Konkurrenz zwischen Rechtsextremen in Nordrhein-Westfalen

Kamerad gegen Kamerad

In Nordrhein-Westfalen hängt der rechtsextreme Haussegen schief. Die Konkurrenz zwischen der NPD und der Partei »Die Rechte« wird mit schmutzigen Mitteln ausgetragen, NPD-Funktionäre sind zur Gegenseite übergelaufen.

So mancher Kamerad trug in der Vergangenheit die Losung »Kameradschaft ist mehr als nur ein Wort« auf seinem Shirt. Doch die Naziszene in Nordrhein-Westfalen gibt derzeit ein anderes Bild ab. In einer Mischung aus Machtkampf, Hooliganismus und privatem Kleinkrieg gehen dort Kameraden auf Kameraden los. Im August 2012 war die Welt zwischen der NPD und nicht parteigebundenen Neonazis noch fast in Ordnung. Ein großes Polizeiaufgebot ging damals gleich gegen drei Neonazigruppen vor, die »Kameradschaft Aachener Land« (KAL), die »Kameradschaft Hamm« und den »Nationale Widerstand Dortmund« (NWDO), die alle verboten wurden. Beamte drangen auch in ein Haus in Dortmund ein. Dort wohnten Vertreter des NWDO. Einige Räume dienten als Treffpunkt für gesellige Abende, Versammlungen und Schulungen. In der Verbotsverfügung heißt es, manche dieser Veranstaltungen hätten unter Mitwirkung von NPD-Kadern stattgefunden. Die Behörden sprachen von einem »Vereinsheim«, beschlagnahmten fast alles, was sie vorfanden, etwa ein Plakat von Udo Voigt, bis 2011 NPD-Vorsitzender, mit einer handschriftlichen Widmung: »Für die Dortmunder Kameraden«. Aufgefunden wurden zudem etwa 1 000 NPD-Plakate. Die Neonazis sollten offenbar für die NPD plakatieren, angenommen wird, dass sie auch entlohnt werden sollten. Der NPD-Vorsitzende Holger Apfel machte am Tag der Razzia während seiner Wahlkampftour in Dortmund Halt und sorgte sich um das Wohl der Kameraden. Doch damals schon hatte die Schlammschlacht zwischen Mitgliedern des NWDO und Teilen der NPD begonnen. Der NWDO hatte selten mit der Dortmunder NPD kooperiert, sondern eher mit den politisch extremeren Verbänden aus Hamm, Unna und Düsseldorf. Hans-Jochen Voß, Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Unna/Hamm, soll dem NWDO gelegentlich finanziell unter die Arme gegriffen haben – im Gegenzug unterstützten die Kameraden sporadisch die NPD. Im derzeitigen Konflikt hält sich Voß, Beisitzer im NPD-Landesvorstand, eher bedeckt. Der Landesverband selbst veröffentlichte im April eine lange Liste mit Einschüchterungsversuchen und Angriffen beziehungsweise »kriminellen Handlungen, Schikanen und unkameradschaftlichen Verhaltensweisen«, die sich gegen drei NPD-Kader gerichtet haben sollen. Als Verdächtige für die Attacken gelten der NPD Personen aus der Partei »Die Rechte« (DR) oder ihrem Umfeld, in die Mitglieder des NWDO seit Herbst 2012 eingetreten sind. So soll der NPD-Kreisvorsitzende Matthias Wächter bis zu 200 »Terroranrufe« pro Tag erhalten haben. Bei Pizzadiensten und Versandfirmen sollen Waren auf den Namen des Dortmunder NPD-Ratsmitglieds bestellt worden sein. Wächters Auto sei mit Farbe, sein Haus mit Schmähungen beschmiert worden: »Spitzel, Spalter, Hurensohn«, »Du Ratte«, »Jude« sowie ein Davidstern. Ziel der Angriffe wurde den Angaben der NPD zufolge auch das Haus von Axel Thieme, der wie Wächter dem Dortmunder Stadtrat angehört. Das Haus sei »entglast« worden. Bei einem anderen NPD-Funktionär sei das Wort »Jude« auf die Hauswand gemalt worden. Zudem soll ein mit Nägeln versetztes Stück Fleisch in den Garten des Funktionärs geworfen worden sein – um seinen Hund zu töten. Erst im März sei ein »pyrotechnischer Sprengsatz« unter Wächters Auto detoniert. Die Polizei habe drei Verdächtige gefasst – eine Frau aus dem »direkten Umfeld der Partei ›Die Rechte‹« sowie zwei Männer, mutmaßlich ebenfalls aus dem DR-Umfeld. Wächter sei auch von Mitgliedern dieser Partei persönlich bedroht worden, behauptet die NPD. »Die Rechte«, an Pfingsten 2012 von ehemaligen Mitgliedern der DVU und Neonazis um Christian Worch gegründet, verfügt in Nordrhein-Westfalen mittlerweile sowohl über einen Landesverband als auch über mehrere Kreisverbände, in denen maßgeblich militante Neonazis vertreten sind. Führungskader der drei im vergangenen Jahr verbotenen Nazibanden gehören zum Teil auch den Führungsgremien der DR-Verbände an. Offenkundig nutzen die Beteiligten das Parteienprivileg, um die durch die Verbote verlorengegangenen Organisationsstrukturen neu aufzubauen. Bei der NPD belächelte man die neue Partei zunächst. Doch dann wechselte Ende 2012 Markus Walter, der einige Monate zuvor noch für die NPD als Nachrücker Mandate im Stadtrat und Kreistag von Verden (Niedersachen) übernommen hatte, zur »Die Rechte«. Auch im DR-Landesverband Hessen fungierten ehemalige Kader der NPD als Gründer und Führungspersonen. Ausgerechnet am 20. April – dem »Führergeburtstag« – tauschten dann Nadine Braun, bis dahin als Beisitzerin im NPD-Landesvorstand und NPD-Kreisvorsitzende in Düsseldorf, und ihr Stellvertreter Manfred Breidbach das NPD-Parteibuch gegen eines von »Die Rechte«. Anlässlich dieses Übertritts soll eine Gründungsfeier des DR-Verbands Düsseldorf, Mettmann, Solingen mit 80 Neonazis stattgefunden haben. Die Überläufer begründeten ihren Schritt mit der Wiederwahl Apfels als Bundesvorsitzenden. Jedoch dürfte der Wechsel lange geplant gewesen sein. Die Düsseldorfer NPD war ausgesprochen neonazistisch geprägt, Breidbach durch seine teils im NS-Jargon gehaltenen Hetzreden aufgefallen. Apfel hatte deswegen 2012 von einem »Krawall-Redner« und »Idioten« gesprochen, zwar ohne ihn direkt beim Namen zu nennen, aber mit unmissverständlicher Adressierung. In einer Erklärung stellten Braun und Breidbach am 26. April fest, die »Reaktion« um Apfel habe in der NPD »das Ruder wieder an sich gerissen«. Die »Volksfront von rechts«, der von Voigt initiierte Schulterschluss mit den »freien Kräften«, sei am Ende. Die nordrhein-westfälische NPD hatte wiederum wegen der Angriffe auf ihre Kader dazu aufgerufen, am 1. Mai einem Aufmarsch von »Die Rechte« in Dortmund fernzubleiben. Dennoch nahmen das NPD-Landesvorstandsmitglied Voß und der vom NPD-Bundesvorstand mit einem Redeverbot für diesen Aufmarsch belegte Thorsten Heise, zurzeit stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Thüringen, daran teil. In ihrem »Live-Ticker« zum 1. Mai postete »Die Rechte«: »Es sind erfreulich viele NPD-Aktivisten dabei.« Angesichts mancher Schwächen der NPD bei den von ihr veranstalteten Aufmärschen am 1. Mai höhnte »Die Rechte« später, dies sei ein »ziemlich eindeutiges Indiz« dafür, wie sich die Verhältnisse »innerhalb des radikal rechten Lagers« veränderten. Am Wochenende dürfte »Die Rechte« ähnliche Freude empfunden haben: Auf einer von ihr veranstalteten Demonstration im niedersächsischen Kirchweyhe hielt Thomas Wulff, stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Hamburg, eine Rede.