den Krieg, die rächen sich mit Väterkillen.
Weil der Film nur Typen zeigt, aber keine Charaktere, kann sowas wie filmische Reflexion schlecht entstehen, sie könnte dieses Werk etwas wertvoller machen. Bio-Waffen gegen Wissenschaft, multikulturelle Gesellschaften, wieso überhaupt noch bemannte Raumfahrt – die Themen werden zwar angerissen, doch wird mit ihnen umgegangen, als seien sie ein drehbuchnotwendiges Übel. Das Finale ist fade, eine recht seltsame Umkehrung des Schlusses von »Zorn des Khan«. Es geht hier doch recht einfach zu. Aber wenn es schon im Science-Fiction-Film nicht mehrdimensional zugeht – wo dann?
So ein Pech, Freunde der Überlichtgeschwindigkeit: Der neue »Star Trek«, Teil zwei – teurer Film, aber eine halbe Nullnummer. Einmal gibt es eine schöne Einstellung: Kirk, der alte Schwerenöter, liegt mit zwei Frauen im Bett. Als jemand den Raum betritt, springen sie heraus und man sieht, dass sie Katzenwesen sind, lange Schwänze haben. Hier ist das Drama für ganz kurze Zeit mal einfach unterbrochen.
Die Szene dauert vielleicht zwei Sekunden. Sie wirkt, als habe man vergessen, sie herauszuschneiden.

»Star Trek Into Darkness«. USA 2013. Regie: J.  J. Abrams, Darsteller: Chris Pine, Zachary Quinto, Zoë Saldana. Kinostart: 9. Mai 2013