Platte Buch

Fratze der Provinz

Baru alias Hervé Barulea gehört noch immer zu den interessantesten Comic-Künstlern im französischsprachigen Raum. Auch wenn sein bislang größter Erfolg, die Graphic Novel »Autoroute du Soleil«, beinahe 20 Jahre zurückliegt. Das Grundrezept seiner Erzählungen ist meist identisch. Baru verbindet sozialen Realismus mit einem Zeichenstil, der die Charaktere bis ins Groteske verzerrt, einer ebenso unvorhersehbaren wie anekdotenhaft leichten Erzählweise und einer gehörigen Portion Sex, Drogen und Gewalt. Auch in seiner jüngsten Veröffentlichung auf Deutsch, deren französischsprachiges Original allerdings bereits aus dem Jahr 1997, also genau der Schaffensphase von »Autoroute du Soleil«, stammt, setzt er wieder auf genau diese Mischung, und sie bewährt sich erneut.
Barus Buch ist deutlich vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wirkt »Wieder unterwegs« – eine Anspielung auf Kerouacs »On the Road« – zunächst wie eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Geschichtchen, entwickelt es sich im Verlauf zu einem gekonnten Porträt der französischen Provinz und ihrer hässlichen Fratze und wird zum Ende hin zu einer nachdenklich stimmenden Erzählung über das Älterwerden und die Frage, inwieweit es möglich ist, sich dabei selbst treu zu bleiben. Barus Antwort auf diese Frage fällt zwiespältig aus: Es scheint durchaus möglich zu sein. Ob es aber auch wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt.

Baru: Wieder unterwegs. Aus dem Französischen von Martin Budde.
Reprodukt-Verlag, Berlin 2013, 103 Seiten, 20 Euro